Samstag, 21. Januar 2017

Trumpish (I)

Bonjour, hello, guten Tag. Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin (DE und FR). Englisch ist nur die Ausgangssprache, die sogenannte passive Sprache — und das auch nicht in allen Themen, die ich als Dolmetscherin sonst bediene. Trotz­dem und gerade deshalb verfolge ich die aktuelle Politik aufmerksam, und wenn auch nur als mitfühlende Kollegin.

Das Unvorstellbare ist passiert, der Bewohner der Dachwohnung des New Yorker Trump-Towers wurde als US-amerikanischer Präsident vereidigt. Er hat den Kol­le­gen aus der Englischfraktion bereits wiederholt Kopfschmerzen bereitet. Besserung ist nicht in Sicht.

America's First Macho müsste dieses böse Sprichtwort gefallen: "Eine Übersetzung ist wie eine Frau. Entweder sie ist schön, dann ist sie nicht treu. Oder aber sie ist treu, dann ist sie nicht schön." Er selbst liefert täglich Beweise dafür — und das Dilemma be­trifft jetzt auch die Dolmetschkollegen. Das ist in diesem Umfang neu.

Eigentlich spricht der Betreffende ein schlichtes Englisch. Linguisten haben sein Sprachvermögen mit den Leistungen von Schülern verglichen: Sie bescheinigen dem mächtigsten Mann Amerikas das Niveau der 5. Klasse. (Nur G.W. Bush liegt leicht darunter.)

"Trumpish" ist trotzdem kein Zuckerschlecken. Man müsse genau hinhören, sagt denn auch Norbert Heikamp, der ihn wiederholt gedolmetscht hat, so auch bei der Amts­ein­füh­rung. Im Spiegel-Interview beschreibt der Englischkollege, was alle Dolmetscher sagen: Wie wichtig Vorbereitung ist und dass es bei gewissen Kalibern allerdings sehr tückisch wird, wenn öffentlich das Gegenteil dessen gesagt wird, was wir auf­grund unseres Informationsmaterials erwarten dürfen.

Derlei sei anstrengender als Themen wie "sensorgestützte Müllsortierung oder Fehl­be­le­gungs­ab­ga­ben in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft" zu dol­met­schen, so Heikamp. Ja, denn bei Fachtagungen "reichen" Vorbereitung plus Er­fah­rung und Routine und die übliche 180-prozentige Wachheit aus. Bei Mr. Re­pe­ti­tions ergibt sich ein überaus un­schö­nes Grundproblem abseits der Wi­der­sprü­che: Die Sprunghaftigkeit und die mi­ni­ma­len Variationen, zu denen er manchmal fähig ist ... und die eher an einen Sketch von Monty Pythons denken lassen als an echte Politik.

Hier ein Beispiel, das diesen Mustern nachempfunden ist: "Das hier ist Donald, ja ... so heißt er, es ist der beste Name der Welt ... Donald badet in Gold. Andere Namen wie Thomas oder George oder Bill sind nicht so toll ... nein, sie sind eher schlecht. Donald ist der Beste ... — Donalds Eltern wussten das. Ich danke meinen Eltern dafür ... Sie sehen jetzt zu. Sie sehen von oben zu ... Thank you. — Donald ist hier ... er ist nicht mehr jung, aber er ist reich. — Jung sein ist nicht gut ... Es ist schlecht, heute jung zu sein. — Als ich jung war, hatte ich eine Zukunft ... was für eine Zukunft! Und ich bin echt schlau. Schlau sein ist gut. Ich habe gute Gene, good stuff. Und ich habe den besten Berater Amerikas, was sage ich, der Welt. Ich bin mein eigener Berater. But okay. Die Welt ist böse, Amerika ist toll. Ich bin toll. Mein Name ist Amerika. — God bless America."

Grundsätzlich zeichnet sich Trumpish durch kurze Hauptsätze aus. DT spricht von sich mal in der ersten Person Singular, mal in der dritten Person Singular und häufig in der ersten Person Plural, in der majestätischen Wir-Form. In freier Sprache vari­­iert er oft die getroffene Aussage mehrfach, dreht in seinen Ver­stär­kungs­wie­der­ho­lun­gen allerdings gerne die Satzbestandteile um, scheint eintretende irrationale Verschiebungen nicht zu bemerken. Der auf­ge­wor­fe­ne Gedanke wird mitunter an­schlie­ßend kurz in einen anderen Kontext gestellt, der häu­fig selbstbezogen ist. Sprunghaft kehrt er dann zu früheren Inhalten zurück, liefert einige seiner knap­pen Urteile und bringt am Ende eine der aus­wen­dig­ge­lern­ten Floskeln unter.

Zum Vergleich: Andere Redner verwenden Haupt- und Nebensätze, arbeiten sich mit rhetorischen Figuren stringent an einem Hauptthema ab, verhandeln er­kenn­ba­re Nebenthemen (oder auch nicht), sie bringen Facetten in ihre Betrachtungen herein, gehen substanziell auf Sorgen oder Grenzen ein, lassen Witz oder Ironie durchscheinen. Ihre Sätze sind unterschiedlich lang, unterschiedlich konstruiert, manchmal pointiert. Gute Reden haben wiedergebbare Inhalte.

Zusammenfassend ist How to Trump wohl mehr eine verbale Tanzanleitung für kurz­at­mi­ges Getrippel, Sidekicks, Rückfallschritte, artikulierte Ge­dan­ken­stol­pe­rer und Übersprungshandlungen bis hin zum Behaupten des Gegenteils.

Das Problem für meinen Berufsstand liegt darin, dass sich Übertragungen eigentlich nicht besser lesen oder anhören dürfen als das Original, wenn wir dem Sprecher ge­recht werden möchten ... (Im Normalfall hübschen wir hier und da schon mal auf, aber im vorliegenden Fall weiß niemand, wo anzufangen und wo aufzuhören ist). Und wer hier getreulich der Vorlage folgt, liefert ein unbefriedigendes Er­geb­nis. Kurz: Das Publikum muss un­ser­einer am Ende für unprofessionell halten.

Hoffen wir, dass die Bevölkerung wach bleibt bzw. aufwacht und sich nicht ver­wir­ren lässt von diesen Worthülsen, bei denen Dichtung, Wahrheit, Wunsch­den­ken, Ab­sur­des und sonstige frei erfundene Bestandteile wild mit­ein­an­der ver­quirlt wer­den. Und wir Sprachprofis aller Bereiche, damit meine ich auch die Presse, müssen sehr wach sein und doppelte Schichten einlegen, damit die Frau und der Mann von der Straße informiert werden. Denn der Papst hat sehr klar dieser Tage fest­ge­stellt: "In Zeiten der Krise versagt das Urteilsvermögen".

Und da wir Dolmetscher uns sonst immer unserer Meinung enthalten und die Aus­nah­me nicht die Regel ist, hier meine Einschätzung: Es wird Zeit, dass das Im­peach­ment kommt. Die Atomcodes in der Hand eines Menschen, der sicher nicht nur auf mich krank wirkt, ist eine brandgefährliche Situation.


Zweiter Linktipp: Der Film "Präsident Donald Trump", Regie: Michael Kirk, USA, 2017, bis ca. Mitte Februar auf Arte+7.
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Foto: ... dazu fällt mir nichts ein ...

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