Christophe nimmt so manches nicht ernst, sich selbst offenbar auch nicht. Vor dem Film hatte er zum Kinopublikum gesagt: "Denken Sie sich schon mal ein paar gute Fragen aus für nachher, ich überlege so lange, mit welchen Dummheiten ich darauf antworten kann."
Jetzt ist der Film zu Ende, wir stehen vor der Leinwand, er erzählt, findet keinen Punkt und eine Pause für die Dolmetscherin erst recht nicht, schlägt Wort- und Satzkapriolen, verbindet augenzwinkernd die Bereiche Kunst, Politik, selbstbestimmtes Leben, kommt von der Anekdote zum Allgemeinen und plötzlich sagt er: "Und da wir hier ja nicht weit entfernt von der Kantstraße sind ..." - und zitiert den Philosophen. Am Ende haut er noch ein, zwei Verse von Brecht raus. Und als ich endlich mit Dolmetschen dran bin, macht er große Augen, dass ich da doch hinterherkomme, bietet sich als Junge an, der die Seiten umblättert, fotografiert mich bei meinem Mikro-Stift-Stenoblock-Jonglieren (mitunter darf das Knie als Tischersatz herhalten, das ich übergeschlagen ein klein wenig in der Luft halte).
Selbst meine Notizen mit den Kürzeln haben's ihm angetan. Er denkt laut darüber nach, wie er es anstellen wird, mir eine Seite davon abzuluchsen, die er dann teuer an die Filmzeitschrift Cahiers du Cinéma verkaufen will. Kurz: Er tut alles, um mich zum Lachen zu bringen oder aus dem Konzept. Was aufs Gleiche hinausläuft. Einmal kann ich prompt die letzten Kürzel auf der Seite nicht lesen, ein anderes Mal hat er zu weit zurückgeblättert und ich erkenne die zu dolmetschende Passage nicht.
Christophe ist Regisseur, sein Film lief im zweiten Teil des Abendprogramms der französischen Filmwoche von Berlin, er darf das. Trotz seiner nicht mehr ganz so jugendlichen Jahre hat der Mittvierziger sich etwas Schelmenhaftes bewahrt, das dem Publikum hilft, sich auf die nicht immer leichten Worte einzulassen, die seinen durchaus pessimistischen Film begleiten.
Das Publikum freut sich über den Schabernack, ich freu' mich über die Abwechslung von der Routine, ja, Sie haben richtig gelesen, für mich sind Konsekutiveinsätze auf Festivals inzwischen Routine, lampenfieberfrei. Und die Fotos werde ich hier posten, sobald er sie mir geschickt hat. Das ist versprochene Sache.
Nur mein Heft blieb zum Glück unversehrt. Eine Schriftprobe bekam er dennoch. Mit Autogramm.
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