Montag, 29. Dezember 2014

Winterbüro

Hallo, hier schreibt eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Das Büro ist besetzt, allerdings geht der Blog bis zum 7.1. in die Winterpause.

Happy winter days and a good "slide into the new year"! (Which is the litterally translation of a german saying, 'guten Rutsch ins neue Jahr!')


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Foto: C.E. (Hier das Motiv vom letzten Jahr.)

Sonntag, 21. Dezember 2014

Handarbeit

Hallo, hello, bon­jour, beim ersten Blog Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bine. Hier berichte ich regelmäßig über meinen Alltag auch als Über­setz­er­in. Gerade ist es ruhig, in der Woche vom 29.12. arbeite ich, ebenso in der ersten Januarwoche. (Ich habe schon im Oktober zwei Wochen pausiert und breche nach der Berlinale wieder auf.)

Ruhige Stunden mit abendlichem Kerzenlicht. Dazu passen Bastelarbeiten: Eis­kristalle und Sterne. Mein Sonn­tags­fo­to! Zu Jahresende wünsche ich allen Le­ser­in­nen und Lesern beschauliche, gesunde und frohe Tage.



Hier gibt's dazu die Bastelanleitung.
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Foto: C.E.

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Mechanik

Herz­lich Will­kom­men auf den Blog­sei­ten einer Sprach­ar­beiterin. Hier den­ke ich über den All­tag der Welt der Kon­fe­renz­dol­metscher und Über­setzer nach. Hier erfahren Sie, was Muskeln mit deutscher TV-Unterhaltung, Ketten und Fähr­män­nern zu tun hat. Zwischen den Weihnachten und Sylvester ist meine Über­set­zer­werk­statt übrigens geöffnet.

In zehn Jahren haben die Maschinen alle Übersetzer und Dolmetscher abgeschafft! Wetten, dass... ?

Kamm (Reet) zum Anschlagen per Griff
Ach nee, "Wetten, dass" gibt's ja nicht mehr. Gut, zweiter Versuch: Wenn das all­ge­mei­ne Bildungsniveau und die Ein­kom­men rapide sinken, damit auch das Wa­ren­an­ge­bot, alles wird einfach, stam­meln am En­de die Menschen nur noch Sätze, die eine Ma­schi­ne in zehn Jahren pro­blem­los über­trägt. Macht auch kein' Spaß, so eine Dystopie, in diesen schö­nen, festlichen Tagen!

Noch ein Anlauf: Sprache ist so vielfältig und hängt immer vom Hintergrundwissen, von Moden in gesellschaftlichen Kreisen, Literatur und Medien- oder Werbezitaten ab, dass sich oft die Geschlechter untereinander oder die Mitglieder ein- und der­sel­ben Familie kaum noch zweifelsfrei verständigen können.

Garnspulen
Wissen Sie, wovon ich spreche? Ergänzen Sie: Geiz ist ... Ihre Großeltern und ihre Urenkel werden den Satz nicht in der glei­chen Weise beenden, wie Sie das gerade gemacht haben. Und 95 % der Urenkel jener, die diese Zeilen lesen, werden von der abgesetzten ZDF-Sendung auch nichts mehr wissen.

Was hat das mit Dolmetschen und Über­setzen zu tun? Weil das alles jeweils in Texten mitschwingt und irgendwie trans­feriert werden muss. Also in allen Texten jedenfalls, die mehr aussagen als
Ankomme Montag 18 Uhr Hauptbahnhof.

Wenn Sie älter als 25 sind, können Sie das gerade noch zuordnen. Der "Te­le­gramm­stil" als Begriff sagt aber schon Kids des Jahres 2014 nichts mehr.

Heutige Maschinen sind bereits von zeitgenössischen Texten überfordert. Hier ein zufällig ausgewähltes Bespiel:
Proust Geschichte über ein junges Mädchen, das nach einem Sturz in der Lie­be, wacht zehn Jahre später, wenn Mutter und Kind und ist in den Pro­zess der Scheidung. Sie können XXXX durch Kabelfernsehen oder in den Deutsch / Schweizer (Switzerland) Kinos mit ursprünglichem Audio online gucken, in Französisch, in mit Untertiteln versehenem und in betitelt in Deutschen zu den verschiedenen Zeiten.
Es handelt ich um einen Spielfilm aus dem 21. Jahrhundert, der mit Marcel P. gar nichts zu tun hat. Und wen ich mit Marcel meine, verstehen Sie nur, wenn Sie sich ein wenig in Literatur auskennen. Ansonsten steht's ja auch oben. Un marcel ist auf Französisch, wie es in Familien gesprochen wird, übrigens eine spezielle Un­ter­hemd-Form. Die Amis nennen es muscle shirt, also ärmelfrei, damit die Mus­keln schön zu sehen sind. Die Kreise, in denen das erfunden wurde, waren garantiert nicht auf der Su­che nach verlorenen Zeiten.

Kette und Schuss
Texte sind Gewebe. Kul­tur­pro­duk­te, künstlerische Ela­bo­ra­te usw. gehören den Re­zi­pien­ten, die sie sich an­eig­nen, soviel zur Theorie.

Praktisch bedeutet das, dass jene, die den Fährmann ma­chen (oder die Fährfrau), die also über-setzen, viel kul­tu­rel­les Gepäck mit sich her­um­schlep­pen dürfen (und es wird immer mehr).

Und die Entwicklung einer perfekten Dolmetschmaschine würde vermutlich 5.000 Mannjahre kosten, inklusive Programmierung der unterschiedlichen Fachsprachen, Soziolekte und Berufsjargons. Und in der Testphase, bei der sich herausstellt, dass der Output nur mit großer Verzögerung bei den Hörern ankommt, wären die Pro­zes­so­ren nach zwei Stunden verschmort.

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Fotos: C.E.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Übersicht 2014

Welcome, bienvenue, hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über ihren Berufsalltag. Meine Sprachen sind Französisch (als Ausgangs- und Zielsprache) und Englisch (Ausgangssprache).

Planung ist das A und O, Sauerstoff auch
Hier können Sie heute wieder einmal einen Blick auf den Schreibtisch erhaschen.

Unten habe ich die Dos­siers auf­ge­führt, die mich in den letzten Monaten be­schäf­ti­gt haben. Ich sortiere gerade die letzten Vokabellisten, Hin­ter­grund­texte und Kon­gress­ma­te­ria­lien ein und freue mich an der gro­ßen Viel­falt der Projekte.

— Allgemeine Politik, Wirtschafts- und Finanzkrise, Steuergerechtigkeit
— EU-Wahlkampf und -Politik
— Logistik/Transportwesen: Gütertransport via Bahn und Schiff, Multimodalität
— Internetwirtschaft, Urheberrecht
— Französisches Kino und Filmwirtschaft: das Problem der mittelgroßen Filme
— Gesundheits- und Krankenhausmanagement
— Architektur/Urbanismus: sozialer Wohnungsbau, Altbausanierung, Bauökologie
— Architektur/Energie: Wärmedämmung, Energiewende, neue Energiequellen 
— Berufsausbildung und Integration von Schulabbrechern in die Arbeitswelt
— Nachhaltiges Design, u.a. im Rahmen von Produkttests
— Kundenberatung: Verkäuferschulung
— Personalauswahl
— Papiergroßhandel (Internetshop)
— Firmengründung in Deutschland aus französischer Perspektive
— Pressemeldungen zu TV-Ausstrahlungen, Filmstarts sowie Pressehefte
— Aktuelle Situation Afrikas: Kongo, Tunesien, Westafrika
— Vernachlässigte Tropenkrankheiten, insbesondere Ebola
— Asylpolitik und Zuwanderung
— Deutsche Geschichte, in Sonderheit 25 Jahre Mauerfall

Diese Themen beschäftig(t)en mich im Hinblick auf Konferenzen und Seminare, Dreharbeiten, Drehbuchübersetzungen, interne Beratungen der Politik, diverse Bildungsangebote sowie im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit Dritter.

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 16. Dezember 2014

Oolong

Bienvenue und herzlich willkommen beim ersten Weblog Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine! Hier schreibt eine Übersetzerin und Dol­met­scher­in, deren zweite Hauptarbeitssprache Französisch ist.

Anrufbeantworter kommen heute fast nur noch in Filmen vor. Wir erfahren über die Ton­spur et­was über die privaten Verhältnisse einer Hauptfigur, während die Kamera wie eine Droh­ne in langsamen Bewegungen das Interieur überfliegt. Oder es findet sich der zentrale Hinweis auf den Mörder in dieser zur Abhörzentrale um­funk­ti­o­nier­ten Holzwerkstatt, in der die Glut des Kaminfeuers noch von einem in­zwi­schen abwesenden Gast kündet und wo ein alter, verdreckter, riesengroßer An­ruf­be­ant­wor­ter den Kontrast zwischen High-Tech-Ambiente und Holzwerkzeugen ironisch zu kommentieren scheint.

Der dritte Gedanke war richtig
Neuerdings gibt es Anrufer im Computer. Auch sie helfen uns, Din­ge zu erfahren, aber die Sache ist doch ver­track­ter. Ein Beispiel.
Gerade hatte ich eine kurze Mail im elek­tro­ni­schen Post­fach, in der im Grun­de nur Name und Ar­beit­ge­ber des Absenders zu lesen wa­ren, ein Sender, sowie eine Stan­dard­zei­le über einen ver­geb­lich erfolgten An­ruf­ver­such.

Dann gab es noch eine gesprochene Wortnachricht in der Mail: Eine Tonspur, die ich anklicken durfte, informierte mich über den Anlass der Mail.

Und hier erfuhr ich also, dass es Aufzeichnungen einer Rede oder ein Interview mit "Oolong" geben würde, ich möchte bitteschön in den Sender kommmen, abhören und übersetzen. Ich bin ein wenig irritiert. Seit wann kann Oolong-Tee sprechen? Oder vielleicht ist das das Thema ... aber ich spreche doch gar kein Chinesisch!

Ich höre weiter. Einige Sätze später sagt der Sprecher dann "Olann". Ich kenne ei­nen Berg, der so heißt, l'Olan, er liegt in den Hochalpen, kann aber auch nicht ge­meint sein.

Welcher Sender ruft nochmal an? Ich höre auf Untertöne in der deutschen Aus­spra­che. Der Sprecher ist in den 50-ern und klingt noch ganz fein und nur für Ken­ner­oh­ren erkennbar nach Ost-Berlin. Ach, Hollande ist gemeint!

Soviel zum Thema Kontext. Hätte ich die Mailkennung aufmerksamer gelesen, wä­re mir aufgefallen, dass es um eine Politikredaktion geht. Hätte ein Hinweis auf die Eröffnung eines Pariser Museums im Text gestanden, ich hätte mir infolge der Zei­tungs­lek­tü­re meinen Teil schon zusammengereimt. Die Webseite des Elysée-Palasts lie­fert zur Vorbereitung die Rede in Text- und Filmform: Die Franzosen ha­ben seit sieben Jahren ein Nationalmuseum zur Geschichte der Einwanderung, das allerdings erst jetzt offiziell eröffnet wurde.


EDIT: Besser François Olong als Françoise Hollande. Alles regelmäßig bei Öf­fent­lich-Rechtlichens gehört. Wird eigentlich die Aussprachedatenbank nicht weiter gepflegt?
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Foto: C.E.

Montag, 15. Dezember 2014

Jahresendjobs

Willkommen, bienvenue & hello beim ersten deutschen Weblog aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Überall bricht langsam eine bräsige Ruhe aus, die Wochen andauern wird. Überall? In einem kleinen Büro in Berlin ist das nicht so.

Die Textweberei ist noch in vollem Gange. Und vermutlich werde ich zwischen den Jahren, wenn mein Blog in die Winterpause geht, weiter übersetzen.

Eine spannende Anfrage hatte mich für die letzten Tage ereilt, Wochenendzuschlag inklusive: Ich durfte eine längere Reportage aus einer Zwischensprache in gutes Deutsch bringen. Das Originalbuch war auf Englisch geschrieben worden, die Erst­über­setzerin ist eine Deutsche, die schon lange in den USA lebt. Entsprechend bi­zarr hat an manchen Stellen die erste Fassung angemutet. Perfektes Denglish war das. Es ging nicht selten mit Verarmung der Sprache einher, denn nicht alles, was an Ideen hinter einem bestimmten Begriff stand, kam in der Zielsprache auch nur halbwegs an.

Beispiel für das Sprachdilemma: die Vokabel "der Job". Hierzulande wird der Be­griff immer häufiger dann verwendet, wenn jemandem das Wort "Beruf" zu alt­backen vorkommt. Aber sind die Wörter wirklich Synonyme? Schnitt: Wir sitzen auf dem Spielplatz im Herzen New Yorks, eine Freundin und ich, Spielplätze gibt's hier nicht so viele, entsprechend groß ist das Gedränge. Der Filius "meiner" New Yor­ke­rin hat sich gerade mit einem Kind um Sandkastenfläche und Schippe ge­strit­ten.

Am Ende weinen beide. Der eine Mini, unsere Seite, lässt sich gerade noch fer­tig­trösten, die Gegenseite ist schon wieder im Sand. Schaut rüber. Hier gibt es Kekse. Meine Freundin schickt ihren kleinen Rabauken los, einen Versöhnungskeks an­zu­bie­ten. Was dieser tut. Gebäck wird angenommen, friedliches Weiterspiel deutet sich an. Good job ruft meine Amerikanerin ihrem Sohn zu, "gut gemacht".

Abbildung métier à tisser — Webstuhl
Aus dem Sachs-Villatte
Job steht hier also indirekt für "Auf­trag". Und einen solchen hat­te ich am Wochenende auf dem Tisch: Hereingeflattert kamen ein grauenvoller Re­por­ta­ge­text und eine Film­fas­sung, die lieb­los run­ter­ge­kur­belt gewirkt hat wie ir­gend­was zwischen Tou­ris­mus­bü­ro und Prak­ti­kan­ten­pro­dukt. Dafür war das ent­le­gen­e Reiseziel wirk­lich richtig spannend.

Rückblende: Vor etwas mehr als zwölf Monaten, das Jahr 2013 neigte sich deulich dem Ende zu, wird irgendwo bei einem ausländischen Sender noch Geld vorhanden gewesen sein. Kinners, das müssen wir noch schnell ausgeben, sonst ist es futsch!, oder etwas in der Preislage wird daraufhin gesagt worden sein. (Kameralistik gibt's nicht nur hierzulande.) Ende 2014 fiel ein solcher Satz dann in einer deut­schen Re­dak­tion, denn Kameralistik bedeutet ja auch immer: Was bis zum Jahresende nicht ausgegeben worden ist, verfällt. Die Vergabe an die Übersetzer, die Regisseure und die Sprecher ging jedenfalls zu guten Sätzen und ohne große Verhandlungen im Rekordtempo vonstatten.

Totale, Halbnahe, Detailaufnahme, Blende, Totale, Schwenk, Halbnahe, Schnitt, der Film folgt einem eintönigen Strickmuster, der Text scheint im Nachhinein und eher zufällig hinzugekommen zu sein. Wackelt irgendwo ein Übergang, wird ge­blen­det, fehlt jeglicher Zusammenhang, folgt eine Schwarzblende.

Wir nehmen das Material und ribbeln auf: Ich den Inhalt, der Regisseur die Form, dann wird neu gewoben: Der Synchronregisseur wird beim Neuweben die Wörter großzügiger auf die stummen Passagen verteilen und die eine oder andere Syn­chro­ni­zi­tät zwischen Bild und Text einbauen, die wir ja in Deutschland so sehr lieben.

Hier bedeutet übersetzen also, schnell den Inhalt wiederzugeben, Fakten zu über­prü­fen, Fundstellen zu verlinken und Vorschläge zu machen, was an welcher Stelle noch reinkönnte.

Zum Glück ist die Arbeit mit diesem Filmstoff nur ein "Job", schnelle Ausübung des Handwerks. Als Beruf möchte ich sowas nicht immer machen müssen. Mein Buch­sta­ben­han­del ist sonst anspruchsvoller. Trotzdem nehme ich gerne solche Jah­res­end­jobs an. Mal sehen, was die Woche noch bringen wird.


EDIT: Gewoben wird auch hier: klick!
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Foto: C.E.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Gruß vom Weihnachtsmarkt

Hallo und will­kom­men auf dem 1. Weblog Deutsch­lands aus dem Inneren der Dol­met­scher­ka­bine. Hier berichte ich über meinen sprachbetonten Alltag. Sonntags werde ich privat.

Was sehe ich beim Wochenendbummel? Erst halte ich es für bewusst falsch ge­schrie­ben, um Kundschaft anzulocken. (Ich gebe zu, auf eine solche Idee kann nur ein Spracharbeiter /eine Spracharbeiterin kommen.)  Die einzelne 'Wallnuss' beschrieb ich hier bereits im Singular.

WALLNÜßE, liest sich fast wie WALLNÜBE
NÜBE IN WALLUNG

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Foto: C.E.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Im Maschinenraum

Bonjour, bienvenue, welcome ...! Was mich als Dolmetscherin und Übersetzerin so umtreibt, können Sie hier regelmäßig verfolgen.

Eine Bekannte von mir hat neulich ihren Aktenschrank ausgemistet. Ganz zuunterst entdeckte sie einen Ordner, auf dem stand in Großbuchstaben das Wort "IN­TER­NET". Und ein Freund hatte unlängst auf die Frage, wann wir denn losgehen woll­ten, den Scherz parat: "Gleich, ich muss nur noch rasch das Internet fertiglesen."

Eindeutige Objektnamen sind immer wichtig
Kleine Stories über das anfängliche Frem­deln mit dem inzwischen nicht mehr neu­en Medium sind das. Wer in die Arbeit als Dolmetscher und Übersetzer parallel zum entstehenden Netz hineingewachsen ist, erinnert sich noch an Zeiten mit sich nur langsam auf­bau­en­den Internetseiten (oder an die ersten elektronischen Schreib­ge­rä­te mit Speichermedien, von Computer möchte ich da nicht sprechen, mein erstes Teil hatte ich mit 16).

Meine Kenntnisse und die meiner engsten Kol­le­gin­nen scheinen sich analog zum Entstehen der digitalen Welt entwickelt zu haben. Ich kann blog­gen, Webseiten bauen, Fotoshop und Ton­schnitt­­pro­gram­me bedienen.

Ein alter Freund bastelt sich und uns gerade einen Online-Verlag; wir alle können Router einrichten, kleinere Fehler erkennen und beheben, und unser Bewusstsein über die Risiken im Bereich Datensicherheit oder Manipulation der Inhalte ist groß.

Ich lebe täglich mit dem Medium, weil es mir als Dolmetscherin und Übersetzerin jeden Tag aufs Neue hilft. Ich füttere es auch fast täglich, damit es später anderen weiterhelfen kann. Demnächst brauche ich für die Restaurierung eines Möbels ein Dingsbums, den Namen des Bauteils kenne ich in allen drei Sprachen nicht, aber ich weiß, wie ich mit Kontext- und Bildersuche nachher exakt das richtige be­stel­len werde.

Meine Recherchefähigkeiten sind berüchtigt. Oft darf ich für nicht so netz­ver­sier­te Freunde Informationen suchen, einfach, weil ich die Suchalgorithmen und die Va­ri­a­ti­o­nen so verinnerlicht habe, dass sie mir gar nicht mehr auffallen. Sie be­rich­ten etwas am Telefon, ich tippe drei, vier Worte, klicke einige Male und kann das Ge­such­te fertigerzählen und dann den ent­spre­chen­den Link mailen.

Lange Vorrede, sicher. Aber Gelegenheiten wie diese sind selten. Mich erfüllt tiefe Dankbarkeit.

Zum Kämmen von Baumwolle
Und mich erfüllt das kalte Grau­sen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es Kolleginnen und Kollegen geben soll, die nicht so arbeiten. Denen die grundlegenden Begriffe und Gedanken des Internets fremd sind, obwohl sie täglich in der Dol­met­scher­ka­bi­ne mit In­for­ma­ti­o­nen, Begriffen und kom­ple­xen, auch wi­der­sprüch­li­chen Bezügen dieser Sphäre zu tun haben.

Hier noch einige Übersetzungsvorschläge, die neulich gesucht wurden, wobei sich Suche und Antworten in den Kommentarzeilen abgespielt haben, also für viele Leser gar nicht sichtbar waren. Leider fehlt in den Mitschriften der Kollegen eines Be­kannten, der sich mit dem Protokoll abmüht, manchmal der Kontext. Ich muss also rätselraten.

Figer le contenu du web könnte "Screenshot der Seite" bedeuten oder "Sichern des Contents" ("sichern" von "Sicherungskopie anfertigen"), denn das französische con­te­nu kommt vom englischen content, auf Deutsch verwenden wir den eng­li­schen Begriff auch. Das dann mit "Inhalte" zu übersetzen, ist innerhalb dieses se­man­ti­schen Feldes nur halb richtig (als Synonym allerdings OK). Im Zusammenhang mit Ar­chi­ven kann es schlicht auch bedeuten: "Webcontent archivieren".

Für travail éditorial würde ich etwas mit "redaktionell bearbeiten", "redaktionell einbinden" (von Links) nehmen. Ich habe bei einem der Notizenschreiber nach­ge­fragt, es ging wohl um das Zugänglichmachen von verstreuten Webseiten, die in einem Portal zusammengefasst, von dort verlinkt und "mit redaktionellen Bei­trä­gen erschlossen" werden sollen.

Bleibt noch le flux des conversations. Hier könnte je nach Sinnzusammenhang möglicherweise das "Chatprotokoll" gemeint sein.


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Fotos: C.E. (Textilmuseum Crimmitschau)

Mittwoch, 10. Dezember 2014

In Arbeit (3)

Hallo! Geplant oder zufällig, Sie sind hier auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs gelandet. Hier denke ich über Spracharbeit nach. Als Dolmetscherin arbeite ich in Berlin, Paris, München, Hamburg, Cannes, Avignon und überall dort, wo man mich braucht.

Derzeit als Lern- bzw. Vorbereitungsthemen auf dem Schreibtisch: 
Einer meiner drei Schreibtische
Die europapolitische Agen­da des kommenden Jahres
— Ökologische Dämmstoffe
Demokratischen Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern aus der Migration
Tunesien heute, welche Zu­kunfts­perspektiven, welche Gefahren?
— Gefahren der Energiewende
— Arbeitswelt im Wandel, Ent­wick­lung der europäischen Mittelschicht

Außerdem schreibe ich gerade zwei Kostenvoranschläge für Januar und März sowie für eine ungeklärte Übersetzung von gedrehtem Material für Arte, die parallel zu den Feiertagen ins Haus steht.

Vokabelnotiz
Nachdem ich unlängst einen Bekannten ins Krankenhaus begleiten durfte, fiel mit eine nicht gerade naheliegende Wortgleichheit auf: Das Wort contracturer be­deu­tet im medizinischen Zusammenhang "eine Kontraktur herbeiführen"; ein Mu­se­ums­be­such mit hohem Sprachanteil am sel­ben Tag brachte die Erkenntnis, dass con­trac­tur­er qc., zum Beispiel an Säulen beobachtet, "sich verjüngen" heißt (nach oben hin schmaler werden).

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Foto: C.E.

Dienstag, 9. Dezember 2014

Die Zimmerantenne

Herzlich Willkommen! Sie lesen im Arbeitstagebuch einer Dolmetscherin. Meine Arbeitssprachen sind Französisch sowie Englisch (passiv). Ich schaue zurück auf arbeitsintensive Wochen. Neulich war ich nur Zaungast, bequemer war das aber nicht: zur Vorgeschichte

Der Saal ist groß, die Sitzreihen steigen steil an. Er liegt in einem Gebäude, das ein preisbeladener, international renommierter Architekt in der Mitte Berlins ge­baut hat. Um den Saal herum wird verwaltet, beobachtet, beraten.

Die Gäste auf den oberen Rängen haben etliche Headsets in den Händen, denn gleich beginnt eine internationale Veranstaltung. Sie ziehen die Kopfhörer aus der Plastikhülle und nesteln ihr Steckerchen in die Buchse des Empfangsgeräts, und als die Grußworte gesprochen werden, suchen sie die richtige Frequenz. Ein Rädchen erlaubt es ihnen, die Lautstärke zu verändern.

Länger als sonst nesteln sie an den Geräten herum. Sie stellen sie lauter, verziehen grimassierend das Gesicht, dann wieder leiser. Sie klemmen den Empfänger am Revers fest, schütteln den Kopf, halten es in de Höhe, drehen es zur Seite, dann in der eigenen Achse, legen es auf die Lehne eines Sitzes der Reihe vor ihnen oder stellen ihre Tasche neben, türmen den Mantel drauf und lassen das Endgerät ganz oben thronen. Immer mal wieder segelt ein Teil zu Boden, und ohne zu fluchen bergen es jene, die es in Verwendung haben.

Ich muss dabei an ein Bild aus meiner Kindheit denken. Der Cousin meiner Mutter war zu Besuch, wir hatten damals ein Fernsehgerät von Nachbarn geborgt, denn es war Fußball-Weltmeisterschaft. Und so stand der Onkel an einem Sommertag am geöffneten Fenster und hielt die Antenne mit dem himmelblauen Plastikfuß aus demselben heraus, damit das Fußballspiel einigermaßen rauschfrei betrachtet werden konnte. Vor dem blauen Himmel war der Fuß nicht mehr sichtbar; es sah so aus, als halte er Luft mit etwas Metall dran in die Höhe. Damit wurde die Bild­qua­li­tät ein wenig verbessert.

"Nichts (Böses) hören, nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) sagen"
Da der Ton schlecht blieb, wurde er runtergedreht und parallel dazu die Hör­funk­über­tra­gung angestellt.
Dann setzte ein gewisser Herr Sparwasser einen Ball ins Tor. (Und ich verstand nicht, wer da gegen wen gespielt haben sollte ... "Deutschland gegen DDR"? Aber die DDR war doch auch Deutschland, da wohnte doch die Oma.)

Zurück nach Berlin-Mitte: Mindestens die letzten fünf Reihen des Neubaus aus der Zeit des Regierungsumzugs sind betroffen. Ich lasse mir auch Kopfhörer und In­fra­rot­empfänger geben, höre rein, gehe zurück und reklamiere den Empfänger, ge­nau­so mache ich es mit dem nächsten und dem übernächsten. Die junge Frau an der Ausgabe, vermutlich Praktikantin, sagt: "Sie sind die einzige, die Probleme hat."

Offenbar sieht sie die Gymnastik des hinten sitzenden Publikums nicht. Die Zu­schau­er vorne wirken ruhiger. Liegt es daran, dass sie das Problem nicht haben? Oder sitzen vorne vor allem jene, die beide Arbeitssprachen perfekt beherrschen, die also gar kein Headset brauchen? Beim nächsten Mal werde ich das bewusst prüfen.

Die Technik im Saal neigt übrigens seit einigen Jahren zum Knistern. Vermutlich hat das Reinigungspersonal vor langer Zeit einmal die Infrarotsender umgestellt und sie sind anschließend falsch oder gar nicht ausgerichtet worden.

Wieso sich solche Probleme derart lange halten? Auf dem diplomatischen Parkett beschwert sich niemand so richtig, und sollte mal jemand eine Anspielung wagen, dann sind die Erklärungen rasch bei der Hand: "Naja, mit den vielen Mo­bil­te­le­fo­nen im Raum ist das kein Wunder!"

Und es gibt noch einen Grund. Offenbar hat keiner der Mitarbeiter des Hauses, von denen auch einige hinten sitzen, lange nicht mehr in das reingehört, was aus der Kabine kommt. Im Gegenteil, es seien immer alle zufrieden gewesen, heißt es an­schließend. Ah bon ?

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Foto: C.E.

Montag, 8. Dezember 2014

Digitale Kompetenz

Hallo und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin. Auch im achten Jahr des Bestehens meines Blogs erlaube ich mir den subjektiven Blick auf die Welt der Sprachen.

Scheibe einschlagen und Knopf drücken
Was macht die Dolmetscherin, wenn sie nicht in der Kabine sitzt? Sie wird gesund, macht die Buchhaltung, lernt auf neue Einsätze, erholt sich von geschlagenen Schlachten, informiert sich. Dieser Tage war ich auf einer Konferenz über Bildung, Internet und Bib­li­o­theks­we­sen. Zufällig traf ich dort einige Auf­trag­ge­ber, die mich ein wenig erstaunt an­sa­hen à la "Was ma­chen Sie denn heute hier?"

Nun, auch Dolmetscher bilden sich weiter. Die Veranstaltung war super, nur in der Pause musste ich leiden. Eine Dame kam auf mich zugeschossen, sie hatte sich mein Gesicht wohl auf irgendeinem Fes­ti­val ein­geprägt.

Zum Beispiel auf der Berlinale. Dort war ich zwischen 2000 und 2013 sichtbar als Dolmetscherin tätig, seither ar­bei­te ich in den Kulissen. In dieser Art öf­fent­li­chen Arbeitens lernen die Publikumsgäste uns vom Sehen recht gut kennen, was um­ge­kehrt nicht zutrifft, denn bei der Arbeit sind wir zu konzentriert, um uns Gesichter aus dem Saal merken zu können (die wir oft der Lichtverhältnisse wegen ohnehin nicht sehen).

Ihr Konterfei, das in der Kaffeepause meiner "Fortbildung" in mein Leben he­rein­brach, werde ich jedenfalls so schnell nicht vergessen. Sie baute sich vor mir auf, ihr Kopf war puterrot, und mit ihrer Schnappatmung hatte ich kurz die Sorge, sie könne vor mir ob der übergroßen Enerviertheit in Atemnot geraten oder aus den Pumps kip­pen, sollte jemand auf die Idee kommen, die Tür zur Terrasse un­vor­sich­ti­ger­wei­se abrupt zu öffnen, so sehr schwebte sie kurz über Bodenhaftung.

"Sie, hören Sie, jetzt haben Sie mich aber wirklich enttäuscht! Da war immer wie­der von 'numerischer Lateralität' die Rede, und ich kann ja nur ahnen, was damit gemeint sein soll, bis jetzt eben mich im Pausengespräch jemand darüber aufklärt, dass in der letzten Stunde über digitale Kompetenz gesprochen wurde. Da müssen Sie aber wirklich ein bisschen besser aufpassen!"

Zum Glück blieb ihr die Luft dann wirklich kurz weg, so dass ich vorsichtig ein­wen­den konnte, gar nicht in der Kabine gewesen zu sein, dass uns aber im Feuer des Gefechts immer mal ein Begriff plötzlich fremd erscheinen kann oder dass er auf­grund schlechter akustischer Bedingungen ..."

Ich biss mir auf die Lippen. Die digitale Kompetenz — la littératie numérique — war in der Tat der Hauptbegriff der letzten Sitzung vor der Mittagspause gewesen. Und der Begriff Literacy taucht unter Bildungsplanern, Soziologen und derlei re­gel­mä­ßig auf, es ist die erweiterte Lese- und Schreibkompetenz, die Sinn­ver­ständ­nis, Quellenkritik, Wissen um Traditionen und Formen sowie einen vertrauten Umgang damit einschließt.

Und wo kommt das akustische Notsignal her?
Erst schimpfte sie einen Mo­ment lang weiter, bis meine Worte endlich den Weg in Ihren Kopf fanden.

Sie unterbrach sich: "Wie, Sie waren das gar nicht? Ach so! ... Da bin ich aber beruhigt! Sonst hätte auch mein Welt­bild schwer gelitten. Also SIE haben ja eigentlich immer die Begriffe parat und deutschen nicht einfach nur grob ein."

Ich bedankte mich und war froh, als sie fort war. Und sogleich habe ich mich über mich selbst geärgert, über meine mangelnde Schlagfertigkeit, um genau zu sein. Ich hätte der Dame raten sollen, mit ihrer Bemerkung zu den Veranstaltern zu gehen. Aber meine mangelnde Spontaneität geht auch auf vornehme Zu­rück­hal­tung zurück, Kollegen gegenüber, die uns auf diplomatischem Parkett erfahrenen Dol­met­schern gewissermaßen zur zweiten Natur geworden ist.

Später ließ ich mir auch einen Kopfhörer geben. Was ich hörte, war leider sogar noch merkwürdiger. Wenn jemand public domain mit "öffentlicher Domäne" ver­dol­metscht, hat er oder sie nicht nur keine Hausaufgaben gemacht, sondern kennt sich grundsätzlich nicht in Urheberrecht und Internet aus. Die ge­mein­frei­en oder oder nicht-schützbaren Inhalte waren jedenfalls Gegenstand eines anderen Panels des Tages gewesen.

Hm, was war passiert? War eine Dolmetscherin erkrankt und jemand ohne Vor­be­rei­tung eingesprungen? Die Liste der Verhinderungsgründe aus dem Film Amélie de Montmartre fiel mir ein, frei variiert: Von tschetschenischen Frei­heits­kämpfern entführt, einen Pilz im Ragout gehabt, der einen 48 Stunden lang durchschlafen lässt, oder mit Haustier versehen, das so am Kalender genagt hat, dass das heutige Datum erst morgen erscheint?


EDIT: Hier geht's zu einer Art Fortsetzung — 1. akustische Situation und 2. Nachdenken über das Internet und einige Begriffe.
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Fotos: C.E.

Sonntag, 7. Dezember 2014

Tomaten

Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuchs. Hier dreht sich alles um Sprachen, Kulturen und das Vermitteln zwischen denselben. Sonntags sehe ich in die Nähe, da werde ich privat.

Der Sommer in Berlin war schön und lang. Er reichte bis weit in den Herbst. Im Spät­sommer bemerkte ich, dass sich im Topf des Gummibaums, den wir auf der Küchenfensterbank aufpäppeln, nachdem er beim Fortzug eines Nachbarn auf der Straße gelandet war, etwas selbst ausgesäht hatte. Da ich einiges über die Ko­exis­tenz von Pflanzen weiß, habe ich dabei zugesehen und lediglich etwas mehr ge­gos­sen.

Ende September fing das Pflänzchen an zu blühen. Anfang Oktober erfuhr ich von einem lieben Besuch, dass es sich um eine Tomate handelt. Irgendwo wird noch ein Bienchen un­terwegs ge­we­sen sein. Plötzlich hatte ich drei Minikügelchen am Sten­gel.

Jetzt erröten diese Kirschtomätchen gerade sanft. Seit Wochen traue ich mich nicht, die Pflanzung mal abzuräumen, um das Fenster zu putzen.


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Fotos: C.E. (Die Bilder, in ein zweites Brow-
serfenster geladen, lassen sich vergrößern)

Samstag, 6. Dezember 2014

Fremddeutsch III

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig: Sie le­sen hier ei­ne Sei­te mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Als Dolmetscherin und Übersetzerin notiere ich, was mir in unserer heu­ti­gen Welt auffällt, und ich schreibe über Sprachen und Hintergründe.

Kuriose Woche: Zwischen Gesundung von der Grippe und eingeklemmtem Nerv kommt mir die Wirklichkeit verzerrt vor. Ich höre Berichte über An­ti­bi­o­ti­ka­re­sis­ten­zen und Krankenhauskeime, über übermäßigen Fleischkonsum und über An­ti­bi­o­ti­ka­miss­brauch in den Tierställen. (Schweine bekommen in der Mas­sen­tier­hal­tung alle 5,5 Wochen dieses Medikament, um die Ausbreitung von Krankheiten zu ver­hin­dern — und weil es das Wachstum befördert.)

Zugleich erinnere ich mich an den großen Aufschrei weiter Kreise der Bevölkerung, als vor den letzten Wahlen der sogenannte "Veggie-Day" vorgeschlagen worden ist, der eine fleischfreie Tag in der Woche. Derlei sei Bevormundung und Beschneidung der persönlichen Freiheit, hieß es allenthalben. Nun forderte eine andere (al­ler­dings regionale) Volkspartei, dass Migranten künftig in den eigenen vier Wän­den nur noch Deutsch sprechen sollten: "Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu an­ge­hal­ten wer­den, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen", steht im Entwurf eines Leitantrags für den CSU-Parteitag, der Ende nächster Wo­che statt­fin­den wird. Dieses wurde aus einer vorab verschickten Textfassung be­kannt.

Wenn das keine Bevormundung ist! Vor allem ist der Vorschlag Ausdruck der völligen Un­kennt­nis darüber, wie Spra­chen­ler­nen funktioniert, näm­lich immer auch im Ver­gleich mit der Mut­ter­spra­che. Je dif­fe­ren­zier­ter zu­ge­wan­der­te Eltern die Sprache ihres Her­kunfts­lan­des be­herr­schen, desto besser erlernen ihre Kinder die je­wei­li­ge Zweit­spra­che.

Ein neues Idiom braucht eine korrekte und möglichst elaborierte Grundlage, um die nötigen Vernetzungen im Gehirn zu schaffen. Kurz: Es ist keinem Kind aus der Migration gedient, wenn seine "Muttersprache", die Sprache, die es zu Hause am meisten hört, ein verstümmeltes, fehlerbehaftetes Deutsch ist. Hier eine Miniatur, die ich zu diesem Thema vor sieben Jahren geschrieben habe.
Fremddeutsch
Ein Abend am Maybachufer: Ich klöne mit einer Nachbarin auf der Stra­ße, da kommt eine Familie vorbei. Der Filius ist um die drei, Daddy hält ihn auf dem Sattel des Kinderrades fest und ruft: "Gib Fuß, gib Fuß!"
Er meint wohl, dass das Kind in die Pedale treten solle.

Die Mutter läuft in den Hausflur und sagt dabei: "Isch muss noch Post gucken!", analog gebaut zu "Fernsehen gucken", nur das es nach der Post sehen heißt und im Deutschen auch Artikel gebräuchlich sind.

Die Nachbarin, selbst Mutter eines Kleinkindes, mutmaßt, es handele sich um eine türkische Familie, die jetzt mit ihrem Kind Deutsch spre­chen würde, um die Integration zu erleichtern.

Dazu ein anderer Nachbar: "Zufällig kenne ich die Familie. Seine Mut­ter­spra­che ist Arabisch, ihre Türkisch, daher ist die Umgangssprache der Familie Deutsch. Ihre drei Kinder beherrschen die drei Sprachen nur bruch­stück­haft, wenn die Infos meiner Kolleginnen stimmen." Der Mann ar­beitet als Sozialarbeiter im Kiez.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Kintopp

Guten Tag oder guten Abend! Hier bloggt eine Berliner Spracharbeiterin.

Kino hinter fensterarmen Wänden
Mein direktes Hauskino, das Moviemento, wurde gerade vom Publikum zu einem der beliebtesten Kinos Europas gewählt und in einem Atemzug mit der Cinémathèque française in Paris und der Cinematek  in Brüssel ge­nannt! Eine Liste der 25 tollsten Kinos in Europa gibt es hier bei "spotted by locals": klick!

Ein gewisser Gastwirt mit dem Namen Alfred Topp hat hier vor Urzeiten Kino gemacht, das Wort "Kintopp" soll darauf zurückgehen. Die Quellenlage ist al­ler­dings nicht gesichert, das "Ety­mo­lo­gi­sche Wörterbuch der deutschen Sprache" (Klu­ge/Götze) nennt diese Geschichte bislang noch als einzige Quelle.

Diese Namensübertragung geschah wohl irgendwann um 1907, damals wur­de das Lichtspieltheater im Obergeschoss des neu erbauten Wohn- und Ge­schäfts­hau­ses eingerichtet. Damit ist es eines der ältesten Kinos der Stadt.

Vom Spiegelsaal erzählen noch ältere Semester im Kiez. Die billigen Plätze lagen nämlich hinter der Leinwand: von dort konnten die Filme spiegelverkehrt be­trach­tet werden.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Investments

Bonjour und guten Tag! Sie sind geplant oder zufällig auf den Webseiten einer Fran­zösisch­über­setzerin und -dolmetscherin gelandet. Hier schreibe ich (ano­ny­mi­siert) über unsere Arbeit und die sich verändernden Situationen.

Menschen warten auf die Pressekonferenz; durch die Kopfhörer hindurch und über den Tisch mit Empfangsgeräten hinhinweg betrachtet
Warten auf die Minister
Kurze Notiz: Gestern hielt im Herzen Berlins das Quartett Schäuble-Gabriel-Sapin-Ma­cron aka Bun­des­wirt­schafts­mi­nister Sigmar Gabriel (SPD), Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Minister für Wirtschaft, In­dustrie und Digitales Em­ma­nu­el Macron (PS) sowie Fi­nanz­mi­nister Michel Sapin (PS) nach Be­ra­tun­gen eine Pres­se­kon­fe­renz ab.

Bei den Gesprächen dabei waren die Zentralbankpräsidenten beider Länder und etliche Referenten. Im Saal sitzen neben der deutschen Presse natürlich auch die in Berlin akkreditierte französischen Journalisten; über einen früheren Kollegen ge­langt diese Information auch zu mir.

Worum es geht: Die Franzosen haben Deutschland freundlich dazu angeregt, doch in diversen europäischen Ländern (gerne auch in der Heimat selbst sowie in Frank­reich) stärker zu investieren, was das Land mit der schwarzen Null aber nicht di­rekt zusagen möchte. Trotzdem verfolge man das Ziel, heißt es, die In­vesti­ti­ons­nei­gung vor allem Privater insgesamt zu verbessern.

Die Erklärung "Strengthening Investment, Advancing Europe" wird ausgegeben. Sie wurde, der Titel verrät es bereits, auf Englisch geschrieben. Es gibt sie nur auf Englisch, nicht auf Französisch, auch nicht auf Deutsch. Dazu der Pressesprecher Schäubles: Das sei "synonym für europäischen Fortschritt" zu verstehen. Das Pro­ce­de­re ist neu für den inzwischen 47. deutsch-französischen Wirtschafts- und Fi­nanz­rat.

Und ich denke mir still, dass die Übersetzer und -innen, die die Übersetzungen nicht angefertigt haben, den damit erzielten Nichtgewinn künftig auch nicht im eu­ro­pä­i­schen Ausland investieren können.


Links von der Seite des Bundesfinanzministeriums
„Investitionen stärken, Europa voranbringen“ (nur auf Englisch; PDF, 132,4 KB)
Erklärung des Deutsch-Französischen Finanz- und Wirtschaftsrats (nur auf Eng­lisch; PDF, 18,9 KB)
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Foto: C.E.
aka alias

Merci beaucoup XIV

Als Dolmetscherin, Übersetzerin und Autorin habe ich es immer mit sehr un­ter­schied­li­chen Menschen zu tun. Daher freut mich besonders, wenn ihr Feed back auf meine Arbeit einhellig ist. Hier drei Stimmen aus dem Filmsektor.
"Caroline Elias dolmetscht so flüssig, dass man kaum glaubt, dass es spon­tan geschieht."
Ilona Ziok
, Regisseurin u.a. von "Kurt Gerrons Karussell" (1999) und von "Fritz Bauer: Tod auf Raten" (2010)
"Carolines Übertragung ist sehr genau, und ihre Stimme ist sehr lebendig und klar."
Hannibal Tourette, Regisseur von "Wespen" (2014) 
"Um Deine hohe Kunst zu fassen, muss ich ein Beispiel sprechen lassen ...
Widmung nach einem mehrtägigen
Dolmetscheinsatz
"Um Deine hohe Kunst zu fassen,
muss ich ein Beispiel sprechen lassen:
Was treibt den schnellen Wagen vor?
Es ist der kraftvolle Motor!
Doch seine Kraft muss auf die Straße
sonst ist's nur Dröhnen und Geblase.
Die Antriebsachse ist das Ziel,
ansonsten nützt die Kraft nicht viel.
Will man einmal richtig fetzen
muss man die Sache übersetzen!
Nach einer groben Laien-Schätzung
hängt alles an der Übersetzung!
Die Aussage wird häufig Hohn
fehlt es an guter Präzision —
insoweit hast Du überzeugt:
Toll übersetzt und nichts gebeugt!"
Aller Dank & beste Wünsche
Michael Neubauer & KollegInnen vom BVK
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Illustration: Gästebuch
BVK:
Bundesverband Kinematografie

Dienstag, 2. Dezember 2014

Fließend Latein

Willkommen auf den Seiten des ersten Weblogs aus dem Inneren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Regelmäßig können Sie in meinen Blogposts mehr über unsere Sprach­ar­beit erfahren. Neben dem  mündlichen Übertragen übersetze ich auch (schrift­lich). In der letzten Woche war es hier al­ler­dings ruhig; ein grippaler Infekt hatte mich schachmatt gesetzt.

Die Woche geht lustig los. Ich sortiere die offenen Angebote, schreibe Kosten­vor­an­schlä­ge zu Anfragen, die ab Freitag reingekommen sind, bis dahin hatte mich eine Kollegin vertreten. Und ich schaue mich auf den einschlägigen Seiten um, auf denen Über­setzungs­auf­trä­ge ausgeschrieben wurden. Als Foto etwas, das mich zum Grinsen brachte. Errare humanum est.

60000 words: English to Latin TranslationSchon schick, dass sich nicht bis Bangladesh herumgesprochen zu haben scheint, dass es für Latein keine native speaker mehr geben kann. Und wer soll bitteschön der Adressat sein für diese aus dem Englischen ins La­tei­ni­sche zu übersetzenden 60.000 Wörter?

Ich muss an die Sprachmakler vom gleichen Kontinent denken, die sich vor einigen Jahren auf ähn­li­chen Foren präsentierten: Adretterweise hatte diese Internetfirma auch seltene Sprach­kom­bi­na­tionen im Angebot, so zum Beispiel Sumerisch, Mit­tel­hoch­deutsch oder Altprovenzalisch.

So, mal schauen, was die Woche außer Pro-bono-Anfragen so bringt. Zu einer habe ich schon zugesagt, es geht um Kino aus Afrika, und der Kulturverein ver­fügt nur über we­nig Geld, da ist mein Engagement Ehrensache!

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Illustration: Webfund