Montag, 15. Februar 2010

Berlinalegeflüster: 13 Arten, ein Festival zu dolmetschen

Hallo! Sie sind auf den Seiten einer Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache gelandet. Hier schreibe ich in loser Folge über die Arbeit, beschreibe komplexe, aber auch komische Momente ... und antworte auf Fragen.  

Wieviele unterschiedliche Möglichkeiten, als Dolmetscher auf der Berlinale zu arbeiten, gibt es eigentlich?", fragt mich Manuel Feifel von der kanadischen Botschaft, als ich Montag am frühen Nachmittag für ein knappes Stündchen am Stand der AG DOK stehe und gerade einen polnischen Produzenten verabschiedet habe, der einen Koproduktionspartner in Berlin sucht. Da ich acht Jahre lang für den mitgliederstärksten deutschen Filmverband Marketing auf Messen und Märkten gemacht habe, komme ich ab und zu her, vor allem heute, in einer Pause zwischen zwei Dolmetscheinsätzen, denn die Verbandskollegen sitzen gerade bei der all­jähr­li­chen Mitgliederversammlung zusammen, da unterstütze ich unsere Stand­be­treu­er gerne als "Aushilfe".

Zurück zur Frage: Wieviele Arten des Dolmetschens gibt es beim Festival?

Normalerweise unterscheiden wir mit dem Begriff Dolmetscharten die Methoden der Übertragung, also konsekutiv, simultan, Begleit- und Verhandlungs­dol­­met­schen. Auch Bühnendolmetschen ist eine Unterart.

Selten wird bislang nach den Einsatzarten unterschieden, wie sie hier an ein- und demselben Ort gefragt sein können. Die Arbeit von Dolmetschern auf der Berlinale ist enorm vielfältig, wie eben gerade mit dem polnischen Kollegen, das geht auf basic market english, bei der Koproduzentensuche sind vor allem Fach- und Bran­chenkenntnisse gefragt, erster Dolmetschanlass also. Jemand, der nur als Dol­met­scher arbeitet, wird hier sein Glück nicht finden.
Zuvor habe ich für den Deutschland-Korrespondenten des mexikanischen Fern­sehens ein Einzelinterview mit Dokumentarfilmregisseur Nicolas Philibert ge­dol­metscht, für den ich das erste Mal Mitte der 1990-er Jahre tätig wurde, als sein Film "Le Pays des sourds" in Deutschland herauskam (der Film ist von 1992, aber ich glaube, dass es eher 1995 war, als wir "Im Land der Stille" in Berlin vorstellten ...) Das ist die zweite Dolmetschsituation.
Die dritte sind Publikumsgespräche wie sie in der Sektion "Internationales Forum des Jungen Films" üblich sind. Den alten Hasen Nicolas, der später mit "Etre et avoir" (Haben und sein) berühmt wurde, werde ich dort morgen wiedertreffen.
Der zweite Nachmittagstermin war eine Veranstaltung zwischen Kontaktanbahnung und Casting  — Regisseur sucht jungen Schauspieler, zwischendurch wurde fast ein wenig inszeniert, der Filmnachwuchs durfte auf meine Stichworte reagieren, mich anspielen. Das ist die vierte Art des Dolmetschens "bei Films", die im kreativen Prozess.  
Fünftens erwartet mich noch Ende dieser Woche, es sind die Gruppeninterviews (press junkets), eine Art kleiner Pressekonferenz, wo immer eine Handvoll Jour­nalisten einem Filmschaffenden Fragen stellen.
Die sechste Variante, wie Dolmetscher auf der Berlinale eingesetzt werden, ist auf den großen Pressekonferenzen des Wettbewerbs zu beobachten, hier sitzen wir in den Kabinen, jemand vom Auswahlkomitee oder ein Dramaturg moderiert, die internationale Presse stellt die Fragen.
Dem geht die siebente Art des Dolmetschens auf der Berlinale voraus, das simul­tane Einsprechen von Filmen, die im Festivalpalast nicht nur untertitelt gezeigt, sondern in einigen anderen Weltsprachen auch noch per Konferenztechnik verfolgt werden können.
Gefolgt von achtens, Mediendolmetschen, das werde ich diese Woche vermutlich wieder fürs französische und deutsche Radio erleben: Live-Verdolmetschung von Hörfunkinterviews. 
Die neunte Möglichkeit, als Dolmetscher das Festival zu unterstützen, wäre Flüsterdolmetschen für ein Jurymitglied, und zwar sowohl beim Filmesichten als auch in der Diskussion darüber, wer ausgezeichnet wird, das durfte ich mal vor Jahren für Catherine Breillat.
Gefolgt von zehntens: Kurze Reden und Danksagungen bei Preisverleihungen und sonstigen Ehrungen, hatte ich auch schon, von (Rabah) Ameur-Zaïmeche über (Jeanne) Moreau bis hin zu (Bob) Wilson.
Und unter elf möchte ich die klassische Arbeit als Konferenzdolmetscherin auf­füh­ren, es gibt Veranstaltungen zur Geschichte der Kinoarchitektur und zur me­di­a­len und technischen Zukunft des Kinos, Gespräche zwischen Film­pro­du­zen­ten und Filmfinanziers.
Für Punkt zwölf fällt mir noch das Dolmetschen für die Technik ein, für den Rück­ka­nal, zum Beispiel bei der Arte-Nachrichtensendung. Dazu kam neulich recht kurzfristig eine Anfrage rein, ich konnte aber leider nicht so schnell reagieren ...
Dreizehn gibt's jetzt auch noch: Das Abendessen im festlichen Rahmen und die Aufrechterhaltung munterer Plaudereien bei Tisch.

Hab' ich was vergessen? Dann bitte melden! Die Reihenfolge ist übrigens weder hierarchisch noch logisch motiviert, ich habe einfach eins nach dem andren aufgezählt, so, wie mir die Situationen einfielen.

Lustig, dass ausgerechnet das simultane Einsprechen von Filmen Platz sieben ab­be­kom­men hat.

Zusammen mit Dolmetschen am Set ist das die Königsdiziplin dessen, was unsereiner fürs Kino tun kann, das in Frankreich nicht zufällig "die siebente Kunst" heißt.

Danke, Manuel, für die Frage. Mir war selbst nicht bewusst, dass wir so viele un­ter­schiedliche Einsätze im Rahmen ein- und desselben Festivals haben können!

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Foto: Die siebente Art, für den Film zu dolmetschen, ist das simultane Einsprechen. Hier die Tür der Französischkabine im Berlinale-Palast.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Super Zusammenfassung, Caro, und sehr nützlich. Es grüßt Deine alte A. aus MUC