Art: Tim O'Brien #alternatefacts |
Interessant ist zu beobachten, wie Künstler von auf politische Faktenverdrehungen eingegangen sind und heute eingehen.
Denn ein Neugewählter versucht gerade, die Welt für sich passend zu machen, indem er sie anders benennt. Noch schauen alle sehr gut hin. Unsere Awareness verdanken wir Europäer sicher der Geschichte und auch der Kultur.
Schauen wir zurück und nach England, Lewis Carroll, Humpty Dumpty: "[…] Da hast du Ruhm!" "Ich weiß nicht, was du mit 'Ruhm' meinst", sagte Alice. Humpty Dumpty lächelte verächtlich. "Natürlich nicht – bis ich es dir sage. Ich meinte: Da hast du ein schönes zwingendes Argument!" "Aber 'Ruhm' heißt doch nicht 'schönes zwingendes Argument'", entgegnete Alice. "Wenn ich ein Wort verwende", erwiderte Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig, "dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes." "Die Frage ist doch", sagte Alice, "ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst". "Die Frage ist", sagte Humpty Dumpty, "wer die Macht hat – und das ist alles. […]" (Im Original: The question is," said Humpty Dumpty, "which is to be master—that's all.")
Ich denke auch an die Beobachtungen Victor Klemperers aus der Nazizeit, die er unter dem Titel "LTI" veröffentlicht hat. Klemperer, ein Philologe und Romanist aus Dresden, beschrieb und analysierte die Sprache des Dritten Reichs, Lingua Tertii Imperii, daher der geheimnisvolle Titel, aufs Genaueste. Das Buch habe ich als Teenager und junge Erwachsene regelmäßig aus dem DDR-Urlaub in mehreren Exemplaren in den Westen mitgebracht und verschenkt. Dort war es so gut wie unbekannt; im Osten wurde es eifrig gelesen, von vielen auch mit dem Subtext, die DDR-Sprache zu hinterfragen. In meiner Pariser Zeit, ab 1985, war LTI dort übrigens völlig unbekannt, was mich sehr irritiert hat. (Die Übersetzung von Elisabeth Guillot erschien erst 1996.)
In der DDR gab es für viele Dinge zwei Begriffe, den offiziellen und den inoffiziellen. Viele Menschen haben dabei gelernt, zwischen den Wörtern zu hören und zwischen den Zeilen zu lesen. Der Kultur hat das durchaus auch geholfen, und das ist jetzt nicht zynisch gemeint. Solange solche Verhaltensweisen nicht auf eine tumbe, ungebildete Masse treffen, können sie die Intelligenz steigern helfen. Hoffen wir also das Beste für die USA, wo das Buch "1984" von George Orwell gerade wieder die Bestsellerliste erreicht. Demnächst werden wissenschaftliche Forschungsergebnisse unserer Freunde aus den USA in Märchentexten versteckt.
Spannend ist auch, sich dem Sprichwortschatz und den Literaturen anderer Völker zuzuwenden. Auf Chinesisch gibt es das Sprichwort: "Auf einen Hirsch zeigen und ihn ein Pferd nennen." Oder eben Sprichwörter und Texte übersetzen. Ich wundere mich angesichts der Superreichen der Welt, deren Liste mehrheitlich von Menschen aus eben jenem Land angeführt werden, dessen oberster Machismo diesen Blogpost angeregt hat,
Sprachwissenschaftler, Journalisten, Übersetzer, Dolmetscher und die berühmte Frau sowie der Mann von der Straße: Wir müssen alle gemeinsam auf die Grundlagen unserer Sprachen aufpassen und Menschen für Lügen- und Falschnachrichten sensibilisieren. Und wir Sprachmittler müssen weiter helfen, damit die wesentlichen Werke unserer Länder reisen können. Ein weiterer Kulturschock: Auch "Nathan der Weise" wurde erst sehr spät auf Französisch bekannt, ich weiß nicht, ob es offizielle Übersetzungen vor der von François Rey gibt, diese stammt von 1991.
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Illustration: Tim O'Brien
2 Kommentare:
Es gibt eine englische Entsprechung zu "das letzte Hemd hat keine Taschen": There are no pockets in a shroud.
Ulrich Schol
Oh, wunderbar! Vielen Dank ... ich editiere gleich das Posting, so kann ich das ja nicht stehenlassen!
Viele Grüße
Caroline
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