Ein kleiner flash worward: Die letzten Schriftzeilen des Abspanns verschwinden oben im Cache der Leinwand, das Saallicht geht langsam wieder an. Die Augen des Publikums sind noch nicht wieder an die Helligkeit gewöhnt, da kommt der Regisseur oder die Regisseurin des Films nach vorne und stellt sich dem Filmgespräch. An seiner Seite die Dolmetschern.
In gut zwei Wochen stehe ich wieder mit da vorn im Berliner Cinéma Paris. Und merke mir, was der/die Filmemacher/in aus Frankreich zu erzählen weiß, um es dann anschließend auf Deutsch wiederzugeben. Konsekutives Dolmetschen, so heißt diese Dolmetschart, setzt ein gutes Gedächtnis voraus.
Das sich schulen lässt. Mnemotechnik werden die Methoden genannt, mit denen auch wir Dolmetscher arbeiten. Das Wort kommt aus dem Griechischen, von mnémē und téchnē („Erinnerung“ und „Kunst“).
Den Strom der Worte verwende ich unterschiedlich. Ich schreibe mit: Stichworte, Eigennamen, Kürzel, Verben, ziehe Linien, wenn ein neuer Abschnitt beginnt, streiche durch, was schon gedolmetscht ist. Manche Kolleginnen und Kollegen haben aufgrund bestehender Systeme ihre eigene Symbolschrift entwickelt, das sieht zum Beispiel so aus:
Quelle und Auflösung hier: http://www.language-professionals.de/notizentechnik.htm
Dabei gibt es etliche Zeichen, die viele alle 'draufhaben: ' stellt gegensätzliche Meinungen oder Kontrahenten dar, eindeutige (zumeist sächliche) Gegensätze aber das: <->, (before) bedeutet 'zuvor', symbolisiert als rauchender Schlot ist die Industrie,, klar, bedeutet Zustimmung, ist das Land hier, beides zusammen,, ist schon wieder viel zu kompliziert, um als Kürzel für das Wort Dokumentarfilm zu taugen ...
Auf meinen Zetteln steht immer mehr Text als bei dem Beispiel oben. Vor allem aber visualisiere ich das Gehörte. Vor meinem inneren Auge sehe ich dann, was ich gleich nacherzählen werde. Ich sehe Gegenstände, die an einem Weg liegen. Ich setze Schlaglichter drauf, sie geraten in Bewegung. Meist handelt es sich ohnehin um Menschen, sie werden aktiv, ich verknüpfe ihr Aussehen optisch (wie, als handele es sich um zwei Fotografien) mit dem Bildeindruck des dazugehörigen Nomens. Manche Aufzählungen in ihrer Abfolge sortiere ich (für das Publikum kaum zu bemerken) ein klein wenig neu; hier kommen die Gesetze der Logik zum Tragen. Denn Inhalte in klarer, eindeutiger Abfolge präsentiert, bleiben einfach besser im Gedächtnis haften.
Wird der Gast emotional, verknüpfe ich ganz unbewusst das Gesagte mit diesen Emotionen. Mache später, wenn ich ihm oder ihr auf der Sprachspur folge, an genau denselben Stellen eine Pause, werde ebenso leiser oder eine Spur lauter. Oder ich wiederhole - oft sogar, ohne es selbst zu merken - dieselbe Geste.
Kurz: Mein Gedächtnis arbeitet akustisch (die Grundlage alles Weiteren), motorisch (der Gedankenweg), visuell (die Bilder, "Fotos" auch von Worten), emotional (Festmachen des Gesagten an Gefühlen) und logisch (Straffung und Ordnung mancher Aufzählung).
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