Montag, 6. Juni 2016

FrAnglais (auf Deutsch wäre das DEnglish)

Bonjour, hello, guten Tag! Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin, stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse, über unsere Arbeitswelt.

Konferenzdolmetscher und unser Alltag: Englisch, Französisch, Deutsch ... eine der Kabinen
drei Arbeitssprachen
Mittagessen im Kongresshotel. Die Re­fe­ren­ten nehmen an mit Namens­schild­chen ver­se­hen­en Ti­schen im Séparé Platz, ein Seated /din­ner/ lunch für die Dame und die Herren; das Boden- und Ka­bi­nen­per­so­nal darf sich im Erdgeschoss am Buffet laben. Beim Es­sen der Referenten sind also keine Dolmetscher zugegen, es hät­ten sonst weitere gebucht werden müs­sen (weil wir Kon­fe­renz­dol­met­scher ja auch essen und pau­sie­ren müssen).

Einschub: Oft sitzen wir Stammpersonal doch mit dabei und lenken kurz Ge­sprä­che in Bahnen, wenn es etwas zu lenken gibt, dol­met­schen und es­sen im Wechsel. Einschubende.

Und natürlich können heute alle Englisch, perfekt und problemlos. Eigentlich sind wir Dol­met­scher inzwischen überflüssig. Immer mehr Veranstalter verzichten auch darauf.

Und dann das: Offenbar kommt es bei dieser Tischrunde zu herrlichen Miss­ver­ständ­nis­sen, unter anderem mit assumer (FR für etwas einstehen) — to assume (EN, vermuten) und eventuellement (FR, möglicherweise) — eventually (EN, letztendlich).

Beim wieder gemeinsam eingenommenen Stehkaffee herrscht jedenfalls dicke Luft. Wir Spachleute spüren das gleich, kennen die Gründe natürlich nicht und mi­schen uns auch nicht ein. Mission invisible, lautet wie immer die Parole. Und keiner der Be­tref­fen­den kommt auf die Idee, uns einzuschalten. Dann geht es erst­mal in die Arbeitsgruppen, von denen nur ein Teil verdolmetscht wird.

Der Kongress dauert insgesamt zwei Tage. Der Nachmittag des ersten Tages ist perdü. Der Zoff kostet die Teilnehmenden einen halben Tag, da ist kein pro­duk­ti­ves Arbeiten mehr drin, da geht es nur noch um Fronten- und Lagerklärung.

Bis zum Five o'clock tea dauert das Zinnobergerede. Wir Sprachleute dürfen dann am Abend aufräumen helfen, damit der zweite Kongresstag nicht auch noch von schlechter Stimmung dominiert wird.

Manchmal lohnt es sich, doch lieber ein bisschen Geld für Dolmetscher aus­zu­ge­ben, zum Beispiel für eine weitere Cabin crew für eine Arbeitsgruppe, die sich auf Englisch verständigt hat und in der der Streit dann eskaliert ist. Die hätten dann auch das Mittagessen für die Redner dolmetschen können.

Praktischer Vorschlag: Wir waren nur zu zweit je Sprache in der Kabine und haben dabei die tariflichen sechs Stunden plus eine Überstunde gearbeitet. Einen dritten Dolmetscher zu buchen, wäre hier eine elegante Lösung gewesen. Wegen der Aus­ein­an­der­set­zung waren wir neun Stunden am ersten Tag aktiv (und haben die Über­stun­den auch berechnet).

Kopflose Schaufensterpuppe mit Sixpacks
Bitte nicht nur die Bauchmuskeln trainieren
Immer diese Fehleinschätzungen, was die allgemein verbreiteten En­glisch­kennt­nis­se angeht!

Ein P.S. zur Erklärung unserer Ar­beits­zeit: Dolmetschen ist eine enorm an­stren­gen­de Tätigkeit, weshalb wir uns immer alle 15 bis 30 Minuten ab­wech­seln. Unsere Netto-Arbeitszeit liegt bei sechs Stunden (normaler Kon­gress­tag) plus Pausenpalaver (*).

Sollen dann noch abendliche Sitzungen stattfinden und anschließend der Kongress z.B. in einem eleganten Restaurant dinieren, sind hierfür entweder zwei anderere Kollegen zu buchen, oder aber das Hotelschiff kommt ohne Verdolmetschung von Tisch­ge­sprä­chen aus und nach den Grußworten haben wir "frei", dann wären drei Kol­le­gin­nen oder Kol­le­gen für eine Nettodolmetschzeit von acht Stunden an­zu­ra­ten.

Vokabelnotiz
the lunch — Mittagessen 
the dinner — das Abendessen, aber auch: das Mittagessen
the supper — Abendessen
le souper
(CA) — Abendessen
le dîner (F) — Abendessen
le souper (F) — der Mitternachtshappen
______________________________  
Foto: C.E.
(*) Das  Palaver ist nicht abschätzig gemeint.
Die Pausengespräche sind oft die wichtigsten.

Keine Kommentare: