Und noch ein Beitrag über das Lernen von Vokabeln. Diese Arbeit steht im Zentrum unseres Berufs, daher haben Dolmetscher und Dolmetscherinnen natürlich die besten Lerntipps.
Wie gehe ich vor? Ich weiß, dass ich in 10 Tagen einen Design-Workshop dolmetschen darf. Für Design habe ich mich bislang nur privat interessiert, praktiziere dazu bislang auch einen privaten Sprachgebrauch, bin mir vieler Begriffe nicht sicher, weiß "passiv" mehr als "aktiv." Ich bitte einen Freund, der Designer ist, mit mir ins Bauhaus-Archiv in Berlin zu gehen, man könnte auch nach Dessau fahren oder schicke Läden durchstreifen. Einst, als ich das erste Mal für die Automobilindustrie einen Marktforschungstermin dolmetschte, hat mir mein Bruder, ein angehender Ingenieur, Otto-Motor, Autoaufbau und -ausstattung erklärt. Es war Ostern und wir waren alle ein paar Tage im Haus der Familie zusammengekommen; die drei mal zwei Stunden mit ihm, der hervorragend erklären und andere mitreißen kann, haben mich für das Thema "angewärmt", was auch bitter nötig war: Vor meinen ersten Einsätzen für die Automobilindustrie waren für mich PKWs rollende Blechkisten, die sich nach Merkmalen wie Farbe, Geruch und Sauberkeit unterscheiden ließen und nicht nach Aspekten wie Design, Ausstattung und Fahrverhalten.
Danach lese ich Texte, erst in der einen, dann in der anderen Sprache. Und hier lege ich mit dem los, was mich weiter erfreut: Mit Worten, die ich schon kenne, und das sind oft überraschend viele. Ich lege mir eine Vokabelliste an, wobei ich alles so aufschreibe, wie es kunterbunt aus den Texten purzelt. Zum Weiterlernen kopiere ich mir die Listen und ordne sie neu: Erst nach thematischen Blöcken, dabei ergänze ich die Begriffe gern auch durch Beispielsätze aus dem Netz. Eine andere Liste ist alphabetisch für die Ausgangssprache geordnet, eine weitere Liste alphabetisch für die Zielsprache. Was dann noch nicht 'sitzt', wandert auf Karteikarten, wobei ich immer großzügig mehr aufschreibe als im Moment nötig, die eigene Vergessenskurve schätze ich realistisch ein. Und noch ein Lernmoment ist wichtig: Die Wiedervorlage, besonders in einem anderen Kontext. Am Ende mische ich immer wieder Vokabelkarteien aus verschiedenen Themenfeldern, was ich dann kann, beherrsche ich wirklich.
Lernpsychologisch mache ich das: Verknüpfung eines Themas mit angenehmen Menschen und Ereignissen, Aufrufen von Vorwissen (das Hirn freut sich, schüttet weiter Glückshormone aus), Anknüpfen an Vorwissen ( = bereits bestehende Synapsen), Wiederholung fürs bessere Einprägen, Aktivierung durchs Umsortieren in eine thematisch untergliederte Liste, Wiederholung nach sprachlichen Kriterien, am Ende die völlige Herauslösung aus dem Kontext.
Zwischen den Lernphasen, in die ich mich in positiv gestimmter, gespannter Haltung hineinbegebe, mache ich Lockerungsübungen. Mal sind diese sprachlicher Art, ich schreibe einen Brief, einen Blogeintrag, löse einige Zeilen Kreuzworträtsel. Oder aber ich mache etwas Gymnastik. Bewegung ist auch fürs Lernen gut, so verteile ich gern meine Karteikärtchen auf verschiedene Stellen der Wohnung, flaniere hin und her, putze mal eben das Bad, höre zwischendurch Lieblingsmusiken oder lache mich schebbs an Comedy, Kabarett oder witzigen Filmen. Kennen Sie den?
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