Dolmetschblog, erstes Jahr: Hier schreibt und denkt eine Übersetzerin und Dolmetscherin, derzeit in Berlin. Ich arbeite aber auch in Paris, Brüssel, Erfurt, Cannes und dort, wo Sie mich brauchen. Manchmal ergeben sich unerwartete Störungen.
Neulich in der Botschaft. Wir alle sind mitten in einem hochkonzentrierten Gespräch, die Ökonomen, die Medienpolitiker, die Beobachter und wir Dolmetscher. Bei kleinen Gruppen, hier sind wir elf, lässt sich in ein- und demselben Raum auch ohne Simultananlage gut arbeiten, die Grenze liegt bei zwei bis drei Leuten je Sprache, die eine Verdolmetschung brauchen, dann kann gut auch fast simultan geflüstert werden.
Manchmal irritiert es Sprechende, dass, während sie vortragen, jemand reinfunkt oder dagegen "anspricht". So fühlt es sich jedenfalls an. Ich weiß es genau, mir ist das selbst auch passiert, in China, wo ich bei dem Dolmetschergebnis nicht mithören konnte, weil ich kein Chinesisch verstehe, und daher selbst erlebt habe, wie sehr das "Verstehen" (im Sinne von "Erfassen") der Situaion eine geistige Herausforderung ist. Ansonsten stellt sich das Gefühl ein, jemand unterbreche einen ständig. In solchen Momenten warten wir Dolmetscher immer, bis der- oder diejenige fast fertig ist, um anschließend mit leiser und sanfter Stimme zu übertragen.
Unsere Handys sind aus, und das ist richtig gut so. Nur ein Gast hatte dies unterlassen und offenbar auch keinen Filter vorgeschaltet, der nur wichtige Anrufer klingeln lässt. So dürfen wir alle mit anhören, wie der Gast einen Kurzreisebericht aus Berlin gibt.
Wenig später werden wir zehn Minuten Pause angekündigt. Kerstin geht raus, die Kinderabholung für den späten Nachmittag zu organisieren, der Termin war sehr kurzfristig anberaumt worden. Die Diskutanten aber bleiben sitzen — und diskutieren weiter, ich übersetze. Ohne offizielles Pausenende — diese hatte ja nicht einmal begonnen. Als Kerstin nach fünf Minuten wieder reinkommmt und uns kommunizieren sieht, hält sie es für Pausengespräch und gibt noch rasch eine Telefonnummer durch. Dann erst merkt sie, dass wir "in der Sitzung" sind — sie "wieder", wir anderen "noch".
Eine Stunde später, die Handys sind jetzt alle aus oder stumm geschaltet, frage ich mich, während ich dolmetsche, wie spät es sein mag. Mein Handy hat längst die Armbanduhr ersetzt, das ist ein Phänomen der Zeit. Aber hier in der Runde sind nur zwei Menschen ohne Armbanduhr. Merke: derlei ist ein neues Distinktionsmerkmal. Und jetzt funkt kein Handy mehr rein und auch die ungeübten Sprecher gewöhnen sich an unseren simultanen Output, in low tech geliefert.
Wobei mir zum Thema "simultan" in Verbindung mit "Funken" noch eine andere Episode einfällt. Wo wir zwar auch "direkt" gedolvmetscht haben, aber übertragen über eine Infrarot- Dolmetschanlage aus der Kabine heraus. Aber plötzlich konnten wir gar nicht mehr "die Stimme im Ohr" unserer Gäste sein, weil in unsere Kopfhörer massiv reingefunkt wurde — von Privatfunkern. Manchmal ist auch high tech nicht vor Störungen gefeit.
"Omega, bitte kommen."
"Hier Omega, wo bist du?"
"Ja, also ich bin jetzt noch eine halbe Stunde hier an der Kongresshalle, wo steht ihr?"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen