Samstag, 24. Oktober 2015

Ayas Flucht vor dem Tod

Bonjour, Sie lesen in meinem Blog über das Leben als Dolmetscherin und Über­set­zer­in für die  Bereiche Politik, Kultur, Wirtschaft und Soziales. Im ersten Beruf war ich Journalistin.  Letzten Sommer habe ich in der psychologischen Kri­sen­in­ter­ven­tion gedolmetscht, jetzt ist die Kongresssaison. Mein Link der Woche folgt morgen; das Sonntagsfoto entfällt.

Den heutigen Beitrag verdanke ich meiner Radio- und Texterkollegin Britta Freith. Danke, Britta, für dein Engagement. So, jezt übergebe ich ...

Im Hamburger Stadtteil Ohlstedt geben Ehrenamtliche Deutschunterricht. Dabei hat eine von Ihnen Aya kennen gelernt. Aya ist 16 Jahre alt und mit der Familie ihres Onkels nach Deutschland geflohen. Jetzt lebt sie im Zelt auf dem Ohlstedter Platz. Sie hat einen Text über den Krieg in Syrien geschrieben. Ein deutsches Mäd­chen hat ihn aus dem Englischen übersetzt. 

Flucht vor dem Tod ins Ungewisse 

In Syrien ist das Leben fast unmöglich geworden. Die Menschen dort haben die Hoff­nung in fast alles verloren, außer in den Tod, der sie in jeder Lebenssituation begleitet. Sie sehen den Tod dort jeden Tag, sodass sie sich an ihn gewöhnt haben. Weil sich niemand auf der ganzen Welt um sie zu kümmern scheint, umarmen sie ihn manchmal ganz still. Sie leben jeden Tag, jede Stunde ohne über morgen nach­zu­den­ken, weil sie morgen vielleicht nie erleben werden.

Das Geräusch der Bomben ist für sie normal geworden, sodass sie es als komisch empfinden, wenn sie es nicht mehr hören. Wenn jemand es nicht mehr hört, be­deu­tet es, er ist tot. Das ist die Bedeutung von Krieg. Es gibt noch einen weiteren Kampf, den die Syrer kämpfen müssen. Den Kampf ums Essen. Der Anstieg der Prei­se hat das Leben noch schwerer gemacht. Die Menschen können es sich grade eben leisten ein Brot zu kaufen. Alles in Syrien ist teuer; alles — außer ein Men­schen­le­ben. Viele Menschen denken darüber nach auszuwandern. Sie verkaufen al­les, was sie besitzen, sogar ihre Häuser. Alles, um dem Tod zu entkommen und weil das Leben in ihrem Land nicht mehr länger möglich ist. Da sie keine Hoffnung mehr besitzen, opfern sie sich dem Meer. Wenn jemand die Hoffnung verliert, denkt er nicht länger über sein Leben nach. Viele machen sich auf den Weg auf eine schreck­li­che Reise mit nur einem Gedanke: Wenn ich es schaffe, “okay“, wenn nicht, „kein Problem“. Sie fühlen sich bereits in jeder Art und Weise tot.

Weil niemand nachvollziehen kann, was diese Menschen durchgemacht haben, hat auch niemand das Recht sie dafür zu verurteilen, dass sie diese tödliche Reise auf sich genommen haben! Es ist schwer nicht mehr in der Lage zu sein, seine eigenen Kinder beschützen zu können. Es ist schwer, behindert zu sein. Und es ist schwer, das Gefühl zu ertragen, dass du nur eine Nummer bist. Eine Nummer, die entweder denen angehört, die am Leben zu sein scheinen, oder denen die bereits tot sind.
In Syrien ist der Tod zu einem permanenten Besucher geworden. Aus diesem Grund wollen so viele Syrer ihr Land verlassen. 
Aya, 16 Jahre

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Mein Dank geht an: Aya, die unbekannte
deutsche Schülerin und Britta Freith

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