Donnerstag, 5. Februar 2015

Sprachhelfer

Hallo und herzlich willkommen. Sie lesen in meinem digitalen Arbeitstagebuch. Ich dolmetsche aus dem Französischen (und ins Französische) sowie aus dem Englischen. Bevor's mit der Berlinale richtig losgeht, hier noch ein anderes aktuelles Pro­blem­feld.

Vater, Mutter, Kind
Auf neuen Wegen
Derzeit treffen in Europa vie­le notleidende Flücht­lin­ge ein. Sie landen auf einem krisengebeutelten Kontinent mit vielen besorgt drein­schau­en­den Kämmerern.

Damit aus der Konstellation keine größere hu­ma­ni­tä­re Katastrophe wird, en­ga­gie­ren sich hierzulande nicht wenige Dolmetscherinnen und Dol­met­scher ehrenamtlich.

Weil die Nachfrage das Angebot weit übersteigt, stehen uns oft Laien zur Seite, die neuerdings professionell koordiniert werden, auch von wohlhabenden Ein­rich­tun­gen wie den Kirchen oder staatsnahen Stellen.

Nun ist es immer wieder zu begrüßen, wenn Menschen mit Kenntnissen und Le­bens­er­fah­rung in ihrer Freizeit anderen helfen. Es ist auch erfreulich, dass es wiederum andere Menschen gibt, die sie darin unterstützen! Das kurz vorab.

Allein: Die Situation an sich kann Risiken bergen, und zwar für mehrere Seiten.

Lebensgefahr!

Einerseits kann es gefährlich werden, wenn ein Laie im Krankenhaus das Gespräch zwischen Ärzten und Schwerkranken überträgt. Todesopfer sind bereits zu be­kla­gen. Es drohen aber auch Gefahren für den Berufsstand der Sprachmittler, die nicht unerheblich sind.

In Zeitungen und Stadtteilblättern häufen sich derzeit die Artikel, dass in Hei­del­berg, Villingen-Schwenningen und anderswo "ehrenamtliche Dolmetscher" gesucht werden. Gemeint sind allerdings Menschen mit Sprachkenntnissen, und angelernt im Umgang mit schwierigen Kommunikationssituationen werden schließlich Men­schen, die sonst Kinder und Haushalt pflegen oder Rentner und Schüler mit höchst unterschiedlichen Vorkenntnissen. Am Ende werden sie als Familienbegleiter und Sprachhelfer eingesetzt und begleiten Flüchtlinge entgeltfrei (oder für eine Auf­wands­ent­schä­di­gung) beim Gang ins Amt oder zum Arzt. Städte oder Kran­ken­häu­ser nennen den Vorgang auf Neudeutsch "Community Interpreting".

Leider können solche Berichte bei Menschen, die bislang kaum Kontakt mit Dol­metsch­pro­fis hatten, den Eindruck entstehen lassen, dass man Sprachbegabte schnell zu Dolmetschern umschulen kann und dass sie am Ende nicht viel (oder gar nichts) kosten.

  Gefahr für einen Berufsstand                 

Dolmetschpult mit Blick auf den Roten Salon
Diskussion über die Flüchtlinge "sans papiers"
Auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen für die "Endkunden" habe ich ja bereits hingewiesen. Was sich für uns profes­sion­elle Dolmetscher daraus ergibt, er­le­ben wir täglich: Menschen, die amtlich be­glau­big­te Übersetzungen brauchen und aus den Wolken fallen, dass diese Dienst­leis­tung nicht gratis ist; PR-Mitarbeiter oder Vertreter der Industrie, die für Messe, Markt und Pressearbeit eine "Nach­wuchs­kraft" für 200 Euro pro Tag anheuern möchten, von der sie aber 200 Prozent Einsatz und Professionalismus erwarten. Oder eben Leuchttürme der Berliner Kul­tur­land­schaft, die mit Nicht­pro­fis ar­bei­ten, sie möglicherweise sogar in eine echte Kabine setzen, was das Ergebnis allein nicht verbessern kann.

Schon vor drei Jahren wurde uns nach einem solchen höchst unprofessionellen Auf­tritt eines Fachfremden (Link, Bsp. B) mitten in der Auftragsverhandlung ab­ge­sagt; man habe sich jetzt für einen englischsprachigen Referenten entschieden, schrieb der Ver­an­stal­ter, Dolmetschen sei keine Lösung. Was natürlich ein Irrtum ist. Den Beweis durf­ten wir nicht liefern.

Mehr Trennschärfe, bitte!

Unser Berufsstand wird längst massiv beschädigt, und zwar als Folge aufgeweichter Begriffe. Ich bin vehement gegen den Begriff "Community-Dolmetscher". Nun ist die Berufsbezeichnung "Dolmetscher", anders als die von Ärzten oder Apothekern, zwar nicht juristisch geschützt, sie ergibt sich aus dem Studium und/oder der (mehrjährigen) einschlägigen Erfahrung.

Doch wäre es keine große Sache, die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe ein­fach anders zu benennen: "Sprachhelfer" lautet mein Vorschlag. Und ja, der eine oder die andere wird sich am Ende durch jahrelange Erfahrung so profilieren, dass wirklich ein Beruf daraus werden kann. Dann können Universitäten, Verbände und Verwaltung sie nachschulen und prüfen, um sie zu beeidigen. Das ist der Praxisweg hinein in professionelles Dolmetschen.

Kind mit Dokumentenmappe
Dokumente hier entlang
Last but not least gibt es auch unter uns Dolmetschern viele Vollprofis, die re­gel­mä­ßig ehrenamtlich tätig sind. Ohne sprachliche Differenzierung kann uns von außen bislang niemand von den Sprach­hel­fern unterscheiden. Und wir freuen uns auch über Ärzte, die für die Kriegsopfer ohne Entgelt tätig sind.

Allerdings kommt niemand auf die Idee, ehrenamtliche Pflegehelfer allein auf­grund ihres En­ga­ge­ments "eh­ren­amt­li­che Ärzte" zu nennen, oder?


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Fotos: C.E.

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