Willkommen beim ersten Weblog Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Im Sommer ist das Büro besetzt. Heute: Blick in den Briefkasten.
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Untertitelungssoftware |
Seit dem 1.1.2013 müssen Filme, die öffentliches Fördergeld erhalten haben, "barrierefrei" sein, also mit Audiodeskription und Untertiteln aufwarten. Das ist natürlich auch für Menschen, die wie ich mit Film und Sprache arbeiten, interessant. Und da ich bereits erste Erfahrungen in dem Bereich habe, schaue ich doppelt hin.
Auch deshalb, weil mich über einen Filmverband Fragen zum Thema erreichen. Den Filmherstellern geht es zunächst einmal um die Höhe der Kosten und um die Überlegung, welcher der an Filmproduktionen Beteiligten (koproduzierender Sender, Filmförderer, Produzenten ...) für diese aufzukommen hat.
Erstellt werden die Fassungen in den Fällen, die mir bekannt sind, von einem vom Sender genannten Anbieter oder
inhouse. Der Produzent schrieb, die Chose sei recht teuer. Weiter: "D
as Problem ist, dass die Anstalten keine preiswerteren,
selbst gemachten Audioscriptionen akzeptieren", worauf er fragt: "Was eine Tonfassung für Schwerhörige sein soll, verstehe ich nicht."
Erstens ist es nicht einfach, mit Worten zu (be)schreiben, was andere sehen, daher die Warnung vor dem
Selbstgemachten. Dialoge dominieren die meisten Filme. Die wenigen, knappen und nicht selten kurzen Pausen müssen mit Geschick genutzt werden. Zweitens gibt es für Schwerhörige natürlich keine "Tonfassung", wie der Produzent schreibt, sondern eine Untertitelfassung, die den klassischen
Untertiteln, die Sprache aus einer in eine andere Sprache übertragen, nicht
unähnlich ist. Die Version für Hörgeschädigte kennt wohl jeder, der mal mit einer Fernbedienung rumgespielt hat: Unterschiedliche Sprecher sind durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet, es gibt Einblendungen wie *Musik* oder *Telefonklingeln*.
Zurück zur Entstehung von "Hörfilmen". Idealerweise werden diese "Filmbeschreibungen" von zwei Sehenden und einer blinden Person erstellt. In den letzten Jahren wurden viele Erfahrungen in Sachen Audiodeskription gemacht, ausgewertet, publiziert. Die Frage ist, wann wer Schulungen anbieten wird und nach welchen Kriterien und wie transparent die Sender künftig jene Firmen oder Mitarbeiter auswählen werden, die Hörfilmfassungen erstellen dürfen.
Es gibt bereits einen
Hörfilmverband, der sehr engagiert ist. Die eben erwähnten Regeln, die in Deutschland gelten, sind mustergültig und in anderen Ländern, so erfuhr ich es letzten Herbst auf der Konferenz
"Languages & The Media", leider nicht immer üblich.
Für mich, die ich jahrelang untertitelt habe, ist die Sache auch deshalb
extrem spannend, weil ich mit den neuen Verpflichtungen Qualitätsverlust und Preisverfall fürchte, wie sie für Untertitel mit dem Massenaufkommen der DVDs eingetreten sind. Denn mit dem technischen Übergang von analoger VHS zu digitalen Scheiben konnte auch eine Untertitelauswahl angeboten werden, ein Massenmarkt für "home movies" enstand, die Nachfrage explodierte, die Zahl der Untertitler zunächst nicht. Indes, anders, als es die Gesetze des Marktes hätten vermuten lassen, rauschten die Preise für Untertitel in den Keller.
Das war nur durch extreme Ausweitung des infragekommenden Personals möglich.
Studierende, Hausfrauen, Fremdsprachenkorrespondenten usw. wurden in den 1990er Jahren in Schnellbleichen "fortgebildet",
Agenturen gewannen an Macht (denn sie liefern geräuscharm die benötigte Masse in vielen Sprachen), die Höhe des den Urhebern der Titel gezahlte Honorar wurden einige Jahre in Folge jährlich jeweils halbiert, das Honorardilemma färbte auf die reine Kino- und Festivaluntertitelung ab.
Damals nahm ich in diesem Bereich den Hut.
Die Frage mit den Hörfilmen muss also intensiv beobachtet werden, am besten besprechen sich diverse Film- und Filmsprachverbandsmenschen dazu mal intensiv. Denn im Grunde ist der Bereich der barrierefreien Filmfassungen auch für andere (oft schlecht bezahlte und nur mit Unterbrechungen beschäftigte) Filmmitarbeiter interessant, denn der Übersetzungsvorgang fällt ja weg, es geht "nur" darum, was unsereiner nebenbei noch machen muss: Sinnvolle Reduktion des Gesagten, Auswahl einfach zu lesender Begriffe (niemand außer Profis wird wohl "zurückblättern"), das Ungesagte "zwischen den Zeilen" mitschwingen lassen. Kurz: Ein besonders hohes sprachliches Empfinden, Gefühl für das Medium Film und Rhythmen, Stilsicherheit und Vielfalt im Ausdruck müssen vorausgesetzt werden.
Noch eine Gruppe, die hier aufmerken wird: Die vielen Studierenden, die, Ironiemodus an, dank der wie Pilze aus dem Boden schießenden Ausbildungsstätten für Filmübersetzer, -untertitler und -dolmetscher bald auf den Markt drängen. (Auf einen Markt, der vielleicht zwei Leute jährlich in den Ruhestand verabschiedet und nun mit dem Zehnfachen an Absolventen allein in Deutschland überfordert ist.) Diese Generation, die wie ihre Vorgängergeneration "was mit Medien" machen möchte, aber von der Sicherheit einer Festanstellung träumt, ist "hungrig, entschlossen und braucht das Geld".
Ich werde weiter berichten.
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Fotos: C.E. (Archiv. Das Kinobild kann, in ei-
nem 2. Fenster geladen, durch erneutes An-
klicken vergrößert werden.)
3 Kommentare:
Chere Caroline,
zum drittenn Mal versuche ich hier meine Gedanken zum Papier zu bringen, mit der Hoffnung, dass es diesmal veröffentlicht wird.
Es ist mehr als ein Genuss aus deinem Blogset sich zu informieren. Nicht nur deine "pfiffige"Art etwas zu vermitteln viel Beifall ernt und Gefallen tut; sondern auch-und besonders die Fülle an Informationen, besser gesagt: die tiefgründige daran enthaltenen "Cogitationen" sind nicht ausser Acht zu lassen. DANKE. Hut ab.! MaNiTou ...a suivre..
Danke für die Blumen! (Einen anderen Kommentar sah ich, aber verstümmelt ... einen dritten nicht.)
... oui, à suivre.
C.
Und über Marco (via facebook) habe ich von gemeinsamen, verbindlichen Untertitelrichtlinien erfahren, die für den deutschen Sprachraum gelten:
www.untertitelrichtlinien.de
Vielen Dank!
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