Samstag, 31. August 2013

Terminhassle

Bon­jour — gu­ten Tag ... oder Bonsoir — gu­ten Abend! Hier le­sen Sie regelmäßig In­for­ma­tio­nen aus dem All­tag ei­nes Ber­li­ner Dol­met­scher- und Über­setzer­bü­ros, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse.

So ein richtiges Terminhassle hätte ich mir da eingetreten, meint eine Ko-Kabine beim gegenseitigen Termincheck vorhin, und verwendet den Ausdruck nicht mal ironisch.

Ob denn das beschriebene Problem mit dem Kunstkongress inzwischen gelöst sei, fragt sie dann und ist mit der Frage nicht alleine. Wie ging es weiter? Für eine Kon­fe­renz, die sich aus einer internen Arbeitsgruppe heraus entwickelt hat, sollte ich dolmetschen, allein zu einem Leider-leider-Preis ... und Reisekosten wurden in der Planung gar nicht berücksichtigt. Zum Dumpingpreis arbeiten wollte ich nicht, zumal wichtige Wis­sen­schaftsfördereinrichtungen am Ende die Ab­rech­nungen erhalten.

Ich schlug nun vor, bei den Fördereinrichtungen einen Ergänzungsförderantrag für die Verdolmetschung zu stellen. Ansonsten sähe ich aufgrund jahrelanger Lehrerfahrung auch noch die Möglichkeit, an der Hochschule ein Seminar anzubieten, für das ich bezahlt werden würde. Dolmetschen könnte ich damit als Insti­tuts­mit­ar­bei­terin für lau.

Zwei Tage später schrieb man mir, dass sich die Sache leider erledigt habe. Der Rücklauf der Zusagen sei nun so, dass es unter den Deutschen nur zwei Menschen gebe, die nicht Französisch könnten, dafür etliche Englisch-Muttersprachler. Man habe nun zur Finanzierung der Englisch-Dolmetscher, die wohl schon vor Ort sind, einen Ergänzungsförderantrag gestellt. Die zwei Deutschen, die kein Französisch sprechen, würden dann eben Englisch vortragen ... man bedanke sich übrigens für meine Anregung mit der Wissenschaftsfördereinrichtung. Résumé: "Also sagen wir so, fürs Prinzip haben alle was dazu gelernt. Jedenfalls von unserer Seite. Nur der Job hat sich erledigt."

Der ganze Schlamassel nur, weil an einem Hoch­schul­insti­tut, das binationale Diplome anbietet, Aufwand und Preise in Sachen Dolmetschen bislang unbekannt waren. Und weil ich halt doch gerne nach dem zu erwartenden Bun­des­tags­wahl­stress einige Tage in den Süden möchte.
Siehe ... mein Blogeintrag von gestern!

So kann Terminkuddelmuddel auch enden. Für mich unbefriedigend, ich wollte eigentlich nicht unbedingt primär für die Arbeitsbedingungen der Englischkabine kämpfen, sondern für die eigenen. Ich muss also auch noch was hinzulernen.

Dazu werde ich mal wieder etwas zum Thema Gehirnforschung sehen, "Das au­to­ma­ti­sche Gehirn" auf Arte+7, eine Wiederholung (ou bien en français).

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Fotos: C.E. (aus der Reihe "öffentliches Lesen")

Freitag, 30. August 2013

Suche Job in Marseille

Hallo! Willkommen auf den Blogseiten aus der Welt der Sprachmittelei! Hier schreibe ich über meine Arbeit, der manches Buchungskuddelmuddel vorausgeht.

Bei der Lösungssuche für den südfranzösischen Beinahe-Hochschulauftrag habe ich mich in eine Fortbildung unseres Kooperationspartners in Marseille verknallt, Tonschnitt, am 29. September abends geht's los, dann bis zum 1. tagsüber, das lange Wochende vom 3. Oktober frei, Seminar dann noch Montag und Dienstag, 8. und 9. Oktober. Dieses Programm wurde mir leider einen Tag zu spät zugeschickt ... gestern hätte ich sonst anders verhandelt! (Warum mich Tonschnitt interessiert, steht hier im 3. Absatz.)

In Marseille: Statue, Zaun und Männer im Gegenlicht
Daher suche ich jetzt einen Ein­satz in Südfrankreich, und zwar ab dem 20. September, am Deutsche-Einheits-Wochen­ende oder ab dem 10. Oktober bis einschließlich zweite Woche des Monats möglich. Die zweite Ok­to­ber­hälf­te bin ich dann hoffentlich voll­stän­dig in Berlin ausgebucht (bis­lang bin ich nur optioniert/es gibt münd­liche Zusagen).

Eine Wohnungstauschpartnerin für Marseille hätte ich auch schon. Mal schauen, ob sich was auftut. Ich will "heuer" noch in die Europäische Kulturhauptstadt reisen! Und bei Buchungskuddelmuddel bleibe ich bei den kleinen Aufträgen gelassen, solange die großen in ruhigem Fahrwasser sind.

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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 28. August 2013

Niedere Mathematik, die X-te

Bon­­jour, hel­­lo und sa­lut ... auf den Sei­­ten die­­ses Blogs. Hier schreibt eine Dol­­met­­scher­­in und Über­­setzer­in über ihren All­­tag in Ber­­lin, Paris, Köln und dort, wo sie gebraucht wird.

Nachtrag zu gestern, leider war das wieder die Quadratur des Kreises. Ich schrieb, dass ich verärgert darüber sei, dass Kunstkongressveranstalter ver­ges­sen hatten, die Kosten für die Ver­dol­met­schung ihres zweitägigen Kol­lo­qui­ums zu kalkulieren. Das stimmt so und auch wieder nicht. Angekündigt wurde die kleine, interne Arbeitsveranstaltung eines binationalen Studiengangs.
getanzte Quadratur des Kreises
Wir sprachen über eine Auf­wands­ent­schä­di­gung, die Reisekosten nach Süd­frank­reich wurden nicht ge­son­dert er­wähnt, dass die erstattet werden, ver­steht sich in unserem Gewerbe so sehr von allein, wie dass wir Preise vor Steuern verhandeln. Dann flatterte das Programm ins Haus. Und das sah nicht nach hausinterner Veranstaltung aus.

Auf ihm sind wichtige Namen zu lesen, die Zeiten sind klar ausgewiesen, es gibt Impulsreferate, Reden, Dis­kus­sio­nen, Publikum — und unten auf dem Pro­gramm stehen sehr wichtige Insti­tu­tio­nen als Sponsoren verzeichnet. Und hier geht für mich das Problem los.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das Projekt von einer eher kleinen Ar­beit­srunde in der Vorbereitungs­pha­se weg­ent­wickelt hat.

Damit war diese Veranstaltung aber nicht mehr von den handelsüblichen Kon­fe­ren­zen zu unterscheiden. Für mich ein Riesenproblem: Die kofinanzierenden In­sti­tu­tio­nen bekommen am Ende die Abrechnung mit allen Einzelrechnungen auf den Tisch. Sie würden also sehen, dass ich auch zu ganz anderen Preisen arbeite. Und bei den nächsten Ho­no­rar­ver­hand­lun­gen würde es dann schwierig werden zu rechtfertigen, wa­rum meine Arbeit plötz­lich wieder richtig Geld kostet.

Die Unerfahrenheit der Menschen in der Verwaltung darf ich nicht unterschätzen, vor allem dann, wenn es um niedere Mathematik geht. Erst an x-ter Stelle vermute ich unlautere Hintergedanken.

Daher erwäge ich meine Teilnahme doch kurz, na klar, Ehrensache! Ich suche im Netz nach den Flugpreisen, die Konferenz findet in sechs Wochen statt, und er­schrecke: Allein der Flug würde ohne Transfer mehr kosten, als an Auf­wands­ent­schä­di­gung für einen Tag gezahlt wird. Der Rest der Reisekosten und die Ausgaben für ein Gastgeschenk, in Marseille wohne ich gerne privat, hätten dazu geführt, dass ich am Ende auf 10 Euro netto je Stunde Dolmetschen kommen würde. In einem hatte ich gestern eindeutig unrecht: Gute Nachhilfelehrer verlangen mehr als das.


P.S.: Ich habe etliche Kunden, für die ich seit Jahren Leider-leider-Tarife prak­ti­zie­re: Privatleute mit kranken Familienangehörigen, kleine Filmproduktionen, die ohne eine echte Finanzierung auskommen müssen ... aber es waren auch ganz ausgewachsene Bildungseinrichtungen darunter. Früher habe ich gedacht, dass ich mir so manche Institution geneigt mache, wenn ich mich freundlich zeige und für eigentlich unzumutbare Honoare arbeite. Aber das ist ein Trugschluss! Un­ser­ei­ner wird dann irgendwo unter ferner liefen abgespeichert, und wenn in nämlichem Büro ernsthafte Aufträge reinflattern, bestellt man einen "richtigen" Dolmetscher ein, will sagen: einen/eine, der/die immer nur hohe Rechnungen schreibt.
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Fotos: C.E. (von einem Seminar in der Jugendarbeit,
Danke ans DFJW!)

Dienstag, 27. August 2013

Vielfalt

Hallo! Sie haben (absichtlich oder zufällig) die Blogseiten einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache angesteuert (und aus dem Englischen). In loser Folge schreibe ich hier, wie unser Beruf den Alltag verändert. Heute: Blick auf den Schreibtisch.
 
Ein Arbeitstag zuhause: Ich lerne für ei­ne Konferenz zu einem politischen The­ma, schreibe Rechnungen (aus den Be­rei­chen Geschichte und Technik) sowie einen Kostenvoranschlag (Thema Mo­de/Life­style), dann wun­dere ich mich über die Veranstalter einer weiteren Zu­sam­men­kunft von Fachleuten (Kunst). Dazu halte ich mich nicht nur im Ar­beits­zim­mer auf.
Ich sitze im Wechsel an den ver­schie­den­en Arbeitsplätzen, als die ich dank mo­bi­ler Technik die halbe Wohnung nutzen kann. Erst zwei Rechnungen in der Küche schreiben, im Flur dafür Belege scannen, dann eine Übersetzung am Stehpult ge­gen­le­sen. Später Vokabeln lernen am Sekretär in der Wörterbuchecke. Dazu werte ich drei neue Radiosendungen von France Culture aus.

Vor allem arbeite ich mit einem Lehr­buch. Es geht wieder um das Thema Volkswirtschaft. Die französischen Sendungen ergänze ich durch BBC-Pro­gram­me. Nachmittags bereite ich die sys­te­ma­ti­schen Wiederholungen von Wortfeldern in den Bereichen Aus­bil­dung, berufliche Integration und Wahlen vor. Zwischendurch lese ich Filmszenen.
Sie stammen aus einer Dreh­buch­über­setzung, an der Kolleginnen arbeiten. Abends schwänze ich eine Do­ku­men­tar­film­premiere und sitze wieder in der Küche. Ich lese das nächste Dreh­buch, zu dem ich morgen einen Kosten­vor­an­schlag schreiben darf. Im Hof hört ein Nachbar eine Direktübertragung aus der Phiharmonie (*) bei offenen Fenstern. Das freut mich. 
Unser Küchenfenster steht auch sperr­an­gel­weit offen, denn ein weiterer Ge­burts­tags­ku­chen muss auskühlen. Dafür habe ich lieber das Licht ein wenig ge­dimmt, um nicht so viele Flugmonster anzuziehen, die bei uns in Wassernähe immer sehr zahlreich sind.
Für den langen, vielfältigen Arbeitstag belohne ich mich am Ende doch noch mit einem Film.

Programmtipp: Charlotte Rampling auf Englisch mit französischen (oder deut­schen) Untertiteln bei Arte: Hier geht's zum Film "Charlotte Rampling — ein Selbst­porträt durch andere", online bis kommenden Sonntagabend. (Da verfliegt dann |der Ärger| die Trau­rig­keit darüber, dass die Kunstkongressveranstalter vom Mor­gen offenbar die Kosten für Dolmetscher zu kalkulieren vergessen haben, denn das offerierte Honorar entspricht dem, was Nachhilfelehrer verlangen.)
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Fotos: C.E. (z.T. Archiv). Im Hof trocknen
noch die Schlauchboote ...
(*) klingt jedenfalls so ...

Sonntag, 25. August 2013

Augustwochenende

Bien­ve­nue beim Dol­met­scher­web­log aus Berlin. Hier ver­suche ich, Schlag­lich­ter auf un­se­ren eher we­nig bekannten Beruf zu werfen. Daneben arbeite ich in Ber­lin, Paris, Hamburg oder Cannes auch als Übersetzerin. Heute ist wieder Zeit für die Sonntagsbilder.

Dreharbeiten, Lerntechniken üben mit einem Schüler, Spaziergang, Ge­burts­tags­par­ty, das war das Wochenende!

 

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Fotos: C.E.

Freitag, 23. August 2013

Image

Bien­­ve­nue beim di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buch ei­­ner Dol­­met­scher­in und Über­setzer­in. Fran­zö­sisch ist mei­ne zwei­te Ar­beits­spra­che, Eng­lisch meine "passive" Sprache. An die­sem Ort kön­nen Sie Ein­­blick in mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag nehmen.

Auf der Fahrt durch Schöneberg, dort habe ich im Januar ein junges Mädchen mit seiner Mutter über Haupt- und Nebenberufe sprechen hören, mache ich an einer roten Ampel halt. Zwei Schuljungen, die ich als Altersgenossen des weltbesten Pa­ten­sohns erkenne, bremsen hinter mir.

Zwei Schüler mit Fahrradhelmen quatschen auf dem RadstreifenIch höre nur Gesprächsfetzen. Mich beeindruckt nachhaltig die Redewendung: "hat wohl ein ernstes Imageproblem ..." 
Haben wir als Schüler der Se­kun­dar­stufe I (5. und 6. Klasse) schon so gesprochen? Andersherum: Der Nachwuchs spricht hier wohl nach. Haben unsere Lehrer (und Eltern) da­mals so zu uns gesprochen? Garantiert nicht.

Nach einem Kindernachmittag eile ich noch an den Schreibtisch, mich selbst im Nachsprechen üben. Unsereiner ist ja Profi-Papagei ;-) ... und morgen der erste Dol­metsch­einsatz nach der Sommerpause.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 22. August 2013

Termine

Will­kom­men auf den Web­sei­ten ei­ner Über­setz­er­in und Dol­met­scher­in für die fran­zö­si­sche (und eng­li­sche) Spra­che. Hier be­rich­te ich in lo­ser Fol­ge über Epi­so­den aus mei­nem Be­rufs­all­tag. Ich bin jetzt wieder länger in Berlin und kann Ter­mine vergeben. Das ist dann auch gleich das Stichwort.

Was hat mich damals stärker erschüttert? Die (vermeintliche) Tatsache als solche oder aber das Moment, dass ich unfreiwillig zur Vertrauten wurde? Ich dachte als blut­junge Studentin nämlich einmal kurz, die tiefkatholische Familienmutter, deren Kinder ich in meinem ersten Pariser Jahr manchmal hütete, hätte einen Lover, als sie mir an­ver­trau­te, dass sie ein rendez-vous avec le médecin habe.

Historische Kinowerbung als Zeichnung mit drei etwas verwischten Damen. "Hüte in reicher Auswahl bringt ... "
Hut auf oder Hände hoch? Auf den Bindestrich hören!
Wer jung und unbefangen nach Frankreich kommt, ist überrascht, wenn ei­ne aus­ge­wachsene Dame mit solchen Vertraulichkeiten aufwartet. Dabei ist das ren­dez-vous avec (ou chez) le médecin schlicht und er­greifend ein Arzttermin.
Zum rendez-vous gibt's ein zwei­tes Unschärfemoment, nämlich die gleichen Wörter, nur ohne Bindestrich: Rendez vous, in der Regel gefolgt von einem Ausrufezeichen.

Ein Kollege fand nun diese "Übelsetzung":

Rendez-vous Messire ou je vous transperce net ! 

— Appointment My Lord or I pierce you dead!

Klingt nach Machine Translation ... und nach einem schläfrigen Lektor bei der Aus­gangs­ver­sion, der einen Bindestrich übersehen hat. Denn hier wird eigentlich auf Französisch jemand in altertümlicher Sprech­wei­se aufgefordert, sich zu ergeben, sonst werde er direkt durchlöchert (wohl mit einem Degen) — während auf Eng­lisch unter Androhung von Tätlichkeiten ... ein Termin erzwungen wird.

Und wo ich schon mal beim Stichwort bin: Dieser Tage haben wir schon Dol­metsch­ter­mi­ne für November 2013 sowie den ersten Termin für Januar 2014 vereinbart. Aber es sind auch diesen August noch Kapazitäten frei!


Übersicht
Rendez vous ! — Ergeben sie sich!
le rendez-vous — Termin, Treffen, aber natürlich auch: Treffen zweier Menschen, von denen mindestens einer zärtliche Absichten hat ...
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Illustration: Kinowerbung aus den 1920-er Jahren

Donnerstag, 15. August 2013

verletzt

Bon­­jour, hel­­lo und sa­lut ... auf den Sei­­ten die­­ses Blogs. Hier schreibt (im Som­­mer maximal mit drei­ Posts in der Woche, sonst öfter) eine Dol­­met­­scher­­in und Über­­setzer­in über ihren All­­tag in Ber­­lin.

In diesem Land wird der Journalismus durch |sinkende| gesenkte Honorare sys­te­ma­tisch schlechter gemacht als nötig. Das schlägt aufs Image des Berufs und leider sofort auch auf den Bildungsgrad vieler junger Journalisten durch.

Diese kleine, leicht moralinsaure Vorrede sei mir verziehen. In einem ersten Be­rufs­le­ben war ich Journalistin. Dass ich hier so gerne und gelassen mein digitales Arbeitstagebuch veröffentliche, hängt mit diesem Training zusammen: Nulle dies sine linea.

Leider lesen nicht nur die weniger Gebildeten immer weniger Zeitungen, auch Menschen wir mir kommt es oft wie eine Prüfung vor. Das erleichtert die Früh­stücks­lek­tü­re nicht immer. Das Wort Leib- und Magenblatt dürfte bald der Ver­ges­sen­heit anheim fallen.

Neben der Schreiblust ist mir noch eins aus dem ersten Berufsleben geblieben: Ein erhöhtes Interesse am Zeitgeschehen. Also lese ich in Arbeitspausen auch digitale Medien.

Heute staunte ich bei Spiegel Online darüber:

Prozess vor Militärgericht: WikiLeaks-Informant Manning ..."Es tut mir leid, dass ich die Vereinigten Staaten verletzt habe."

Personen können verletzt sein, im ersten Wortsinn und auch im übertragenen Sinn ... Aber Staaten? Ich lese weiter. Hier die gleiche Meldung von der BBC-Seite:

Bradley Manning 'sorry' for hurting US at Wikileaks trial
To hurt heißt "verletzen" oder "schädigen". Hier hat jemand von der Be­richt­er­stat­tung gepennt (und viele mehr, "verletzen" war den ganzen Tag über in vielen Me­dien zu lesen und zu hören), aber auch ein Mensch vom Lektorat (sofern es das noch gibt).

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Bilder: Der Spiegel, BBC, Montage CE

Dienstag, 13. August 2013

Die Farbe des Ozeans

Bon­jour gu­ten Tag ... oder Bonsoir — gu­ten Abend! Hier le­sen Sie regelmäßig In­for­ma­tio­nen aus dem All­tag ei­nes Ber­li­ner Dol­met­scher- und Über­setzer­bü­ros, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse.
  
14/08/2013 * La couleur de l'océan, 22h30 & Die Farbe des Ozeans, 21.50 UhrProudly presents: Am 14.8.13 läuft auf Arte ein weiterer Film, für den wir im Team viele Wochen über­set­zend tätig waren. Drehbücher, Lek­to­rate und diverse Kommunikation in Zu­sam­men­hang mit der Film­her­stel­lung liefen für diese internationale Pro­duk­tion aus manchen Sprachen in andere über unsere Rechner.

Der Film hat uns alle sehr berührt, "Die Farbe des Ozeans" ist heute unser TV-Tipp.
(Eine Woche lang auf Arte+7 noch zu sehen. A voir sous huit jours sur Arte TV de rattrapage.)

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Illustration: Arte, auf der Basis von
Foto: © Südart Filmproduktion/Pere Pueyo

Samstag, 10. August 2013

Hirnforschung

Hal­lo und will­kom­men auf den Seiten einer blog­genden Kon­fe­renz­dol­met­scher­in und Fran­zö­sisch­über­setzerin. Alles, was mit den Themen Gehirn und Lernen zu­sam­menhängt, interessiert mich natürlich brennend. In den kom­menden Monaten werde ich mich meiner Rubrik Lerntipps wieder intensiver widmen, in der ich auch Informationen über Zweisprachigkeit bringe.

Letzten Herbst traf die amerikanische Gesellschaft für Neurowissenschaften, So­ci­ety for Neuroscience, zum jährlichen Kongress zu­sam­men. Über die Webseite der Gesellschaft gelangen Leser zu diversen Zu­sam­men­fas­sun­gen und Filmausschnitten von interessanten Beiträgen: Das Gehirn scheint weit­aus weniger hierarchisch organisiert zu sein, als bislang angenommen. — Der Genuss von Schokolade hat sich bei älteren Menschen als positiv fürs Gehirn erwiesen, aber Achtung, nicht übertreiben ... das Forschungsprojekt ist noch relativ am An­fang. — Und es ging auch wieder einmal um die Bedeutung des Schlafs und dar­ü­ber, dass Men­schen, die nicht genug schlafen, aufgrund einer entsprechenden Ge­hirn­sti­mu­la­tion dazu neigen, mehr zu essen als nötig. Hintergrund: Schlafmangel verändert die Arbeit des Frontalkortex, der für rationale Entscheidungen zuständig ist. Viele Studien hatten zuvor den Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Übergewicht festgestellt.

Plakat: Dein Gehirn macht dich glücklich
Geist ist geil. Hier mehr zum Plakat
Dass sich Sport positiv auf Gehirn und Körper auswirken und dass er bei Rat­ten sogar die Folgen schlechter Er­näh­rung ausgleichen kann, wies eine an­de­re Studie nach (Link folgt, ich habe ihn hier verloren). Eine Studie zum Thema Sport und Lernen findet sich außerdem noch hier, und an dieser Stelle ent­deckte ich einen Hinweis dazu auf Fran­zö­sisch. Die Inhalte werde ich hier spä­ter noch auswerten.

Last but not least möchte ich noch auf einen interessanten Link zu einem älteren Beitrag zum Thema Sport und Gehirn hinweisen, es ist der Bericht über den Jah­res­kongress nämlicher Gesellschaft für Neurowissenschaft aus dem Jahr 2003, und er wurde auf Deutsch geschrieben: Link. Aus diesem Text zum Abschluss noch ein Zitat zum Thema Gehirn, Sport und Visualisierung.
Dass Sport gesund ist, mag eine Binsenweisheit sein. Relativ neu ist da­ge­gen die Erkenntnis, dass dabei weniger die objektiv messbare An­stren­gung zählt — etwa die gestemmten Kilogramm oder die Zahl der gelaufenen Runden im Stadion. Was die Muskeln wirklich 'beeindruckt' ist vielmehr die Stärke des Signals zur Kontrolle der willkürlichen Be­we­gungen, erläuterte Guang Yue vom Lerner Research Institute der Cleve­land Clinic Foundation. In einem seiner Versuche bat Yue 36 ge­sun­de Rentner, den Beugemuskel des Ellbogen anzuspannen. Mit 30 Prozent der maximalen Kraftanstrengung übte ein Teil der Senioren dies ne­ben­her beim Fernsehen. Eine zweite Gruppe von Versuchsteilnehmern trai­nier­te ebenfalls mit 30 Prozent ihrer Maximalkraft, stellten sich dabei aber vor, die Muskeln zu starken Kontraktionen zu zwingen. Nach 12 Wochen hatte sich die Kraft der fernsehenden Alten mit einem durch­schnitt­li­chen Zuwachs von drei Prozent kaum verändert. Für das 'Kopf­trai­ning' aber registrierte Yue beachtliche 15 Prozent Kraft­zu­wachs. Nur bei der zweiten Gruppe fanden die Forscher eine bedeutende Zunahme in der Stärke jener Hirnstromkurven, die mit Bewegungen zusammen hängen. 'Entscheidend ist wohl nicht die objektiv messbare An­stren­gung', folgert Yue. Dieser Mechanismus erkläre vermutlich auch den Erfolg des 'mentalen Trainings'.
Soviel zu den Links. Auswerten und mit eigenen Beispielen versehen werde ich den einen oder anderen Forschungsbericht in den kommenden Wochen.

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Foto: C.E. (Archiv)

Donnerstag, 8. August 2013

Besonderer Service ...

Hallo! Ab­sicht­lich oder zu­fäl­lig sind Sie auf den Sei­ten ei­ner Dol­met­scher­in und Über­setzerin für die fran­zö­si­sche Spra­che ge­lan­det (und aus dem Englischen). Hier schreibe ich in loser Folge (derzeit dreimal wöchentlich) über meinen sprach­be­ton­ten Alltag in Hamburg, Marseille, Paris, Berlin und dort, wo es was zu tun gibt. Wie Sie mich buchen können, steht rechts.

Drehbuchsoftware ist eine teure Sache, und nicht jeder Übersetzer hat sie. Bei uns verfügt das Kernteam über gekaufte Lizenzen, aber die Korrekturleserinnen eher nicht (die Lizenzen sind ja auch recht teuer). Was tun? Wir stehen regelmäßig vor Export- und For­mat­problemen. Ich schreibe ebenso regelmäßig darüber.

Neulich erst musste ich erst mir, dann den anderen erklären, wie sich eine Final Draft-Datei so umprogrammieren und das Textformat so ändern lässt, dass we­nigs­tens mit den Tabulatoren das Zeilenlayout erhalten bleibt. (Da diese Aufgabe nur gefühlte fünf Mal im Jahr anfällt, muss ich immer erst suchen. Das Ergebnis steht hier, das Wesentliche im Post Scriptum.)

Vier Tage später meldete sich eine zerknirschte Sekretärin bei mir. Sie arbeitet für die Filmproduktionsfirma. Die Chose sei gründlich daneben gegangen, das sei wohl alles zu kompliziert, die Autorin, sehr bekannt, preisbeladen, eine sichere Adresse bei Filmförderungen, habe kapituliert.

Und wir bekamen etwas zugesandt, das etwa so aussieht (ich habe meinen Text von neulich zu­grun­de gelegt):
Wir sehen: Alle Formatierungen bis auf Groß- und Kleinschreibung sind perdü. Was tun? Ich habe zwei Lösungen. Ich habe zunächst den zugeschickten Drehbuchtext fotografiert und das Bild post­wen­dend retourniert mit der Frage, ob wir ihn wirk­lich so, in dieser Form über­tra­gen sollen. Die Mail mit dem "Ja" kam schnell. Sie war eindeutig und schützt uns jetzt davor, dass wir am Ende die Formatierung wieder "bauen" müssen. Denn lei­der geht das beim Re-Import in die Dreh­buch­soft­ware nicht automatisch.

Die zweite Lösung stellte sich einige Tage später ein. G., ein österreichisch-fran­zö­si­scher Freund und Vater von L., rief an und gab die neue Telefonnummer durch. Er ist gerade mit Frau und Kind aus Paris nach Berlin gezogen. Wir parlierten über dies und das, auch über die Arbeit, und als ich erzählte, für welche Be­rühmt­heit wir gerade ein Buch übersetzen, kam Gelächter und: "Sie ist die Patentante von L., wir haben erst Sonntag in Paris zusammen zu Mittag gegessen!"

Super! Bald kommt sie auch nach Berlin und vor dem nächsten déjeuner dominical kann ich ihr dann die Drehbuchsoftware erklären und einige Notizen zur Bedienung über­rei­chen, die ich mit screen shots ergänzt habe. Dafür werde ich ein neues kleines Drehbuchbeispiel texten, en français, bien sûr.

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Illustration: C.E.
(*) — Auflösung hier.
En rouge/Rot markiert sind Entsprechungen.
P.S.: Die Autorin kann natürlich auch ein
berühmter Autor bzw. Patenonkel sein.

Dienstag, 6. August 2013

Barrierefreiheit im TV

Will­kom­men beim ersten Web­log Deutsch­­lands aus dem In­­ne­ren der Dol­­met­sch­er­­ka­­bine. Im Som­­­mer­ ist das Bü­­ro be­­­setzt. Heute: Blick in den Brief­­kasten.

Die Oberfläche von Software, bestehend aus Filmbild, Time Code, Titelgenerator und Auswahltafeln
Untertitelungssoftware
Seit dem 1.1.2013 müssen Fil­me, die öffentliches För­der­geld erhalten haben, "barrierefrei" sein, also mit Audiodeskription und Untertiteln aufwarten. Das ist natürlich auch für Menschen, die wie ich mit Film und Spra­che arbeiten, interessant. Und da ich bereits erste Erfahrungen in dem Bereich habe, schaue ich doppelt hin.

Auch deshalb, weil mich über einen Filmverband Fragen zum Thema erreichen. Den Filmherstellern geht es zu­nächst einmal um die Höhe der Kosten und um die Überlegung, welcher der an Filmproduktionen Beteiligten (koproduzierender Sender, Filmförderer, Produzenten ...) für diese aufzukommen hat.

Erstellt werden die Fassungen in den Fällen, die mir bekannt sind, von einem vom Sender ge­nann­ten Anbieter oder inhouse. Der Produzent schrieb, die Chose sei recht teuer. Weiter: "Das Problem ist, dass die Anstalten keine preiswerteren, selbst gemachten Audioscriptionen akzeptieren", worauf er fragt: "Was eine Ton­fas­sung für Schwer­hö­ri­ge sein soll, verstehe ich nicht."

Erstens ist es nicht einfach, mit Worten zu (be)schreiben, was andere sehen, daher die Warnung vor dem Selbstgemachten. Dialoge dominieren die meisten Filme. Die wenigen, knappen und nicht selten kurzen Pausen müssen mit Geschick genutzt werden. Zweitens gibt es für Schwerhörige natürlich keine "Ton­fas­sung", wie der Produzent schreibt, sondern eine Untertitelfassung, die den klas­si­schen Un­ter­ti­teln, die Sprache aus einer in eine andere Sprache übertragen, nicht unähnlich ist. Die Version für Hörgeschädigte kennt wohl jeder, der mal mit einer Fernbedienung rumgespielt hat: Unterschiedliche Sprecher sind durch un­ter­schied­li­che Farben gekennzeichnet, es gibt Einblendungen wie *Musik* oder *Te­le­fon­klin­geln*.

Zurück zur Entstehung von "Hörfilmen". Idealerweise werden diese "Film­be­schrei­bun­gen" von zwei Sehenden und einer blinden Person erstellt. In den letzten Jah­ren wurden viele Erfahrungen in Sachen Audiodeskription gemacht, aus­ge­wer­tet, publiziert. Die Frage ist, wann wer Schulungen anbieten wird und nach wel­chen Kri­terien und wie transparent die Sender künftig jene Firmen oder Mit­ar­bei­ter aus­wäh­len werden, die Hörfilmfassungen erstellen dürfen.

Es gibt bereits einen Hörfilmverband, der sehr engagiert ist. Die eben erwähnten Regeln, die in Deutschland gelten, sind mustergültig und in anderen Ländern, so erfuhr ich es letzten Herbst auf der Konferenz "Languages & The Media", leider nicht immer üblich.

Monitor mit zu verdolmetschenden Untertiteln, Mikrophon, Kinoleinwand
Auch eine Art Hörfilm: Hier wird ein Werk
von Billy Wilder simultan verdolmetscht

Für mich, die ich jahrelang untertitelt habe, ist die Sache auch deshalb extrem spannend, weil ich mit den neuen Ver­pflich­tun­gen Qualitätsverlust und Preis­verfall fürchte, wie sie für Untertitel mit dem Massenaufkommen der DVDs ein­ge­treten sind. Denn mit dem tech­ni­schen Übergang von analoger VHS zu digitalen Scheiben konnte auch eine Un­ter­ti­tel­aus­wahl angeboten werden, ein Massenmarkt für "home movies" enstand, die Nachfrage explodierte, die Zahl der Untertitler zunächst nicht. Indes, anders, als es die Gesetze des Marktes hätten vermuten lassen, rauschten die Preise für Untertitel in den Keller.

Das war nur durch extreme Ausweitung des infragekommenden Personals möglich.

Studierende, Hausfrauen, Fremdsprachenkorrespondenten usw. wurden in den 1990er Jahren in Schnellbleichen "fortgebildet", Agenturen gewannen an Macht (denn sie liefern geräuscharm die benötigte Masse in vielen Sprachen), die Höhe des den Urhebern der Titel gezahlte Honorar wurden einige Jahre in Folge jährlich jeweils halbiert, das Honorardilemma färbte auf die reine Kino- und Festi­val­un­ter­ti­te­lung ab. Damals nahm ich in diesem Bereich den Hut.

Die Frage mit den Hörfilmen muss also intensiv beobachtet werden, am besten besprechen sich diverse Film- und Filmsprachverbandsmenschen dazu mal intensiv. Denn im Grunde ist der Bereich der barrierefreien Filmfassungen auch für andere (oft schlecht bezahlte und nur mit Unterbrechungen beschäftigte) Filmmitarbeiter interessant, denn der Übersetzungsvorgang fällt ja weg, es geht "nur" darum, was unsereiner nebenbei noch machen muss: Sinnvolle Reduktion des Gesagten, Aus­wahl einfach zu lesender Begriffe (niemand außer Profis wird wohl "zu­rück­blät­tern"), das Ungesagte "zwischen den Zeilen" mitschwingen lassen. Kurz: Ein be­son­ders hohes sprachliches Empfinden, Gefühl für das Medium Film und Rhyth­men, Stilsicherheit und Vielfalt im Ausdruck müssen vorausgesetzt werden.

Noch eine Gruppe, die hier auf­mer­ken wird: Die vielen Studierenden, die, Iro­nie­mo­dus an, dank der wie Pilze aus dem Boden schießenden Aus­bil­dungsstätten für Film­über­setzer, -untertitler und -dol­metscher bald auf den Markt drängen. (Auf einen Markt, der vielleicht zwei Leute jährlich in den Ruhestand ver­ab­schi­edet und nun mit dem Zehnfachen an Absolventen allein in Deutschland über­for­dert ist.) Diese Generation, die wie ihre Vorgängergeneration "was mit Medien" machen möchte, aber von der Sicherheit einer Festanstellung träumt, ist "hungrig, ent­schlos­sen und braucht das Geld". 

Ich werde weiter berichten.

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Fotos: C.E.  (Archiv. Das Kinobild kann, in ei-
nem 2. Fenster geladen, durch erneutes An-
klicken vergrößert werden.)

Sonntag, 4. August 2013

Chuchichäschtli

Lie­be Leserin, lie­ber Leser, herz­lich will­­kom­­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Hier schrei­be ich unter Wah­rung von Be­rufs­ge­heim­nissen über Epi­so­den mei­nes Alltags als Dolmetscherin und Übersetzerin. Neben mei­nen Haupt­spra­chen Französisch und Englisch habe ich offenbar ein Ohr für Dialektales entwickelt.

Ich habe eine Wettte verloren. Also muss ich einen Blogpost schreiben, in dem ein Wort mit drei Gutturallauten vorkommt. Voilà !

Die Konferenz sollte Gäste aus Deutschland, Frankreich, Belgien zu­sam­men­füh­ren ... ach, und eine Dame aus der Schweiz ist noch zu erwähnen, die un­prak­ti­scher­weise einen internationalen Vornamen und einen englischen Nach­namen trug. Lange vor Beginn der Veranstaltung lungerten die Ko-Kabine und ich möglichst unauffällig beim Ak­kre­di­tie­rungs­counter rum und versuchten, die Gäste zu­ iden­ti­fi­zie­ren, für die wir die nächsten zwei Tage dolmetschen würden. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Von fünf Rednern hatten wir bislang nur drei Reden bzw. Notizen zugesandt be­kom­men. Wir wollten herausfinden, wer unsere potentiellen Kunden sind, die "Zielohren", deren Wörter wir bald würden vertonen dürfen.

Das Teeregal der Autorin, ein Küchenschränkchen ..,In der Kaf­fee­pau­se ging unser Rät­sel­ra­ten weiter, diesmal half sogar die Eng­lisch­ka­bine mit. Zwei "Kunden" hat­ten wir ein­wand­frei aus­machen kön­nen.

Um das fehlende Material wollte sich der Ver­an­stalter noch kümmern, aber sicher war sicher: Hätten wir raus­be­kom­men, wer von der illustren Ge­sell­schaft uns bislang mit Ver­ach­tung ge­straft hatte, wir hätten ihn/sie an­zu­spre­chen gewusst.

Zwei Belgier konnte die Ko-Kabine am Samowar als solche erkennen. Der eine sprach Fran­zösisch mit flämischem Akzent, der andere erzählte etwas aus den années nonen­tes, den 90-er Jahren, hier lag der Fall eindeutig, denn Belgier machen die kom­pli­zier­te Zahlenarithmetik der Franzosen nicht mit.

Und auch ich konnte einen Beitrag zur Eingrenzung der "Verdächtigen" liefern, da ging die Veranstaltung längst auf die Mittagspause zu (und noch immer fehlten Dokumente, vor allem für den zweiten Tag). Denn unter den Diskutanten befand sich eine Dame, die von Englischkabine zuvor als "die Münchnerin" tituliert worden war, sie hat vermutlich in München studiert, geschenkt! Aber als sie einen Satz sagte mit "Anfang Woche" statt "Anfang der Woche", war mir klar, dass sie unsere gesuchte Schweizerin mit englischem Zunamen ist. Eine Deutsch­schwei­zerin, super, auch sie schied damit als säumige Dokumentenlieferantin für die Fran­zö­sisch­ka­bine aus.

Die Kollegen hatten diese Feinheit überhört. Ich aber hatte in einem früheren Leben mal eine Schweizer Schwiegermutter. Daher kenne ich so wunderbare Vokabeln wie [ˈχʊχːiˌχæʃtli]. Das Chuchichäschtli hängt oder steht in der Küche und ist ein Schränkchen. Achtung, das "ch" wird im Süden als stimmloser uvularer Frikativ gesprochen. Es ist ein Schibboleth, also die Besonderheit einer Sprache, durch die ich Menschen sozialen Gruppen oder Regionen zuordnen kann. (Danke, Wikipedia!)

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Foto: C.E., Tischlerin Jule hat zwei
fehlende Schubladen ersetzt.

Donnerstag, 1. August 2013

Notenpapier

Was Dol­­met­­scher und Über­­setzer ma­­chen, ist der brei­­ten Öf­­fent­­lich­­keit oft nicht ge­­nau be­­kannt. Hier schrei­­be ich da­­rü­­ber. In me­iner Sprach­­ar­beit ha­­be ich mich auf die Be­­rei­­che Me­dien, Po­li­tik, Kul­tur und Ge­sell­schaft spe­ziali­siert.

War das nicht Nietzsche, der schrieb: "Nur Lakaien sind immer erreichbar!"? In der Sommerzeit hänge ich am langen Bändel des Büros. Eine(r) muss die Stallwache ja machen. Da es heute mobile Technik gibt, kann ich durchaus auch mobil sein, muss aber immer wieder ran.

Wie neulich. Es schüttelt mich beim Gedanken an diese "Nachtwache". Es war eine unfreiwillige Nachtschicht, Medizinisches galt es schleunigst zu transkribieren, damit es der Kollege aus dem Französischen eilig ins Englische übersetzen konnte. Der Job war doppelt grauslich: ganz und gar kein schönes Thema, und dann sandte der Kun­de uns die Audiodatei viel zu spät, wir sollten unseren Termin aber halten. Ergebnis: Siehe oben. Zu Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Arzt oder Apo­theker. 

Die Hauptnebenwirkung ist rasch beschrieben: Meine innere Uhr tickte nach Orts­zeit Französisch-Guyana (minus sechs Stunden). Die Rückkehr brauchte dieses Mal urlaubsbedingt länger also die sonst übliche Faustregel "einen Tag zur Nor­ma­li­sie­rung pro Stunde Jetlag." Denn im Juli gab es Kurzreisen, Vollmond und Hitze ...
Indes, das Büro verlangt regelmäßig nach mir, was ja kein Anlass zur Klage ist.

Neulich wollte ich morgens eine Mail an eine Filmproduktionsfirma schreiben. Ich betone das Wort "morgens", das umgangssprachlich auch so viel bedeuten kann wie "nach dem Aufstehen". Es galt, die Mitarbeiterin einer Filmproduktion um einen Da­tei­export ausgehend von professioneller Drehbuchschreibsoftware zu bitten, denn ja, die Arbeit hat längst wieder angefangen, und da wir im Team arbeiten, ist ein PDF als Textgrundlage einer Drehbuchübersetzung unzureichend (um dieses Layout nachzubauen, müsste unsereiner viel auf den Tabulatoren rumdrücken!)

Um die Sache einfach zu machen, schickte ich ein Fotobeispiel. Da ich kein Dreh­buch­bei­spiel zur Hand hatte (bzw. aus Diskretion keins verwenden darf), habe ich rasch etwas selbst getextet. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind, wie immer beim Film, rein zufällig.

Eine Frau kommt langsam zu sich. Sie schiebt sich eine schwarze Schlafmaske von den Augen und nestelt bunte Ohrstöpsel aus ihren Gehörgängen. || DOLMETSCHERIN | Mist! Merde ! Schon so spät! C'est d'jà si tard ! Verpennt! Panne d'oreiller ! || Ein Mann neben ihr, er hat ohne diese Apparatur geschlafen, blinzelt ins Mittagslicht. || MONSIEUR | Erstmal guten Morgen! Und, hast Du wieder im Traum gedolmetscht? Du sagst alles doppelt ...  || (SUBTITLE) | Cette fille me rend dingue ! (*)
(*) Diese Frau treibt mich noch zum Wahnsinn!
(Das französische
fille, Mädchen, geht auf Deutsch nicht.)

Ich muss gestehen: Der Sommerschlendrian strengt an. Spätestens im Herbst wird hier alles wieder ticken wie gewohnt, être reglé comme du papier à musique (wörtlich: "regelmäßig wie Notenpapier", bezieht sich meistens auf Menschen), also reibungslos wie ein Uhrwerk. Und, um nochmal kurz auf Nietzsche zu­rück­zu­kommen, unsereiner ist kein Lakai, wir sind (auch im Sommer) ergebenste Diener in Sachen Sprachmittelei.

Damit verabschiedet sich erstmal
votre très humble servitrice
C.


P.S. zur Technik: Das Layout lässt sich noch leichter von Final Draft exportieren, wenn es nicht über die Schaltfäche "export" als .txt-Datei gespeichert wird, son­dern über "save as" als .rtf-Datei. Warum ist das wichtig? Weil die Datei durch schlichte Änderung der "extension" auf .doc ausgehend von .rtf das Layout mit Tabulatoren wiedergibt, bei .txt müssen dafür viele, viele Leerzeichen herhalten. Und ist ein Abschnitt mit einem Tab erstmal "definiert", lässt sich auch alles ab der 2. Zeile bequem in die Vorlage hineinschreiben. Schluss mit dem Fachsimpeln für heute!
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Foto: C.E.