Sonntag, 8. Mai 2016

Grußpostkarte aus Schwerin

Ob geplant oder zufällig, Sie lesen hier in meinem digitalen Tagebuch aus der Ar­beits­welt. Ich bin Dolmetscherin für die französische Sprache (und aus dem Eng­li­schen). Heute folgt das Sonntagsfoto gleich doppelt. Denn während die Mit­be­woh­ne­rin in Berlin die Setz­linge für den Balkon wässert ...

Guillaume et Stéphane Malandrin, Caroline Elias, Je suis mort, mais j'ai des amis
Deutsche Festivalpremiere von "Ich bin tot, macht was draus!"
Auf Filmfestivals zu mo­de­rie­ren ist ei­ne mei­­ner Ne­ben­be­schäf­ti­gun­gen, die ich im­mer dann be­son­ders liebe, wenn aus­län­di­sche Gäs­te da sind, die zu­gleich ge­dol­metscht wer­den müs­sen. In ei­nem ers­ten Be­rufs­le­ben ha­be ich als Jour­na­lis­tin ge­ar­bei­tet. Da­von zeh­re ich noch heu­te.

So wende ich im Kino die ganze Bandbreite meiner Fähigkeiten an und erweitere sie, denn manches Interview vor Publikum führe ich inzwischen auch auf Englisch.

Sehr spannend war dieses Mal die Selbstbeobachtung, dass meine Vorbereitung hier eine andere sein muss als im Dolmetschen. Der deutschen Grammatik wegen sind wir Dolmetscher ja immer extrem vorbereitet, wir lesen viel, hören, sofern es Audiodateien gibt, üben, erstellen Glossare, schreiben Exzerpte. Das deutsche Verb steht am Ende, im Französischen kommt es früher. Oft nutzen wir beim Si­mul­tan­dol­met­schen die Sa­la­mi­tak­tik, sagen schon mal das, was feststeht, und rennen dann sprachlich hinterher. Dabei hilft, dass wir in der Regel aufgrund der Vor­be­rei­tung wissen, wie der Satz zu Ende geht. Würde der Redner nicht kommen, könnten wir die Sache im Grunde auch alleine bestreiten.

Mann mit Stelzen unter dem Anzug schreitet durch Schwerin
Auf dem Weg ins Kino
In der Livemoderation soll­te ich mich mit der Vor­be­rei­tung ein wenig zurückhalten. Ich le­se Texte zur Per­­son, zu den Schauspielern, den Drehorten oder der Story, da­mit ich ein Gerüst habe. Zusätzlich hat jeder von uns hüb­­sche Jo­ker­fra­gen im Ärmel. Und in der Re­gel ken­ne ich na­tür­lich den Film, um den es geht (*). Vor al­lem aber muss ich Raum für Im­pro­vi­sa­tion lassen.

Ich muss auf das Gegenüber eingehen, auf Saalereignisse, Kommentare von Sitz­nach­barn oder Gelächter an bestimmten Stellen einbeziehen. Dolmetschen ist Stu­dio­fo­to­gra­fie, bei der allerdings viel improvisiert werden muss; journalistische Ge­sprächs­füh­rung hat im Idealfall auch etwas mit Schnappschüssen zu tun.

Neulich bin ich fast über das Mikrofonkabel gestolpert und habe das in die Mo­de­ra­tion eingebaut. Vor allem aber muss ich mir die journalistische Neugier auf die Gäs­te erhalten. Mir wurde dieser Tage beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vor­pom­mern in Schwerin klar, wie sehr mir Live-Situationen liegen.

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Fotos: C.E. und Stefan Koeck (Guillaume
und Stéphane Malandrin, die Autorin)
(*) ... oft auch viele frühere Werke ...

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