Dienstag, 12. Juni 2018

Gute, faire Arbeit

Will­­kom­­men auf den Sei­ten mei­­nes digi­talen Arbeits­­ta­­gebuchs. Hier dreht sich alles um Spra­­chen, Kul­­turen und das Ver­­mit­teln zwi­schen den­­selben. Mein Dol­met­­scher­­be­­ruf besteht aus mehr als aus münd­li­chem Übertragen, ich muss mei­ne Kun­den gut ken­nen­ler­nen, um ihre Worte richtig interpre­tieren zu können. Das setze ich immer wieder ins Verhält­nis mit der Welt­po­litik, für die ich auch dol­met­sche.

Draufsicht: Tasse, Teller, Kaffee, Aprikosenmarmelade
One orange dot
Neu­lich kamen wir am Rande einer zwei­tä­gi­gen Kon­fe­renz außer­halb der Stadt ins Ge­spräch, wir Dol­met­scher und etliche Teil­neh­mer, die un­ter 40 waren. Jene nannten sich ausnahmslos selbst Post­ma­te­rialis­ten, wollten gar keine bril­lante Karriere ma­chen, sondern genug Geld für sich und Kin­der ver­dienen, vor allem genug Zeit fürs Pri­vate haben.

Das ist ver­gli­chen mit den Vor­gän­ger­ge­ne­ra­tio­nen ein echter Pa­ra­dig­men­wechsel, den viele Perso­nal­chefs be­stä­tigen, die ihre Ar­beits­platz­an­gebote de­ment­spre­chend ausrichten müssen, wenn sie über­haupt noch Per­sonal finden möchten.

Kurz: Diese Ge­ne­ration wünscht mehr Zeit fürs We­sent­li­che, Bil­dung und Selbst­bil­dung, we­niger Kon­sum"ge­lum­pe", ins­ge­samt weniger Konsum­güter, dafür von bes­ter Qua­li­tät; sie wird selbst aktiv, nutzt Fahr­räder, Bahn, Re­pair Cafés, in de­nen Sa­chen selbst wieder her­ge­rich­tet werden können; außer­dem standen En­ga­ge­ment in den Be­rei­chen Umweltschutz, Zi­vil­ge­sell­schaft und Kultur bei al­len Ge­sprächs­part­nern hoch im Kurs.

Ebenso fiel mir eine hohe Acht­sam­keit (auf Neudeutsch Awareness) auf, was die Un­ge­rech­tig­kei­ten dieser Welt angeht. "Gut, fair und oh­ne Kin­der­ar­beit her­ge­stellt" ist als Label noch un­terschätzt. Wobei sich im glei­­chen Atem­zug alle auch gegen "Green­wa­shing" und "Fair­wa­shing" geäußert haben, al­les Begriffe, die auf dem Wort "Rein­wa­schen" fußen.

Heute ist der "Tag gegen Kinder­arbeit", mein Lese- oder Hör­tip führt zum DLF und zu einem Beitrag von Dietrich Karl Mäurer (aus der heu­ti­gen Sendung "Um­welt und Ver­brau­cher").

Ebenso im Deutschlandfunk, allerdings in der Sendung "Corso": Ein Gespräch mit Ku­ra­to­rin Angelika Kaiser-Lahme über die Ausstellung "Tradition Raiffeisen: Wirt­schaft neu Denken" und die Ge­nos­sen­schafts­idee, die seit zwei Jahren sogar UNESCO-Welt­kul­tur­er­be ist. Im Interview werden auch Themen wie Ge­mein­wohl­öko­no­mie und "Commons" gestreift, die Wie­der­ent­deckung der All­mende. Das geht alles in die­sel­be Rich­tung wie die Gespräche am Rand des Kongresses. Hier noch der Link zur Ausstellung auf der Festung Eh­ren­breit­stein.

Jetzt brauche ich nur noch einen Dolmetsch­ein­satz in Koblenz plus einen Tag dort extra. Für uns Übersetzer und Dolmetscher bedeutet faire Arbeit übrigens, dass niemand, der nicht direkt an der Arbeit beteiligt ist, (über Gebühr) mitverdient. Die Discounter unserer Branche sind die Agenturen mit klingenden Namen, die am bes­ten noch in jeder Stadt ihre Franchise-Niederlassung haben. Sie treten wie Mak­ler auf, haben mit der Spracharbeit oft nichts zu tun. Hier wandert ein großer Anteil des vom Kunden gezahlten Honorars in Werbung und die Anmietung re­prä­sen­ta­ti­ver Büroräume.
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Draufsicht: Möhren, Mörser, schwarzer Pfeffer
Many black dots
Der Premiummarkt sind Frei­be­ruf­ler, unabhängige Dol­met­scher, die oft in in­for­mel­len Netzwerken zu­sam­men­ge­schlos­sen sind.

(Ach­tung, man­che Agen­tu­ren treten inzwi­schen im Gewand von Netz­wer­ken auf. Nach­fra­gen hilft, der Grad der Trans­pa­renz ist ent­schei­dend, der sich übri­gens auch in Ver­trä­gen fest­legen lässt.)

Nur eines ist sicher, bezahlte Kinderarbeit gibt es in der Sprachbranche nicht, nur oft Kinder aus der Migration, die für ihre eigenen Eltern "übertragen" müssen. Das aber ist ein anderes Thema.

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Fotos: Küchenserie, C.E.

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