Es gibt Wortfindungsstörungen, die kennen nur Dolmetscher. Uns zeichnet meist eine besondere Vokabelsammelwut aus, die aber ganz sanftmütig daherkommt. Worte aufzuschnappen geht meist leicht, sie sich zu merken ist schon schwieriger, sie in den Wortschatz einfließen zu lassen dann eine echte Aufgabe - und dazu die treffenden anderssprachlichen Begriffe zu finden ist nochmal etwas ganz andres. So werden wir mitunter auffällig: merwürdig formalistisches Sozialverhalten kann unser Umfeld dann beobachten, das von großem Ernst und von Zielvorgaben geprägt ist, die nicht leicht zu durchschauen sind.
Ein Beispiel: Den pfeifenden und zugleich blubbernden Ton der Espressomaschine, an deren Stab mit Wasserdampf Milch erhitzt und zu leichtem Schaum verwandelt wird, hatte ich als Studentin in Paris kennen- und liebengelernt. Er hing eng zusammen mit Lieblingscafé, Lieblingskino und Freunden. Das Wort dazu schnappte ich mal irgendwann auf: le percolateur.
Einmal in Deutschland dann, genauer: in Berlin, hörte ich wieder das für mich magische Geräusch. Ich sprang auf, rannte zum Thresen, und fragte: "Entschuldigen Sie, können Sie mir bitte sagen, wie das Teil da heißt, mit dem Sie die Milch aufschäumen?" Die Servierkraft guckte ein wenig irritiert, sagte: "Milchschäumer!" - und machte weiter. Ich aber hatte das Gefühl veräppelt zu werden und setzte nach, bat um den richtigen Namen für das Bauteil. Jetzt sah mich die Bedienung schon etwas irritierter an, es schien sie zu verwundern, dass ich, die ich akzentfrei Deutsch spreche, das Wort nicht kannte bzw. ihr nicht glaubte. "Wie denn sonst: Milchschäumer!", wiederholte sie lauter, während ich immer noch auf ein ganz eigenes Wort für den Stab wartete. Wie ich dann reagierte, hab ich verdrängt, ich erinnere mich nur noch, wie sie im Weggehen sich gestisch mit einem Kollegen verständigte und mir indirekt den Vogel zeigte.
Das Deutsche ist häufig so explizit, dass ich mitunter vor lauter Einfachheit nicht drauf komme - und hier hatte ich das Wort in der Tat noch nie zuvor gehört.
Die entsprechende Geschichte aus Frankreich hab ich auch noch, wobei nicht die Einfachheit des Begriffes im Mittelpunkt steht, sondern die Aussprache. Ich war etwa 20, als es in der Mensa Ratatouille gab, diesen leckren Mix aus Sommergemüse. Nun hatte ich viele französische Gerichte in Frankreich gegessen, kannte sie zum Teil auch aus Deutschland, war aber einen Moment lang unsicher, ob ich das Gericht wiedererkenne oder nicht. Es war in der Zeit der Prüfungsvorbereitung, mir schwirrte der Kopf vom Pauken und ich hatte Angst, es mit Bouillabaisse zu verwechseln; damals aß ich noch keinen Fisch. Also fragte ich andre Studenten in der Schlange, was denn nochmal Ratatouille sei. Die Frage wurde akzentfrei gestellt und kam bei ihnen ungefähr so an, wie wenn in Deutschland in der Mensaschlange sich jemand akzentfrei nach "Leberkäs" oder "Käsespätzle" erkundigt: als Witz. Um mich herum fingen alle an zu kalauern, la grenouille dans la bredouille, "der Frosch in der Klemme", ist die am einfachsten zu übersetzende Antwort. Bis ich kleinlaut sagte, dass ich das jetzt wirklich grad mal nicht wisse, weil ich nicht in Frankreich aufgewachsen bin ...
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