Montag, 25. Mai 2009

Drehbuchübersetzung, die (gefühlte) elfte!

Ein Werk der französischen Frühaufklärung dient als Vorlage für ein Drehbuch. Ich bekomme die typische 'vorletzte' Fassung vor dem "Shooting script" zugeschickt mit sehr ausführlichen Szenenbeschreibungen und Fußnoten für den historischen Hintergrund, die im nächsten Schritt sicher stark gekürzt werden. Auch die Dialoge sind noch nicht immer reif. Dann die übliche Frage: Was kostet die Übersetzung?

Der Text aus dem 18. Jahrhundert stellt die absolutistische Monarchie ebenso infrage wie die Allmacht der Kirche - und die Hauptfiguren reiten recht forsch durchs Bild, im ursprünglichen und im übertragenen Wortsinn: Sie bewegen sich gleichermaßen sicher auf dem Parkett des Hofs wie in den Salons des Adels und in Räumen des an Bedeutung zunehmenden Bürgertums.

Also übersetze ich langsam, zur Probe, um zu ermessen, wie viel Zeit mich die Arbeit kosten wird. Dabei bin ich umgeben von meinen Büchern. Die sind zwar nicht alle so alt, aber auch hier gibt es historische Referenzen, die es mir erleichtern, den Ton dieser dekadenten Welt und des Epochenbruchs zu treffen.

Das Übersetzen geht mindestens ein Drittel langsamer als bei zeitgenössischen Texten. Logische Folge: Mein Kostenvoranschlag liegt ein Drittel über dem, was die Produktionsfirma kalkuliert hatte.

Den Spaß, den mir dieses Projekt macht, trüben die finanziellen Aussichten und der Stress, denn auch der Zeitplan behagt mir nicht.

Und dann fällt mir ein schlüssiges Argument ein, mit dem ich meine Situation plausibel machen kann: Liebe Produktionsfirma, vergleicht doch bitte mal den Preis für Bühne und Ausstattung eines historischen Films mit dem, was ihr für ein zeitgenössisches Projekt veranschlagt: Hier teure Fundi, Studiobauten vielleicht sogar, historische Beratung, dort die Set-Designer, die aus dem eigenen Bestand schöpfen, das eine oder andere rasch im Laden nebenan kaufen (anstatt es anfertigen zu lassen). Das gleiche gilt fürs Kostüm.

Nicht nur die Roben, sondern auch die Worte, in die sich die Hauptfiguren kleiden, sollten wohl ausgesucht sein. Sie sind seltener, zum Teil maßgeschneidert, kurz: alles ist ein größerer Aufwand.

P.S. (28.05.): Das Argument verfing.

Samstag, 23. Mai 2009

Dolmetschen im Theater

Hallo! Sie lesen in einem Blog aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dol­met­scher­in und Über­setze­rin für die fran­zö­si­sche Sprache, arbeite auch mit Englisch als Ausgangssprache, und habe mich auf Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft spezialisiert. Ich arbeite auf Konferenz und Festival, in Büro und Parlament ... und auch im Theater.  

Zwischen Proben, Einzelinterviews und Aufführung drehen wir in einem Berliner Theater.

Ein Team aus Frankreich portraitiert die Macher und beschreibt den Ort der Inszenierung von "Mutter Courage", mit Carmen Maja Antoni in der Titelrolle. Von drei Uhr nachmittags bis in den Abend sind wir im Berliner Ensemble. Die Proben verzögern sich, weil am zwei Mal im Monat aufgeführten Stück gefeilt wird.

Damit verschiebt sich auch unser Interviewablauf. Zwischen Zuschauerraum bei den Proben, Foyer, Gängen, Brechts Arbeitszimmer, Logen, Maske und Garten bewegen wir uns in diesen Stunden und fangen Bilder ein.

Um mich zwischendurch auf etwas Nichtsprachliches zu konzentrieren, schieße ich meine Schnappschüsse - und habe sogar Zeit für fotografische Experimente. Am Ende bin ich nach einem halben Arbeitstag im Theater müder als nach einem ganzen Tag Konferenzdolmetschen. Der Grund ist rasch erklärt: Ich bin die ganze Zeit stand by, stehe unter Strom, lausche in alle Richtungen. So dass ich das Team immer wieder mit meinem Informationsvorsprung überrasche ...

Als kurz vor Aufführung noch die Bühne nachgepinselt wird, das Schwarz ist stellenweise schadhaft, sehen wir das vom Monitor der Maske aus.
Alle meinen, die Bretter, die die Welt bedeuten, würden noch einmal rasch gefegt, ich aber hatte am Rande mit­be­kom­men, dass es Ärger gab wegen einiger schadhafter Stellen (und das nicht verdolmetscht).

Dass da wirklich Farbe im Spiel war — und zwar bis fünf Minuten vor der Aufführung — haben wir dann vor Ort selbst gesehen. Denn als wir über eine Seitentür wieder in den Foyer- und Garderobenbereich gelangen, es ist dreizehn Minuten vor Aufführungsbeginn, staut sich hier schon das Publikum. Der Abenddienst wird angehalten, die Zuschauer erst auf den letzten Moment "ins Haus" einzulassen, und wir haben noch acht Minuten für ein Interview mit Claus Peymann, die Bühnenarbeiter mit ihren Malerpinseln im Nacken. Der Meister selbst ist besorgt, dass wir keine Farbe an die Jacken kriegen.

Dann strömt das Publikum herein ...


Manchmal dolmetsche ich auch bei Theaterproben oder -aufführungen, siehe: hier!
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Fotos: C.E.

Freitag, 15. Mai 2009

Statusmeldung

Willkommen beim Blog einer Übersetzerin und Dolmetscherin. Hier schreibe ich fast täglich über die Besonderheiten unseres Berufsalltags — oder aber ich bin auf Reisen.

Vom 15.-22.05.2009 bin ich in Cannes — à Cannes du 15 au 22 mai !
Das Büro ist besetzt — les bureaux sont occupés.

Dieses Jahr war "minus dreißig Prozent" das Schlagwort: weniger Filme, weniger Gäste, weniger Publikum. Zum Glück sagt Quantität nichts über Qualität aus.



Letztes Jahr war Cannes so: hier klicken.
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Foto: C.E.

Sonntag, 10. Mai 2009

Arbeitsmaterial

Eine Crux vieler Aufträge ist, dass wir zu spät Material zur Vorbereitung erhalten - oder gar nicht. Dabei ist es von größter Wichtigkeit, lesen wir uns doch in das ein, was für den Kunden selbstverständlich ist: Fachvokabular und stehende Redewendungen, Hintergründe und individuelle Sprechstile. Wir lesen, lernen und denken uns ein - damit wir diese adäquat wiedergeben können, in der Zielsprache soll es eben so klingen wie in der Ausgangssprache.

Regelmäßig kommt es daher vor, dass wir auf alte Materialien zurückgreifen, um uns vorzubereiten. Zum ersten Mal hatte ich jetzt das Erlebnis, dass ich nach zwanzig Jahren auf Dokumente aus meinem Archiv zurückgreifen konnte, die authentisch sind. Denn wir drehen in Babelsberg fürs französische Fernsehen ...
Das frühere Filmorchester der DEFA heißt heute Deutsches Filmorchester Babelsberg, es ist das einzige professionelle Orchester für Filmmusik in Deutschland. Was uns interessierte: es ist vor kurzem an seine neue alte Adresse im Herzen des Filmstudios in Potsdam-Babelsberg zurückgekehrt, und zwar in ein Gebäude, das zu Beginn der Tonfilmära für den Klangkörper gebaut wurde. Die Gespräche über die Entwicklung des Orchesters waren faszinierend. Die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre lässt sich auch an der Technik ablesen.

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(C) Ada & Zylla Film / Génération Vidéo

Samstag, 9. Mai 2009

Sonntägliches Küchenkorrektorat

... Worte gibt's, die kennt nicht mal Google. Jetzt aber ...

Mittwoch, 6. Mai 2009

Raumgreifend

Wir sind in den ersten Minuten der Veranstaltung, der Direktor hat Redner und Moderatorin vorgestellt, da macht es das erste Mal "rumms!" Kurz darauf wieder: "rumms!", von da an alle paar Minuten, bei einem Redner sogar im Fünf-Sekunden-Abstand.

Der Schlag geht uns direkt ins Ohr. Im Saal ist er auch hörbar, als "plopp!" auf den Lautsprechern. Da wir direkt auf die Lauscher kriegen, was auf dem Podium geschieht, und das ist ja auch gut so, haben wir sie nicht nur simultan, sondern verstärkt: Die Gesten eines der Redner. Er spricht über große Themen und macht große Gesten, die Arme führt er vor dem Körper entlang, zum Teil in kreisförmigen Bewegungen, zum Teil als auf und ab: es sieht aus, als wolle er mal schwimmen, mal pumpen. In Zusammenhang mit Wasser mögen diese Gesten angebracht sein, hier unterstützen sie wirkungsvoll die Rede - und sorgen in der Kabine für Ohrenfolter! Autsch! Und dennoch müssen wir genau hinhören, denn nach jedem intensiveren Kontakt mit dem Ansteckmikrofon (le micro cravate) sackt die Dynamik runter, wird das Gesagte für Sekunden schwerer verständlich. Und da reicht manchmal das Geschubbere, das durch die Bewegungen entsteht, der Wind, gar nicht zu sprechen von den 'touchés'.

Was tun? Hinhören, sich konzentrieren, hoffen, dass einer der Veranstalter was sagt. Da die "plopps!" im Saale mitunter auch das Nachfolgende fürs Publikum ins akustische Loch fallen lässt, sollte es nur eine Frage von Minuten sein ... oder doch rauslaufen? Intervenieren? Den Ablauf stören?

Dolmetschernöte ...

Dienstag, 5. Mai 2009

Dolmetscher für die EU

Das ZDF-Morgenmagazin hat heute einen Beitrag über Dolmetscher der EU veröffentlicht, hier der Link:
"europa konkret": Parlez You Europäisch?

Freitag, 1. Mai 2009

Das liebe Geld ...

Viele potentielle Kunden erkundigen sich oft zu Beginn des Gesprächs nach der Preisliste. Eine solche haben viele Dolmetscher und Übersetzer nicht. Die Preise schwanken - je nach Thema, Aufwand und Technik. Aber auch der Finanzierungsstatus des Auftraggebers kann den Preis beeinflussen.

Beispiel: Einen Dolmetscheinsatz zu mir vertrauten Filmthemen (Geschichte, Produktion, Marketing) oder Urbanismus, Innenarchitektur, Bildungsplanung, Stadt- und Kunstgeschichte oder ähnliches kann ich sehr viel günstiger anbieten, als wenn ich Inhalte übertragen soll, in die ich mich erst einlesen muss. Das gilt aber nur für unterfinanzierte Projekte. Dabei zähle ich auf die Ehrlichkeit meiner Kunden - und bin damit bislang gut gefahren. Im besten Falle wachse ich mit meinen Kunden - so kam ich jedenfalls zu meinen Spezialgebieten.

Als Faustregel mag gelten: Die einzelne Arbeitsstunde eines geisteswissenschaftlichen Akademikers ist 60 Euro und mehr wert. Im Durchschnitt brauche ich für jede netto geleistete Arbeitsstunde eine Stunde Vor- und Nachbereitung. Hier hinkt wieder mal die Praxis der Theorie hinterher: Ein Durchschnitt bildet eben nicht den Einzelfall ab, in dem ich mich auf den einstündigen Einsatz in der Politik auch schon mal drei ganze Tage lang vorbereite. Aber mit um die 120 Euro die Stunde und der Grundinfo im Hinterkopf, dass in der Regel keine Einzelstunden buchbar sind, weil sie selten der Vorbereitung entsprechen, können Sie vielleicht weiterrechnen.

So schwanken die Preise enorm, denn keine Regel ohne Ausnahme: Zwischen einer Flasche Rotwein fürs Dolmetschen beim Standesamt für zwei Filmleute aus dem erweiterten Bekanntenkreis - obwohl hier alles, alles, alles mit Filmfachjargon durchsetzt war - bis zu 1100 Euro für eine Verhandlung im Ministerium ist in der Tat viel Spielraum. In beiden Fällen betrug die Nettoarbeitszeit jeweils eine Stunde. So viel zu Durchschnitten.

Angesichts der Krise möchte ich Sie noch eins bitten: Fragen Sie beim Buchen von Dolmetschern und Übersetzern immer nach der Vorerfahrung. Es ist kein Wunder, dass derzeit jedes zweite Drehbuch, das bei uns zum Bearbeiten ankommt, eine bereits übersetzte, nicht verwendbare Fassung ist. Was als Problemsituation nicht unterschätzt werden darf, denn in vielen Fällen ist die Überarbeitung genauso aufwändig wie eine komplette Neuübersetzung. Und so teuer ...

Tag der Arbeit

Ein erster Mai mit Sonnenschein, da zieht es auch mich nach draußen. Indes: Ich hab Stubenarrest. Vor den Filmfestspielen in Cannes schlagen bei uns die Drehbücher, Treatments und Flyer kiloweise auf. Akkordarbeit ist angesagt, auch so kann der Tag der Arbeit begangen werden.

Ärgerlich ist das schon mit dem ungünstig verteilten "workload". Da hatte ich etliche Wochen Zeit für Recherchen zur Doktorarbeit, die ich in arbeitsfreien Wochen vorantreibe, leistete mir die Mitarbeit an einem Dokumentarfilm, den ich koproduziere, denn er ist unterfinanziert: Mein Produktionsanteil ist der Wert der unbezahlten Arbeit. Und dann eben kommen diese Anfragen in Serie herein und für rasche Bearbeitung, zum Glück Einzelwerke und fürs Kino.

Was nicht so glücklich ist: Die Qualität manchen Opus'. Mit den Jahren ging sehr viel durch meine Hände, und die Finger sperren sich jetzt manchmal, wenn ich Sätze und Dialoge übersetzen soll, die schlicht und einfach nicht gut sind. Demnächst werde ich bei weniger guten Drehbücher den doppelten Preis verlangen — als Schmerzensgeld.

Zwischendurch geht's raus ans Wasser ...
... und fürs Abendessen lege ich den Laptop mal kurz beiseite. Bon appétit !