Donnerstag, 28. Juli 2016

Lage, die

Willkommen beim Blog aus der Dolmetscherkabine für die französische Spra­che. Sie befinden sich in exakt diesem Augenblick in Berlin und teilen mit uns eine knapp zwei Quadratmeter kleine, schallisolierte Kabine.

Mitten in der Som­mer­pause eine inter­national bestückte La­ge­be­spre­chung. Etliche Beteiligte sind aus dem Urlaub zurück­gekehrt, manche genie­ßen wie ich den Som­mer in Berlin.

Das Wort "Lage" wird derzeit inflationär genutzt. Die Morgen­lage bringt der Hör­funk um acht, die Gefähr­dungs­lage durch den Zuzug so vieler Aus­länder wird er­ör­tert, die Terrorlage neulich in Mün­chen.

Der Be­griff stammt vom Militär. So, wie bereits der "Stand­ort", der seit Jahren zum aktiven Wortschatz der Öko­no­men, Politiker und Wirtschaftspolitiken gehört. Si­cher­heit steht im Mittelpunkt. In Frank­reich hat seit Jahr­zehnten das militä­rische sécurité das zivile sûreté ersetzt.

Wandbild mit Müll und "Stop War"-Schild, inmitten dessen ein schwarzer Pistolenmann
Gesehen am Stadtschlossbauzaun
Die rhetorische Bewaffnung gefällt mir gar nicht. Ebenso wenig wie das Hy­per­ven­ti­lie­ren mancher Politiker und Medien. Schlimme Dinge geschehen derzeit, darin sind sich ja wohl alle einig. Aber durch die ständigen Sprünge von Körper- zu Kopf­stim­me, das aufgeregte: "Wir wissen der­zeit auch nichts Neues", das derzeit stun­den- bis abendstundenlang gesendet wird (nach München), regt nur Trittbrettfahrer an. Wie zu beweisen war.

Deutschlandfunk gestern in den News: "Ich fürchte, was das künftig für die Flücht­lings­hilfe zu bedeuten hat, das werden wir sehen." Diesen Satz nicht zu sen­den, wäre auf das Glei­che hin­aus­ge­lau­fen.

Ich zähle zu jenen, die sich noch gut an die Fahndungsplakate der RAF in den Sieb­zi­ger Jahren erinnern und in den Jahrzehnten danach an die Attentate in Paris. Ver­gli­chen mit dem Ende des 20. Jahrhunderts haben wir es heute in Europa mit weniger Terrorismus zu tun. Es sind die Medien und die sozialen Netzwerke, die die Wahrnehmung verändern.

Ich halte es mit dem Papst. Es ist kein Krieg der Ideologien oder der Religionen, sondern ein Krieg um Interessen, um Geld, um natürliche Ressourcen.

Meine Lage ist ganz gut, Danke der Nachfrage. Irgendwie schräg gelegen in der Nacht, die rechte Schulter zieht. In der engen Kabine kann ich mich gerade mal kurz recken und strecken, dann bin ich schon wieder am Mikro.

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Illustration: Bauzaun in Mitte

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