Bild-Zeitung vom 14.06.2013 |
Wer den Artikel liest, erfährt, dass binnen dreier Jahre 15,93 Millionen Euro geflossen sind, um Dolmetscher für zu kurzfristig abgesagte Einsätze zu entschädigen. Dies betreffe gleichermaßen Fraktionen, Ausschüsse und Delegationen, die in durchschnittlich 16,3 % der Fälle vertagt würden.
Weiter schreibt die Zeitung, die eine Pressemeldung der Nachrichtenagentur dts aufgreift: "Etwa die Hälfte der Übersetzer in Diensten des EU-Parlaments sind Freiberufler."
Um hier dem Dolmetscherbashing, das ich indirekt daraus lese, zu widersprechen: Freiberufler wohnen vielleicht nicht am Arbeitsort, haben möglicherweise Zeiten für An- und Abreise eingesetzt und ihre Arbeitstage, die sie in der Regel lange im Voraus reserviert hatten, sind "weg", andere Aufträge finden sich so schnell für den Tag nicht. Kurz: Sie hätten, würde kein Ausfallhonorar gezahlt, an den entsprechenden Tagen Honorarausfälle zu verzeichnen. Ausfallhonorare gibt es nicht nur bei Sprachmittlern, andere Berufsgruppen machen diese auch geltend.
Dolmetschen ist eine sehr anstrengende Tätigkeit, die oft tagelange Vorbereitung nötig macht. Diese wird nicht gesondert vergütet. Bei einer kurzfristigen Absage entfällt je Thema möglicherweise damit oft nur ein "kleiner", dafür aber hochgradig sichtbarer Teil der Arbeit.
Die Frage wäre allerdings, warum im Parlament 16 % der Termine verschoben werden und ob der Prozentsatz im aktuellen politischen Prozess wirklich signifant hoch ist.
Und noch ein Aspekt fällt mir ein. Die freiberuflichen Dolmetscher, die für Brüssel/Straßburg arbeiten, werden meines Wissens mit Sätzen unterhalb dessen vergütet, was die freie Wirtschaft zahlt. Wenn also ab und zu ein Ausfallhonorar hinzukommt, hebt das den Durchschnitt der wirklich wahrgenommenen Termine an. Vielleicht wurde der Faktor ja bei der Festlegung der einzelnen Honorare bereits berücksichtigt (oder ist das der Grund für ausgebliebene Erhöhungen)?
Alles Fragen, die ich gestellt hätte, wäre ich heute noch Journalistin, was ich in einem ersten Berufsleben war. Aber inzwischen scheint Recherchieren aus der Mode gekommen zu sein bzw. wird nicht mehr vergütet. Moment mal, wie war das gleich noch mit den Ausfallhonoraren von Journalisten?
Hier noch einige Bewegtbilder zum Thema:
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Illustration: B-Zeitung
Film: Generaldirektion Dolmetschen, EP
4 Kommentare:
Sehr gut geschrieben, vielen Dank :) Und ich glaube, es ist allgemein bekannt, dass Recherchieren in der Tat nicht gerade zu den Stärken dieses Blattes (Zeitung wäre zu viel der Ehre) gehört.
Oh, ich fürchte, die anderen Zeitungen und Medien werden da auch nicht groß recherchieren.
Zum Teil wird die B-Zeitung als Quelle angegeben und der Inhalt runtergemetzgert: dradio-Nachrichten
Nun, dann würde ich sagen, dass es ein Verlust ist, dass du nicht mehr als Journalistin tätig bist - aber dafür ein Gewinn für die Dolmetschlandschaft :)
Liebe Grüße aus Mannheim!
Janine
:-)
Gruß nach Mannheim,
Caro
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