Donnerstag, 6. November 2014

Gift!

Will­kom­men auf den Sei­ten ei­nes vir­­tu­­el­­len Ar­beits­­ta­­ge­buchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Heute ist mir bei der morgendlichen Zeitungslektüre einiges aufgefallen.

alte Kasse
21,50 € gab es in den Nuller Jahren je Seminarstunde (Ost)
Die "Zeit" berichtet endlich an­ge­messen über die Situation der freien Lehrbeauftragten an deutschen Hochschulen, hier am Beispiel der Mu­sik­hoch­schu­len. Ich kenne das Problem seit den Nuller Jahren, weil ich selbst jahrelang un­ter­rich­tet habe. Meine Versuche, das Thema bei den Medien un­ter­zu­brin­gen, waren alle fehl­ge­schla­gen. Die "Zeit" bringt eine schimpfende Anne-Sophie Mutter.

Offenbar war der Zorn der weltberühmten Geigerin nötig, um die Mauer der Ig­no­ranz einzureißen. Dabei ist die Sache wirklich ein alter Hut und gilt für alle freien Hochschullehrerinnen und -lehrer, die hierzulande roundabout 30 % der Lehre ga­ran­tie­ren (in manchen Fächern bis zu 45 %). Mit der Demokratisierung der Bil­dung in der westdeutschen Bundesrepublik nahm die Zahl der Lehrenden zu, nicht aber ihre Bezahlung. Sie wurde oft eingefroren: Was damals 40 DM waren, sind heute 20 Euro, das ist die Unterkante des Honorars für die gehaltene Stunde, womit Vor­be­rei­tung, Wege- und in der Regel nicht vergütete Prüfungszeiten abgegolten sind.

Ziehe ich jetzt noch Materialkosten ab, wissenschaftliche Bücher stehen nicht im­mer gleich bei Veröffentlichung in den Bibliotheken, und das, was auf der Le­se­liste der "Freien" steht, noch seltener, sind die freien Hochschullehrer die geknechteten Ein-Eu­ro-die-Stun­de-Jobber der hiesigen Bildungslandschaft. Denn viele hoffen lan­ge auf den steinigen und statistisch unwahrscheinlichen Aufstieg. Wer Professor wer­den möchte und sich habilitiert hat, darf unentgeltlich lehren, muss es sogar einmal im Jahr, um seine Lehrberechtigung nicht wieder einzubüßen.

Diese Situation und dass die Honorare der freien Hochschullehrer seit den 1970-er Jahren nicht mehr angepasst wurden, folgt der reinen Marktlogik von Angebot und Nachfrage. Kurz, wir haben es hier mit einer Bildungswüste Deutschland zu tun, Frau Merkel!

Für die Rente lässt sich da nichts zurücklegen. Damals deckte mein fürstliches Ho­no­rar bei 1,5 Veranstaltungen nicht einmal die deutsche Krankenversicherung im Lehrzeitraum ab, da der "Eingangspreis" für Freiberufler willkürlich hoch angesetzt worden ist.

Wer bleibt übrig in der freien Lehre? Der sogenannte "Mittelbau" ist in den letzten Jahrzehnten bewusst "abgeschmolzen" worden. Übrig bleiben Dozenten, die vor allem für die Erledigung anderer Aufgaben entlohnt werden und die sich nicht sel­ten von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln und Leute mit festem Gehalt, die, weil's den Lebenslauf schönt, ein wenig unterrichten, ferner von Ein­kom­mens­trans­fers durch Part­ner, Eltern, Grundsicherungsamt Begünstigte, darunter auch Men­schen ohne echte Alternativen. Hier findet eine reine Zufallsauswahl statt, soziale Kri­te­ri­en sind wirksam, inhaltliche Kriterien allenfalls sekundär. Soll dieses re­prä­sen­ta­ti­ve Panel den Nachwuchs "formen"?

Einmal hatte ich an einem x-beliebigen Tag, an dem beides anfiel, den direkten Vergleich. Eine Stunde Lehre vor Studis: Ein Euro. Eine Stunde Dolmetschen eines politischen Frühstücks: netto 300 Euro (*). Kein Investment in die Zukunft!

Und noch ein Punkt landet langsam in den Medien, endlich! Vor längerer Zeit habe ich hier über die Plastikhüllen als Wärmeverbundisolierung gewettert, die zu­neh­mend unsere Häuser verunstalten. Dass die auch noch brandgefährlich sind, war vielen schon lange klar. Der Spiegel berichtet nun über Behörden-Tests: Däm­mung an Mil­lionen Häusern kann Brände anfachen. Der verbaute Kunststoff mit seinem Chemi­ka­li­en­cock­tail wird seit Jahren zum Beispiel an die Special-Effects-Menschen vom Film verkauft und heißt dort Brandbeschleuniger.

Beim Brand von Styropordämmplatten entstehen oft giftige Dioxine. Ich hatte so einen Fall mal als Übersetzerin mit Plastikfenstern der ersten Generation, die im Feuer so viel Gift freigesetzt hatten, dass das Haus abgerissen werden musste.

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Foto: C.E. (Archiv)
(*) was 35,3 % der Gage war. Der Rest
entfiel auf Vorbereitung und Anreise.

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