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Wir saßen in Paris in einem Luxushotel, ein Bankier aus der tschechischen Provinz, der als kleine Wuchtbrumme den Raum betreten hat, entledigte sich einiger Schichten relevanten Dämmmaterials und verließ rank und schlank den Raum. Wir blieben noch im Raum, der "Gastgeber", mein Dolmetschkunde und ich.
Es ging um ein Handelsgeschäft, das nicht exakt wie besprochen abgelaufen war. Also hatten bei einem früheren Treffen einige böse Buben, als Polizisten verkleidet, den Reisepass meines Kunden konfisziert. Das Geld, das hier den Eigentümer gewechselt hat, wurde unter anderem für die Herausgabe der Dokumente übergeben. Ich war überrascht, wie wenig raumgreifend Summen sind, mit denen ich in Berlin mal eben unsere Wohnung samt deren Umbau bar bezahlen könnte.
Plötzlich habe ich Schiss, weil mir durch einige Fragen mit kulturellem Hintergrund definitiv klar geworden ist, dass die ganze Sache eine wilde Betrugsstory ist. (Für die Nichtmuttersprachler: Sowas nannte man früher auch eine "Räuberpistole".) Das Gegenüber, der französischsprachige "Gastgeber" des Termins und Empfänger der besonderen Druckerzeugnisse, weiß nicht, dass ich ihn durchschaut habe. Wäre er weniger ungebildet und würden ihm die Dollarzeichen im Auge etwas weniger den Blick verstellen, wir müssten vermutlich um unser Leben fürchten. So wird ein weiterer Termin vereinbart, an dem dann Ware übergeben werden soll. (Später noch mehr Geld.)
Der Folgetermin kommt zum Glück nicht zustande. Die Sache hängt noch
wochenlang in der Schwebe, obwohl es mein Kunde längst besser wissen sollte: Am Ende bekomme ich Einblick in den
Mailaustausch, darin steckt ein letzter Beweis, der im Grunde nicht nötig gewesen
wäre. Mein Kunde denkt aber fortgesetzt nur an das ihm hier entgehende
Geschäft, an sein mittelständisches Unternehmen in der Krise, an die
Brandenburger Mitarbeiter, die er nicht entlassen möchte, und er ärgert sich, dass er in
der Schule Russisch gelernt hat und nicht Französisch. Am Ende wird er mehr als eine
Viertelmillion Euro an die Bande gezahlt haben.
Rücksprung. Begonnen
hatte es ganz schlicht: Ein potentieller Kunde rief an, bat mich, mit
ihm drei Tage später nach Paris wegen einer Einfuhrsache zu reisen,
Zollamt, Schengen raum und Flughafen waren die die Stichworte. Leider hat er mir keine Unterlagen zur Vorbereitung zugeschickt. Es ging
um Umwelt- und Energietechnik, dazu hatte ich gerade erst einen
Einsatz, diese Unterlagen kamen (un nötigerweise) ins Reisegepäck. In Paris haben wir dann tagelang auf Termine mit den Gesprächspartnern gewartet. Währenddessen habe ich angefangen, ein Krimidrehbuch zu übersetzen ... und auf höchst merkwürdige Weise fing an, das, was ich erlebt habe, sich mit dem zu überschneiden, was ich übersetzen durfte. Ich habe also beobachtet, war hellwach, freundlich, habe mich erst ein wenig gewundert und mich vor mir selbst kurz für verrückt erklärt, als ich wenig später schon anfing, Indizien dafür zu sammeln, dass die Leute vom Zollamt, von der Polizei etc. Mitglieder einer Gangsterbande sind. Sofort setzte ich meine Kunden von meinem Verdacht in Kenntnis. Am Tag darauf hat die Geldübergabe stattgefunden.
Mein Kunde hat den Vorfall nie angezeigt, denn es war ein "Kick-back-Geschäft" eingeplant, ein Teil der überhöhten Verkaufssumme sollte an die Brandenburger zurückfließen. Das Kapital stammte angeblich aus wohltätigen Stiftungen, wie ich am Ende erfuhr. Die in der tschechischen Republik schwarz angelegten Rücklagen der Firma waren damit futsch. Natürlich habe ich meinen vollen Honorarsatz berechnet. Schon allein für die entgangene Schlagzeile: "Dolmetscherin lässt Gangster bande auffliegen!" Auch unsereiner wäre gerne mal fünf Minuten lang berühmt.
Wunschschild |
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Fotos: C.E.
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