Abends viertel vor elf befinde ich mich auf der Zielgeraden Richtung Wohnung. Ich habe einen anstrengenden Dolmetscheinsatz hinter mir. Der Kopf fühlt sich wattig an ("wattös" sagte einst Mitbewohnerin Pempi aus München). Ich lausche in mich hinein, welcher Aspekt meiner vitalen Existenz gerade dominiert. Ist es Müdigkeit? Neugierde gepaart mit sprachlichen Reflexen? (Dann höre ich in der Regel eine spannende Sendung in der Zielsprache auf dem MP3-Player an.) Oder ist es ein leichter Bewegungsanalphabetismus, der mich nach anstrengenden Tagen manchmal überfällt?
Müdigkeitsveränderte Wahrnehmung |
Zuhause warten Fenchel, Lauch, Kurkuma, etwas Petersilie und Quinoa auf mich. Sahne fehlt. Ich suche die Ware und gehe an den Tresen.
Der junge Verkäufer: "Die ist sogar fettreduziert!" Ich schaue auf den Deckel, will keine irgendwie industriell modifizierten Sachen haben, bin Anhängerin der Slow Food-Bewegung. "Mindestens 30 % Fett" steht auf dem Pöttchen. Ich lese laut vor. Der Verkäufer: "Ja, "mindestens 30 %," sonst ist es mehr, 'mindestens' bedeutet 'reduziert'."
Ich denke kurz: Veralbern kann ick mir alleene, dann sage ich mir, dass nicht alle das Glück hatten, Deutsch bereits als Baby zu lernen. Behutsam trage ich vor, wie ich das verstehe, eingeleitet mit einem "Könnte es sein ..." — mindestens ist die Mindestmenge, es mag sogar mehr sein — und ergänze augenzwinkernd: "Wehe Sie fangen demnächst an, kalorienreduzierten Sch* zu verkaufen!" Der junge Mann vom Onkel-Ali-Laden darauf ebenso augenzwinkernd mit Blick auf meine Silhouette: "Madame, sowas haben Sie doch gar nicht nötig!"
Das wollte ich hören. Und er hat sein Gesicht als aus Südeuropa stammender Macho bewahren können.
Der Rest ist schnell zusammengefasst, weil nicht so wichtig: Kochen und Essen bis Mitternacht, ab drei Uhr Nachtruhe, acht Stunden Schlaf nach einem vollen Einsatz. Dolmetschrelevant ist dies: Ab Ende des Einsatzes brauche ich (brauchen vermutlich sehr viele) etwa vier Stunden, bis der hohe Adrenalinpegel Schlaf überhaupt zulässt. Und nach Dolmetschtagen darf es gerne eine Stunde mehr Schlaf sein. Übrigens: Der Schlaf ist weiterhin mein Freund, auch wenn ich nach etlichen Tagen der Flüchtlingshilfe erstmal nicht gut einschlafen konnte.
P.S.: Das Rezept findet sich hier: Chefkoch.de.
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Foto: C.E.
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