Spontan einsetzbar sind wir schon, aber auch nicht immer. Da sucht eine Firma für in zwei Tagen (!) eine Dolmetscherin mit Deutsch als Muttersprache für DE<>FR, so kürzen wir unsere Sprachen ab. Schauen wir genauer hin.
DRINGEND! Anreise übermorgen, Abreise zwei Tage später, 1. Abeitstag acht Stunden, 2. Arbeitstag fünf Stunden, Gegenstand: Technische Schulung/Seminar, 80 Teilnehmer. Businesslook, Sicherheit im Sprechen vor Publikum, hervorragende Kenntnis der betreffenden Sprachen. Reise-, Hotel- und Restaurantkosten werden übernommen, Preis für das Übersetzen: 60 Euro die Stunde. Mikrofon/Kopfhörer vorhanden.Super, schick, großes Kino, seit wann setzen Kunden unser Honorar fest? Dieser Preis passt nicht zum Berufsbild und eine Flüsteranlage ist bei derart langen Veranstaltungen ein Problem. Denn Räume sind laut, Sprecher auch, und wenn wir die ganze Zeit reinreden, steigt der Pegel für alle. Wer wie wir mit Sprache (also mit den Ohren) arbeitet, ist akustisch besonders empfindlich.
Die akustischen Bedingungen sind ein großer Stressor und oft Grund für vorzeitiges Ermüden. Ein solches Setting bedeutet: Hier knistert einer mit dem Bonbonpapier, der Assistent kommt kurz herein und sagt der Chefin etwas, einer niest, eine andere schenkt sich sprudelndes Mineralwasser nach und der Videobeamer brummt ohnehin die ganze Zeit. Für normale Zuhörer mag das kein lautes Umfeld sein, für Dolmetscher, die sich selbst "reinsprechen", also möglichst akkurat "darunter" noch die Stimme der Redner hören müssen, ist es das schon.
Und handelt es sich hier um einen Zufall, dass hier nicht von einer zweiten Kollegin/einem zweiten Kollegen die Rede ist? Bei allem, was länger als 20, 30 Minuten dauert, brauchen wir die zweite Kraft. Dolmetschen ist mentaler Leistungssport, Multitasking, dazu braucht es ein besonderes Training. Die einzelnen Dolmetschphasen sind wie Sprintläufe. Keinem Sprinter würde man abverlangen, in seinem Sprinttempo einen Marathon zu laufen.
Dass unsere Arbeit hier "übersetzen" und nicht "dolmetschen" genannt, wird, geschenkt!
Hier unsere Art des Rechnens:
In Berlin koste die Stunde Wahrsagen bei der beliebtesten Glaskugeldame hundert Euro, so die Kolleginnen, und man müsse acht bis zwölf Wochen auf einen Termin warten. Ich weiß schon gleich und ganz kostenlos, dass sich auf die Suchmeldung da oben kein Profi melden wird.
P.S.: Die Tagessätze sind nur ein Beispiel und können bei sehr anspruchsvollen Themen auch darüber liegen. Bei längeren oder regelmäßigen Einsätzen sowie weniger gut dotierten Kunden oder für Projekte, die aber wichtige und spannende Ziele verfolgen, geben wir Nachlässe.
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Illustration: eigene Tabelle
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