Mittwoch, 16. Februar 2022

COVIDiary (482)

Hal­lo! Sie sind auf den Sei­ten ei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs ge­lan­det. Hier kön­nen Sie Mo­men­te aus dem Be­rufs­all­tag mei­ner Bran­che le­sen und mit­er­le­ben, wie Dol­met­scher tic­ken (und Dol­met­sche­rin­nen). Mei­ne Spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und na­tür­lich auch Deutsch, mei­ne Mut­ter­spra­che.

Im Fe­bru­ar steppt in Ber­lin der Ber­li­na­le­bär, und das macht er so­gar jetzt, im zwei­ten Co­ro­na­win­ter. Et­li­che nö­tigt in­des der Vi­rus zum Zu­hau­se­blei­ben. Und dann ge­schieht als Er­geb­nis ei­ner Ver­ket­tung, was nicht hät­te ge­sche­hen dürf­en: Die au­to­ma­ti­sche Un­ter­ti­te­lung der Dank­re­de ei­ner Preis­trä­ge­rin wird hoch­of­fi­zell ver­hunzt.

Die nicht exis­ten­te Rei­he "Sa­chen zum La­chen" setze ich hier­mit fort, denn Hu­mor ist die ein­zig mög­li­che Art der Not­wehr. Stich­wort: Pein­lich­kei­ten bei der "Ent­men­schli­chung" der Kul­tur. Fach­leu­te wie wir wur­den im Vor­feld nicht ge­fragt.

1. Akt: Die Ber­li­na­le schafft die meis­ten Dol­met­scher:innen ab.
2. Akt: Alle müs­sen Eng­lisch spre­chen (ich schrei­be hier seit Jah­ren dar­über).
3. Akt: Die For­de­rung, die Teil­nah­me bar­rie­re­frei zu ma­chen, wird dem gro­ßen, über­mäch­ti­gen und in je­der Si­tua­ti­on sieg­mäch­ti­gen Kol­le­gen KI über­ge­ben.

"festival brings soap this year more than ever"
Saubere Leistung, KI!

Le­sen, wun­dern, noch­mal le­sen. Für die nicht so Ci­ne­phi­len: Je­ne, die da spricht, ist Isa­bel­le Hup­pert, be­kam ges­tern den Gol­de­nen Bä­ren für ihr Le­bens­werk über­reicht, on­line, we­gen Co­ro­na.

Kurz sei da­ran er­in­nert, dass Fran­zo­sen es nicht so mit dem Buch­sta­ben "H" ha­ben und dass sie die Ver­ben stär­ker ver­än­dern als es Eng­lisch­spra­chi­ge ma­chen. Dann bit­te noch­mal le­sen, bei Be­darf laut.

Mein Kom­men­tar ist kein Kom­men­tar oder ma­xi­mal mein Ge­sicht:
😳 😮 🤐 😷 😶 🤭 🙄 😬 🤕 🤧 😒 😢 😐 😁 😆 😅 😂 🤣

Und ja, wir dür­fen froh sein, dass wir di­gi­ta­le Über­tra­gung nut­zen kön­nen und nicht ganz ver­ein­sa­men in die­sen Ta­gen. Die Lau­da­tio von Lars Eidin­ger auf Isa­bel­le Hup­pert fand ich sehr be­ein­dru­ckend und die Ab­schluss­wor­te der zu­recht Ge­fei­er­ten ka­men gut rü­ber:

Cinema makes us feel better makes us happy by Isabelle HUPPERT
Schlussstatement

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Illustrationen:
Berlinale, Emojis

Sonntag, 13. Februar 2022

COVIDiary (481)

Was und wie Kon­fe­renz­dol­metscher und Übersetzer (und Dolmetsche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen) arbeiten, darüber berichte ich auf diesen Blogseiten. 2007 wur­de auf der Berlinale dieser Weblog geboren.

Fünf vor Film
"Im Kino gewesen. Geweint." Was Franz Kaf­ka im letzten Jahr­hundert in sein Tage­buch schrieb, kam mir heute in den Sinn. Ich war in zwei Festival­kinos, darunter auch in der zweiten Ta­ges­hälf­te am Potsdamer Platz.

"Im Ber­li­na­le­kino gewesen. Geweint." Kurz vor Vor­füh­rungs­beginn bin ich im Festival­palast in die 5. Etage gegan­gen, um run­ter­zu­schauen: er­schreckend lee­re Ränge. Es wurde zum Glück noch ein wenig voller. Aber es bleiben viel zu vie­le freie Plätze, und das am ersten Fes­tival­sonn­tag.
Auch sonst waren et­li­che Orte ge­ra­de­zu ge­spens­tisch leer, leerer als üb­licher­weise am letzten Festivaltag für Profi­be­sucher. Es seien nur 1.600 statt 3.600 Jour­nalist:innen akkre­ditiert, war zu hö­ren. 

Gut, mor­gens, bei den Pres­se­vor­füh­rungen, ist da viel­leicht trotz­dem mehr los. Und ja, der Film­ver­leiher meines Vertrau­ens nimmt das Fes­tival von sei­nem Ar­beits­zim­mer aus wahr, denn der Markt fin­det aus­schließ­lich virtuell statt. An­dere sind wegen der Omikron-Va­rian­te zuhause ge­blie­ben.

Hinweisschild für Ticketkauf
Vor dem Palast
@Berlinale, #Finanzen: Vor der Pan­de­mie kos­tete ein Last-Minute-Ticket fürs Fes­ti­val­kino fünf Euro, wenn ich mich rich­tig er­in­nere. In den Zei­ten des kon­takt­losen Ver­kaufs müs­sen die Men­schen ein Smart­phone ha­ben, um online ein Ticket zu er­wer­ben, für das dann auch kurz vor Veran­stal­tungs­be­ginn noch 16 Euro auf­ge­ru­fen wer­den, ob­wohl hier kei­ner­lei zusätz­liche Per­so­nal­kosten anfal­len. Was ich da im Vor­bei­ren­nen ge­merkt ha­be (und was die meisten Profi­besu­cher nicht wahr­neh­men), ist in mehr­facher Hin­sicht aso­zial und ziemt sich ein­fach nicht für ein Fes­tival, das über­wiegend von öffentlichen Geldern fi­nan­ziert wird. Und hey, Ihr hat­tet jetzt zwei Jah­re Zeit, um so­zial­ver­träg­liche und bar­rie­re­freie Lö­sun­gen zu |su­chen| finden.

Ich habe zwei Filme ge­se­hen, die mich beide sehr berührt ha­ben und ich bin dem Festival­team dank­bar für die Zu­ord­nungen zu den je­wei­li­gen Sektionen. Dazu später in der Woche mehr.

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Fotos: C.E.

Montag, 7. Februar 2022

COVIDiary (477)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Der Covonavirus hat uns in die pro­fes­sio­nel­len Hubs ge­schickt, oder aber wir ar­bei­ten aus den ei­ge­nen Arbeits­zim­mern heraus. Was nicht im­mer ein­fach ist, denn es gibt ja Nachbarn.

Denoise-Kopfhörer, Kerzenständer, großer Buchstabe "E" auf einem Sekretär
Alte und neue Hilfsmittel

Ein Denoise-Kopf­hö­rer wäre nicht ge­nug, denn mein Output ist ja ent­schei­dend. Es ist laut in unserem Alt­bau. Ich wan­de­re von Raum zu Raum, un­frei­wil­li­ge Mi­gra­tio­nen. Die Nach­barjungs stür­men gerne durch das Trep­pen­haus. Es sind zwei ent­zücken­de Kerl­chen im Grund­schul­al­ter, und sie klin­gen wie ein halbes Dutzend wohlgenährte Teen­ager. Ich grin­se jedes Mal, wenn ich in der Küche bin: Wir wa­ren exakt ge­nau­so. Ich ziehe die Au­gen­brau­en zu­sam­men, wenn ich im Raum bin, das heute als Büro dient: Hier war früher mal das Wohn­zimmer, da hät­ten dann die Gläser in der Vi­tri­ne ge­wackelt. Ich höre sie wieder. Mir fällt das Ad­jek­tiv ele­fan­tös an. Nach­wuchs­ele­fan­tös. Im­mer wie­der kön­nen Nach­bars­kin­der aus Pan­de­mie­grün­den nicht in die Schu­le ge­hen.

Die Sprecherbox, die einfache Lösung vom An­fang der Pande­mie, hat nicht genü­gend Lärm ge­dämpft. Des­halb wa­ren und sind weitere Vor­keh­rungen nötig. Die mit einer besser isolierten Dol­metschbox gewähl­ten Lösungen stoßen lei­der auch hier an ihre Grenzen — so, wie es eine pro­fes­sio­nel­le Dol­met­scher­ka­bine auch würde.

Denn die Renovierungsarbeiten der Nachbarn sind mal mehr, mal weniger laut. Vor Bo­den­ab­schliff und Regal­montage war ich im Janu­ar in ein Hotel geflüch­tet.

In der Pande­mie wurden die Ab­stände zwi­schen den Markt­stän­den vergrößert, der Wo­chen­markt, diens­tags und frei­tags, en­det jetzt knapp vor unserer Haustür. Ein stun­den­langes Flöten­kon­zert vor dem Fens­ter an Markt­tagen ist zwar schön, die Kul­tur ver­la­gert sich in Er­man­ge­lung vieler Kon­zer­te in den öf­fent­li­chen Raum, aber auch nicht unbedingt die pas­sende Be­gleit­musik für meine On­line-Ar­beit. Kurz: So­lo-Selb­stän­di­ge, die ihre pan­de­mie­kon­formen Arbeits­plätze suchen, im Wett­be­werb mit anderen Solo-Selb­stän­di­gen um die akus­ti­sche Luft­hoheit.

De­mons­tra­tio­nen auf der Haupt­ver­kehrs­straße, die zu Stau in unserer Ne­ben­stra­ße füh­ren, brin­gen au­ßer­halb der Markt­zeit Hup­kon­zerte direkt vor der Haus­tür mit sich. Dann sitzt die Dol­met­scherin im On­line-Home-Of­fice im Klei­der­schrank, weil hier die akus­ti­sche La­ge am bes­ten ist. In der Hoffnung, dass die Ele­fan­ten­ba­bies nicht im Hof an­fan­gen zu toben. Denn das Schlaf­zimmer­fens­ter hat (noch) keine Vor­hänge aus ge­räusch­min­dern­dem Stoff, wie sie in Ton­stu­dios ge­nutzt werden.

Ich kann ja mal schau­en, wo die zu wel­chem Preis zu bekom­men sind. Wenn die Pan­de­mie noch lan­ge dauert, ist meine ganze Woh­nung sound­proof, schall­dicht. Und in die Dol­metsch­box muss ich auch weiter in­ves­tie­ren.

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Foto:
C.E.

Mittwoch, 2. Februar 2022

COVIDiary (474)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, na­tür­lich auch die ":innen" im Be­ruf, also wie wir ar­beiten, ist hier seit 2007 Gegen­stand in Form kur­zer Epi­soden. Der Winter 19/20 hat unser Le­ben ver­ändert; das wirkt sich auch auf die Wahr­neh­mung aus.

Wie uns die Zeiten prägen: Aus den Au­gen­winkeln sehe ich Vor­bei­ei­len ein Wer­be­pla­kat mit Mann drauf, fourty some­thing, irgend­was in den Vier­zigern, in der un­te­ren Ge­sichts­hälf­te dunkel. Ich erkenne eindeu­tig eine schwar­ze Mas­ke, auch FFP2 oder Mund­na­sen­schutz genannt. Auf den zwei­ten Blick ist es allerdings ein groß­zü­gig be­mes­sener Hips­ter­bart. (Vor Aus­bruch der Pan­de­mie wäre ver­mut­lich der erste kur­ze Schreckens­ein­druck ein mus­li­mi­scher Fun­da­men­ta­list gewesen.)

Als Zeugin bin ich übrigens nur be­dingt taug­lich, hier­mit ins Pro­to­koll.

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Foto:
wird ggf. nachgereicht, ich muss
da ernst nochmal vorbei.

Dienstag, 1. Februar 2022

COVIDiary (473)

Herzlich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was wir Sprach­ar­bei­te­r:in­nen ma­chen, wie wir ar­bei­ten und leben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Der Co­ro­na­vi­rus hat aus dem Ar­beits­ta­ge­buch mein COVIDiary ge­macht. Ne­ben den Spra­chen liebe ich Kino und Fo­to­gra­fie.

Es nervt und nervt weiter. Ich meine die Pan­demie und nichts als die Pan­demie. Ich bin trotz­dem froh und dank­bar und be­scheiden. Ich meine meine Kun­den aus der In­dus­trie.

Alter Seifen­spender (aufs Parkett gelegt)
Lerne neue Vo­ka­beln, die sich al­le­samt ge­waschen haben, die ich einer Überset­zung ent­neh­me für einen be­vor­ste­hen­den kurzen Dol­metsch­ei­nsatz, und ich wie­der­hole alte: Film­vo­kabu­lar arbeite ich für ei­ni­ge lie­be Kol­leg:innen auf, denn die Inter­views am Rande der Berlinale fin­den, Stand heute, nur noch auf Eng­lisch statt, und in­s Eng­li­sche dolmet­sche ich bei dieser hoch tech­ni­schen-hoch künstleri­schen Thema­tik (noch) nicht.

Dann hoff­e ich mal, dass die deutschen Pres­se­ver­tre­ter:in­nen damit am Ende zu­frie­den sind. Die Berlinale als in­ter­na­tio­na­les Event wendet sich an die inter­na­tio­na­le Presse, na­tür­lich, auch wenn nicht al­le der welt­bes­ten Film­kri­ti­ker mit der Spra­che Shakes­peares per Du sind.

Neu­lich hab ich das so zu­sam­men­gefasst: In der Zeit, in der alles auf Eng­lisch statt­fin­det sowie in der Pan­de­mie habe ich von der ana­mor­pho­ti­schen Vor­satz­linse zum groß­kü­chen­taug­li­chen Kipp­koch­­kes­sel ge­wech­selt, was die Be­griffs­welt an­geht.

Vokabelnotiz
Rei­ni­gungs­mittel — produit, produit de nettoyage, détergent
Gebin­de [WS] — emballage, récipient, colis
Ar­matur — robinetterie
Do­sier­spender — distributeur-doseur
Seifen­spender —distributeur de savon

Es geht um Des­infektions- und Sei­fen­spen­der in der Schule. Ich darf an die alten Flüssigseifengläser denken, aus trans­pa­rentem oder weißem Glas, und an die Seifenstücke an der Stange, die bis vor nicht all­zu­lan­ger Zeit in jedem Schul- und Hoch­schul­klo anzutreffen waren. (Es gibt diese Dinge üb­rigens jetzt wieder, al­ler­dings mit dem Label "Vintage".)

Als je­mand, die be­müht ist, den eigenen Müll zu re­du­zieren, wi­der­strebt mir hier die ganze Plastik-Ma­terial­schlacht. Dass die Flüs­sig­seife im Schlauch kommt und dann auf die Plastik-Sei­fen­spen­der verteilt wird, wäh­rend das Schlauchplastik am Ende zum Ein­schmel­zen zu­rück­ge­ge­ben wird, tröstet ein we­nig. (Wenn's denn stimmt. Müll­ver­bren­nung wird oft genug als "ther­mi­sches Recycling" klas­si­fi­ziert.)

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Foto: Archiv