Mittwoch, 4. Juni 2008

Sprachenpolitik

Deutsch hat in der Europäischen Union einen schweren Stand. Wir merken es daran, dass wir viele Übersetzungsaufträge aus dem Deutschen mit Ziel Brüssel oder Straßburg erhalten. Im Mai beschwerten sich denn auch Regionen und Bundesländer bei der Kommission darüber, dass immer häufiger auch offizielle juristische Texte nicht mehr auf Deutsch veröffentlicht werden. Der europäische Bürgerbeauftragte rügte daraufhin die Kommission, die Einreichungen bei Ausschreibungen nur auf Englisch, Französisch und Spanisch zulassen möchte.

Was ein Teil unseres Geschäftes ist, stimmt uns dennoch nachdenklich, denn Deutsch ist die am meisten verbreitete Muttersprache der EG. Deutsche Politiker verteidigen traditionell ihr Idiom nicht. Ganz anders die Franzosen - und jetzt steht die Ratspräsidentschaft Frankreichs vor der Tür. Derzeit kursiert in Brüsel eine Zehn-Punkte-Liste, aus der hervogeht, dass französische Diplomaten und Beamten in der Präsidialzeit darüber wachen sollen, dass ihre Sprache weiter gepflegt wird: Es sei grundsätzlich immer Französisch zu sprechen und „jeder Umstand, der den Gebrauch des Französischen nicht möglich macht, muss ins Protokoll aufgenommen und den französischen Behörden gemeldet werden.“ So zitiert jedenfalls die Märkische Allgemeine den Ukas. Damit hebt sich Frankreich von den anderen Ländern ab. In Arbeitsgruppen gilt nämlich meist Englisch als "Brückensprache". Nun heißt es, „bei informellen Treffen reden die Vertreter Frankreichs ausschließlich Französisch“ - derart scharf hat noch kein anderes europäisches Land sein Idiom verteidigt.

Sicher, die französische Sprachenpolitik trotzt uns auch Respekt ab. Es ist charmant, dass die französische Welt zum Beispiel auch über Technik anders spricht als wir, und dass die ausgedachten Worte am Ende zu gelebter Sprache werden. So schreibt unsere Übersetzerkollegin Alexandra aus Paris auf dem "clavier", wenn sie tippt, sie nutzt dazu den "ordinateur", keinen Computer, dabei bedient sie sich dazu eines "logiciels" und keiner Software, außerdem korrespondiert sie per "courriel", wo andere eMails versenden.

In einigen Punkten hat die französische Sprachenpolitik auch Ausschlusscharakter, der für unsere Kunden zum wirtschaftlichen Nachteil wird. Zum Beispiel für die französische Filmproduktion, die sich traut, mit Deutschland gemeinsam einen Film herzustellen. Wir haben das Buch, das auf Deutsch geschrieben worden ist, ins Französische übersetzt. Es geht um eine deutsch-französische Familie, die im Elsass lebt. Jetzt hat der französische Auftraggeber Sorgen, denn es wird im Film zu viel Deutsch gesprochen. Bei der staatlichen Filmförderbehörde CNC (Centre National de la Cinématographie) erhält indes nur das Projekt die volle "Punktzahl" und damit die maximale Fördersumme, das mehrheitlich die französische Sprache verwendet. Beim CNC, so wurde uns glaubhaft versichert, gäbe es Mitarbeiter, die dieses prüften - mit der Stoppuhr in der Hand.
Wir haben jetzt in den Gesetzen nachgelesen und uns wurde wieder bewusst, dass ja Regionalsprachen unter besonderem juristischen Schutz stehen. Am Ende des Aktenstudiums weiß nun auch "unser" Produzent, dass sein Film offiziell "auf Französisch und Elsässisch" ist - und damit in einer der offiziellen Minderheitensprachen, die dem Französischen gleichgestellt sind ...
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Bilder: Straßburger EU-Parlament

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