Es war sehr feucht in Berlin |
Jean Zieglers Satz, dass die reichen Länder die Kinder der ärmsten Länder töten, ist zwar hart, aber leider richtig. Er fordert im tagesschau.de-Interview: "Schafft die G20-Treffen ab!"
Die zentralen Probleme lassen sich auch per Textvorlagen und Unterschriften klären, denn sie müssten unter Einsatz gesunden Menschenverstands unstrittig sein. Dringend beendet gehört der Börsenhandel mit und das Wetten auf die Preise von Lebensmitteln, zumal und besonders in Zeiten, in denen ganze Landstriche immer heißer und trockener werden. Auch andere Lebensgrundlagen dürfen nicht in private Hand, und der Wohnungssektor braucht einen starken öffentlichen, gemeinnützigen Counterpart. Solche Entscheidungen könnten, wenn sie erst gefällt sind, im Umlaufverfahren unterzeichnet werden.
Unsere Repräsentanten, also Menschen, die wir zur Führung der Amtsgeschäfte freigestellt haben, haben Angst vor uns und vor dem abstrakt (und manchmal leider sehr konkret) Bösen. Daher mauert man sich hochgerüstet ein. "Wie Hamburg zur Rüstungsmesse wird" schreibt prompt das Manager Magazin. Jetzt hab' ich's kapiert. Das Event ist eine Roadshow für die Waffen- und High-Tech-Schmieden! Die Kosten des ganzen Spektakels sollen, Hamburger Quellen zufolge, bei um die 200 Mio. Euro liegen. Vergleich: Die Elbphilharmonie war für 800 Millionen Euro zu haben.
Das Geld wäre anderswo besser investiert. Ich plädiere europaweit für Musikschulen mit großartigen Angeboten in allen Wohnvierteln, besonders in den Armen- und Mittelschichtquartieren, mit Einzel- und Gruppenunterrichten. Denn die einen können es sich nicht leisten und bei den anderen fällt das als erstes weg. DAS wäre sinnvoll! Denn Kinder und Jugendliche lernen hier, dass sie durch regelmäßiges, konzentriertes Arbeiten weiterkommen, sie lernen aber auch, sich zu vergleichen und Ansporn durch die Besten aufzugreifen, sie lernen Frustrationstoleranz und Selbstregulierung, Verantwortung und im Zusammenspiel das Eingehen auf andere ... und das brauchen alle.
Das brauchen jene Deklassierten, die großspurig tun um ihr Nichtwissen zu kompensieren, die das Gefühl haben, chancen- und wertlos zu sein, die aufgrund ihrer negativen Erfahrungen der beste Nährboden für alle Formen von -ismen sind, die die perversen Rattenfänger für sie bereithalten. Das brauchen jene, denen die eigenen Übereltern jedes Problem aus dem Weg räumen, die überbehütet sind und grundlos verwöhnt, und zwar aus verdammt ähnlichen Gründen.
Ziegler fordert stattdessen, die UN zu stärken und Eilmaßnahme für die ärmsten Staaten einzuleiten. Denn der Gedanke ist schon ein wenig absurd, dass genau jene Staaten, die für die zentralen Probleme der Natur, Gesellschaften und Wirtschaft verantwortlich sind, jetzt im gemeinsamen Gespräch den Willen und die Wege für ihre Lösung finden sollen.
Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue |
Was war noch diese Woche? Griechenland wird von der Ex-"Troika" dazu genötigt, seine Wasser- und Gasversorgung zu privatisieren. Ich muss daran denken, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Europas dagegen ist, Institutionen der Daseinsfürsorge Aktionären zu verkaufen.
(Paris und Berlin waren diesen Weg im Bereich Wasser schon gegangen und haben mit großen Verlusten für die Bürger rekommunalisiert.) Und ich denke daran, dass die Vertreter der "Troika" überwiegend nicht aus Wahlen hervorgegangen sind, also nicht demokratisch legitimiert sind.
Und waren es nicht Vorläufertreffen des G20, zum Beispiel das Treffen der Finanzminister 1999, das (auch) zur Deregulierung der Finanzmärkte und zu den letzten Crashs geführt hat? Langsam schwant jedenfalls der Frau und dem Mann von der Straße, was es mit Zockerbörsen, Vergiftung unserer Lebensgrundlagen und Klimawandel auf sich hat. Starkregen wie diese Woche in Berlin, wo die Menge eines Vierteljahrs binnen 24 Stunden runterkommt, kann niemand mehr übersehen.
Und nein, hier helfen keine Ideologien und politischen Lager, es ist das Gebot der Menschlichkeit, hier genau hinzusehen. Doch ein Wort zum Sonntag geworden.
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Fotos: C.E.
4 Kommentare:
Hi Caro!
Keine Autos im Kiez? Wie das? Sind die etwa alle schon im Urlaub? Haben die keine Kinder?
Gruß in die Ferne,
Th.
Nee, lieber Tom, die hat der Starkregen weggespült. Im Ernst, das war die Friedelstraße nach der Räumung des Nachbarschaftsladens mit enormem Polizeiaufgebot. Der daraufhin einsetzende Dauerregen war sogleich die Strafe G*ttes ;-)
Rückgruß
C
Diese Politik des "Organisierten Kapitalismus" führte 1896 zu einer Börsenreform und zur Abschaffung des Warenterminhandels mit Getreide und der Produktbörsen.
Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2: Machtstaat vor der Demokratie, 1992, S. 473, 585; Wolfgang Schulz: Das deutsche Börsengesetz. Die Entstehungsgeschichte und wirtschaftliche Auswirkungen des Börsengesetzes von 1896 (Rechtshistorische Reihe 124), 1994.
Das Kaiserreich nach Bismarck unter dem Kanzler Caprivi hat viele Fehler gemacht, aber innenpolitisch auch manches Gute, das uns heute als Beispiel dienen könnte.
Danke für diese Ergänzung, lieber H., dann waren wir tatsächlich schon mal weiter.
Es rufen viele nach mehr Regeln, es gab ja auch Bretton Woods, jetzt fordern viele derlei. Warum müssen die Menschen die Fehler immer wiederholen und scheinen so wenig lernfähig zu sein?
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