Immer öfter werden wir zwischendurch für kurze Interventionen am Telefon angefragt. Das sogenannte "Telefondolmetschen" ist nicht ohne Tücken, denn meistens geht es um komplexe Themen. Wichtig ist ein Vorgespräch mit einer der Seiten, die gerne auch Dokumente senden darf.
Ausnahmen sind einfache Gespräche wie Hotelreservierungen oder etwas in dieser Preislage. Bei vielschichtigen Inhalten ist es wichtig, dass besagtes Vorbereitungsgespräch früh genug stattfindet, hier war das am Freitag der Fall, damit unsereinem genug Zeit zum Einlesen in die Thematik bleibt. Heute stand dann ein Sorgerechtsstreit auf der Tagesordnung. Ich hatte mich gut eingelesen, auch die Fallstricke und Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland studiert, eine kleine Vokabelliste angelegt, und los ging's. Am Anfang brauchten wir einige Minuten, um den modus operandi zu klären. Bei normalem Dolmetschen legen wir großen Wert auf eine gute Sicht auf das Podium, weil wir einen Teil der Informationen von den Lippen ablesen können. Bei Begleitdolmetschen, wenn alle in ein- und demselben Raum sind, ist das noch einfacher.
Menschen nur zu hören ist also keine einfache Dolmetschvoraussetzung. Hier wurde die Situation dadurch verschärft, dass die Stimmung emotional hochgradig aufgeladen war. Die Gesprächspartner sind einander immer wieder ins Wort gefallen, was bei einer einsprachigen Situation schon nicht schön ist, mir hier aber das Dolmetschen verunmöglicht hat. Etwa dreimal habe ich freundlich darauf hingewiesen, dann musste ich lauter werden. Für uns auf Diplomatie geschulte Dolmetscher ist das nicht einfach. Ich ließ also ein überaus gut vernehmbares: Please stop talking at the same time, I can't work under these conditions! los und erklärte erneut von Anfang an meine Arbeitsweise. Dann ging's.
Das Gespräch dauerte anderthalb Stunden. Danach war ich wie durch die Mühle gedreht. Telefondolmetschen ist eine Notlösung. Dolmetschen ist bei normalen Konferenzsituationen schon so anstrengend, dass wir uns alle 20 bis 30 Minuten ablösen. Wer sein Oberstübchen überstrapaziert, riskiert bleibende Schäden, das wurde uns im Studium eingetrichtert.
Telefondolmetschen kommt mir bei komplexen Themen schwerer vor als das Dolmetschen in der Kabine. Ich sehe die Sprechenden nicht. Das Nonverbale, das mir auch beim Übertragen hilft, fällt weg, außerdem fehlt die Ablösung, die hier im Grunde noch wichtiger wäre als sonst. Eine weitere Belastungsebene gab es hier leider: die Inhalte. Das Besprochene durfte ich nicht so stark an mich herankommen lassen, denn es ging auch um Kindesmisshandlung und seelische Grausamkeit.
Noch etwas zum Preis: Es gibt im Netz viele dubiose Anbieter, die solche Dienstleistungen für einsfuffzig die Minute, am besten mit Prepaidkarte, verticken. Eigentlich gingen die Anbieter von einer raschen Sprachvermittlung z.B. für Fahrer von im Ausland liegengebliebenen Autos aus, inzwischen wildern sie immer mehr auf dem "echten" Dolmetschmarkt. Von den 1,50 bekommt der Dolmetscher am Ende 45 Cent ausbezahlt; Zeit für Vorbereitung wird nicht honoriert. Das ist natürlich nicht der Preis, zu dem ein ernsthaft arbeitender Profi auch nur erwägt, tätig zu werden, dann sind wir lieber gleich kostenfrei für einen wohltätigen Zweck unterwegs.
Für Privatkunden, die nicht auf Rosen gebettet sind, finden wir übrigens auch Sozialtarife, was nebenbei den nicht uncharmanten Vorteil hat, dass dann nicht
Das war ein anstrengender Arbeitstag. Zum Glück darf ich derzeit abends ins Kino und bei achtung berlin Publikumsgespräche moderieren. Das ist das kleine und feine Berlinfilmfestival, das ich seit bald zehn Jahren begleite.
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Illustration: Archiv
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