Montag, 16. März 2015

Medienhintergründe

Bonjour und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin. Ich arbeite in Paris, Bordeaux, Berlin und dort, wo ich gebraucht werde. Heute wie­der: Blick auf den Schreibtisch.

Vor dem Dolmetschen: Studieren!
Dieser Tage beschäftigen mich eine Film­untertitelung, die Vertriebswege von ve­ga­ner Kleidung, Urheberrechtsfragen und das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinen immer größer werdenden An­sprü­chen gegenüber den "freien Pro­duk­tions­firmen".
Als die öffentlich-rechtlichen Sender in den 1980er Jahren von der Politik den Auftrag er­hiel­ten, mehr Aufträge an au­ßen­ste­hen­de Pro­du­zen­ten und Autoren zu vergeben, wurde das rasch unterlaufen: Die Sender er­kann­ten einige Aus­ga­be­pos­ten nicht an (wie war das noch einmal, beim NDR durf­te man Kosten für Licht nicht kal­ku­lie­ren?), bis heute soll es bei manchen Sen­dern tabu sein, die so­ge­nann­ten HUs zur Erstattung vorzulegen.

HUs sind die Handlungsunkosten, also alles, was einen Produzenten eigentlich erst dazu befähigt, den eigenen Laden aufrechtzuerhalten. Dass diese nicht in den Kal­ku­la­tio­nen für die Sender vorkommen dürfen, ist eine Projektion der eigenen Ver­hält­nis­se (von Fest­an­ge­stell­ten mit firmeneigenem Büro) auf andere Un­ter­neh­mun­gen. (Hatte der NDR damals eigentlich gerade seine Licht­ab­tei­lung rund­er­neu­ert? Konnte Tech­nik dort un­ent­gelt­li­ch entliehen werden?)

Aus: "7 Tage oder ewig?", AG DOK, 2015
Außerdem bekommen Pro­duk­tionsfirmen sogar bei "voll finanzierten Auf­trags­produk­tio­nen" in der Regel nicht 100 % der benötigten Summe, der Prozentsatz scheint im freien Fall zu sein. Als ich meine ersten Projekte um­ge­setzt habe, gab es 75 % des Budgets vom Sender, heute scheint es in vielen Fällen deutlich weniger ge­wor­den zu sein.

Ergebnis: Die Filmmitarbeiter bekommen für ihre Arbeit heute in der Regel noch weniger, als es vor 20 Jahren der Fall war. Und die Produzenten, die bei an­de­ren europäischen Sendern und Filmfördereinrichtungen weitere Gelder "ein­lo­ben" sol­len, haben damit größte Mühen, vor allem dann, wenn die Sender ihre Filme immer länger in den Mediatheken online bereitstellen wollen (... was ich als Wunsch sehr gut verstehen kann, vor allem bei Filmen über Wirtschaft, Soziales und Kultur, also über das, was die Gesellschaft zusammenhalten sollte [und leider immer mehr spaltet]).

Die Arbeit der "freien Produktionsfirmen" wird daher immer mehr gefährdet, ihre Freiheit ständig weiter eingeschränkt. (Daher meine Anführungszeichen.)

Für mich als auch auf Medien und Filmproduktion spezialisierte Dolmetscherin heißt das seit einigen Jahren, dass ich immer weniger Filmeinsätze habe, da sie unter dem Strich zu viel Arbeit für zu wenig Geld bedeuten. Nur das simultane Dol­met­schen von Livesendungen oder Interviews ist eine Richtung, die für mich immer in­te­res­san­ter wird. Hier ist es aber wie mit altem Wein: Nur die al­ler­bes­ten be­kom­men viele Sterne. Also gilt es, weiter zu reifen und im Hörfunk Rou­ti­ne zu ge­win­nen. (Und ab und zu leiste ich mir ein Filmprojekt, wenn es mich inhaltlich be­geis­tert.)


Der vollständige Titel der Schrift lautet: "7 Tage oder ewig? Zahlen — Fakten — Hin­ter­grün­de zur Debatte um die Verweildauer von Filmen in öffentlich-recht­li­chen Mediatheken", Hg. Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, Frank­furt/Main 2015
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Fotos: C.E.

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