Freiberufliche Dolmetscher stellen in unserer Branche den Premiummarkt dar. Wir haben fünf bis sieben Jahre studiert, auch im Ausland, oder haben nicht selten berufsbedingt mehrere Wohnsitze.
Bei Klassentreffen treffen wir gelegentlich die Mitschüler von einst, die viele Jahre vor uns ins Berufsleben eingetreten sind. Unsere festangestellten Altersgenossen erhalten nicht nur Urlaubs-, Kranken- und Weihnachtsgeld, sie dürfen künftig mit der gesetzlichen Rente rechnen, bis dahin trägt ihr Arbeitgeber die anfallenden Kosten für Arbeitsplatz und Fortbildungen.
Wir Dolmetscher erwirtschaften das selbst. Das ist der Grund dafür, dass unsere Honorarsätze einigermaßen hoch sein müssen. Heute sind sie zu niedrig. Im Zuge der allgemeinen deutschen Lohnzurückhaltung wurden sie in den letzten 25 Jahren knapp an die Inflation angepasst. Mit dem steigenden Arbeitsaufwand halten sie auch nicht Schritt. Denn wo wir früher drei, vier Tage lang für einen Kongress gedolmetscht haben, werden wir heute oft nur noch einen, manchmal zwei Tage gebucht. Die Sessions sind dichter und kürzer geworden, die Tage länger.
Daher sind unsere Kunden gut beraten, uns Sprachdienstleister direkt zu buchen. Denn werden wir Dolmetscher über den Zwischenhandel angefragt und als Subunternehmer verpflichtet, fehlt das Geld für diese Rücklagen, die anderswo unter "Arbeitgeberanteile" und Sozialabgaben fungieren.
Für mehrtägige Einsätze, gerne auch mit mehreren Sprachen, ist es sinnvoll, eine Kollegin/einen Kollegen als beratende(n) Dolmetscher/in zu verpflichten — und diesen Aufwand auch gesondert zu vergüten. Wir buchen, wen wir aus eigener Erfahrung kennen. Und wer selbst in der Kabine sitzen wird, achtet bei den Kolleginnen auf hohe Qualität.
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Einmal haben wir in drei Sälen jeweils fünf Kabinen beschallt, Exkursionen kamen noch hinzu. Wir waren froh, dass da jemand nur für unsere Ablaufplanung zuständig war. Auch hier erfolgte die Kollegenauswahl über unsere konkreten Empfehlungen.
Sie buchen also, wen sie vom Hörensagen kennen. In der Regel sind diese Agenturmitarbeiter aber keine Dolmetscher.
Blind bucht die dritte Kategorie auf dem Markt, die zahlreichen Firmen, die eine "Agentur" simulieren. Hier sind Gänsefüßchen durchaus angebracht, denn Stockfotos und Briefkastenadresse sind genauso schnell im Internet gekauft wie eine Domain. In der Folge erleben wir Spracharbeiterinnen keinen Mehrwert durch diese Makler, die aber für den erschwerten Kontakt zum Kunden — unsere Fragen nach Vorbereitungsmaterial verhallt zumeist ungehört — einen nicht unerheblichen Prozentsatz unserer Honorare beanspruchen, das können schon mal 35, 50 oder mehr Prozent sein. Für solche Makler arbeiten erfahrene Kolleginnen eher nicht. Damit ist die Buchung über solche Sprachdiscounter immer ein Vabanquespiel für die Kunden.
Damit schaden derartige Firmen den Kunden und der ganzen Branche, denn sie haben oft vom Dolmetschen recht wenig Ahnung, weil sie vor allem Kaufleute sind. Deshalb beraten sie Kunden auch nicht zu selten falsch. Zwei bis drei Stunden Präsentationen und Diskussionsbeiträge verdolmetscht auf Konferenzniveau niemand von uns ohne Kollegin oder Kollegen.
Dolmetschen ist Teamarbeit und äußerst fordernd für das Gehirn. Sollte Ihnen ein Unternehmen eine Solo-Kollegin (*) anbieten, handelt es grob fahrlässig. Denn eine derartige neurologische Überforderung kann unter Umständen irreversible Schäden auslösen, für die der Endkunde dann haftbar wäre. Ich deute nur an: Ein britische Kollegin sitzt nach einem bei solcher Überanspruchung erlittenen Aneurysma im Rollstuhl.
Also Augen auf bei der Buchung! Als Teil verschiedener Netzwerke kann ich sagen: Wir beraten Sie gerne.
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Foto: Jeremy Lynch
(*) oder einen Kollegen
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