Bei "Films" zu dolmetschen ist die hohe Schule. Dreharbeiten sind hochsensible Vorgänge: Die Schauspieler, die ihre Haut zu Markte tragen, kehren nicht selten ihr Innerstes nach Außen, der Regisseur/die Regisseurin gibt den Rahmen, lenkt, leitet, provoziert. Manchmal fließen sogar Tränen.
Jeder oder jede Externe stört dabei. Indes, bei manchen Koproduktionen geht es auch hier oft nicht ohne Dolmetscher. Und wie immer bei Drehs wird auch gelacht. Newcomer werden der Feuerprobe unterzogen, ob sie, wenn die Kamera läuft, Späßen widerstehen können und professionell reagieren - das erzählt mir in einer Pause der Tonmann. Aber der Reihe nach.
So ein Drehtag ist ganz einfach: Als Sprachmittlerin laufe ich mit meinem "Star" mit. Seine "Dispo", in der alle Termine und Aufgaben stehen, ist auch meine. Bereitet er Bild 21 vor, lernen wir beide die Einsätze, denn ich frage ab, und das kann überall sein: Auf der Fahrt im Produktionsauto morgens um sechs, um sieben in der Maske, um acht am Cateringwagen. Dann geht das Warten los. Stundenlang. "We're paid for waiting, performance is for free", sagt der französische Schauspieler in perfektem Englisch, von dem seine Agentin nicht zu wissen schien. Gut für mich - aber auch sonst sprechen im Team nicht alle Englisch. Ganz beiläufig im Aufenthaltsraum lernen sich der Gaststar aus Frankreich und die deutsche Schauspielerin kennen, deren Englischkenntnisse auch nicht weit fortgeschritten sind. 'Parlando' ist angesagt, also harte Arbeit für mich, simultan plus Leichtigkeit, es soll nicht nach Arbeit aussehen, die beiden müssen sich kennenlernen, denn drei Stunden später liegen sie als Film-Liebespaar zusammen auf dem Sofa und knutschen. Wem das einfiel? Der Aufnahmeleitung. Das Motiv einiger Einstellungen, die Wannseevilla, ist nur drei Tage gebucht, die anderen Darsteller kommen später. Also fangen wir mit dieser Szene, die in der Handlung relativ weit hinten kommt, an.
Warten, nichts als Warten. Handy sei Dank dürfen wir ein wenig spazieren gehen, entspannen uns weiter. Es ist wie Urlaub. Bis es von jetzt auf gleich ernst wird: Ein Gewitter zieht auf, der Drehplan wird umgeworfen, statt Sofa nun Badetuch und Segelbootszene am Steg bei 14 Grad plus im Sommer. Damit keine Gänsehaut aufkommt, wird die Darstellerin mit einer Creme eingerieben und den glänzenden Teint kaschiert viel Puder. Vier Aufnahmen, in der Filmsprache "takes", haben wir zwischen zwei Gewitterwolken, blaue Lippen werden überschminkt. Der Stresspegel steigt, keiner will jetzt einen Fehler machen, keiner dran Schuld sein, wenn was misslingt.
"Wie heißt 'Kamera läuft!' nochmal auf Französisch?", fragt mich Kameramann Hans. "Ça tourne !" lautet die Antwort. "Das kann ich mir einfach merken, wie Saturn, da war ich erst gestern für kleine Batterien!", antwortet der Kameramann, und ich entgegne: "Ja, nur mit scharfem "S", also wie die Schlange, nicht wie die Hummel, und auch das Ende wird anders betont."
Wir tun alles dafür, dass die Stimmung gut ist und dass sich unser Gast wohl fühlt.
Stunden später. Eine Szene im Badezimmer. Während der Wind an den Fensterläden rüttelt, stehen wir im Badezimmer im gleißenden Licht: Ein Scheinwerfer vor dem Fenster, vor den ein Quadratmeter Butterbrotpapier gespannt wurde, wirft sein Licht in den Raum und lässt es sonnig aussehen. Unser Gaststar fotografiert im Bad heimlich Dokumente, während Madame, die Hausherrin, im Schlafzimmer singt. Das Bad ist extrem klein und fast durchgehend verspiegelt. Der Wind stört nicht; die Szene wird ohne Ton gedreht und nachher vertont, weil der Zeitplan so eng ist und ohnehin kein Platz für Tonmann mit -angel wäre. Die Miete der Villa kostet Tausende.
Der Raum ist eng und es gibt wegen der Spiegel nur wenig tote Winkel. Hans steht mit Kamera auf dem Klobecken, die Regisseurin kauert sich im halb geöffneten Schrank der Therme zusammen, vor den ein Stummer Diener gestellt wurde. Dann ist nur noch für einen dritten vom Team Platz: Auf der gemauerten Trennwand zwischen Dusche und Toilette. Hier sitze ich nun und versuche, die in Windeseile von der Regieassistentin erklärten Regeln zu befolgen, nach denen Details der einzelnen Aufnahmen notiert werden. "Ton ab?" fragt die Regisseurin - und wenig später: "Kamera ab?"
Und statt "Ça tourne !" sagt unser Kameramann jetzt nur trocken: "Media Markt!"
Es hat viel Selbstbeherrschung gekostet, hier nicht loszuprusten.
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