Montag, 16. Mai 2011

Sprechweisen

Variationen der Sprechweisen
Parallel zu den Filmfestspielen von Cannes poste ich eine Reihe aktueller Meldungen oder nicht aktueller Hintergrundberichte, die direkt oder indirekt mit meiner Arbeit als Dolmetscherin/Übersetzerin für die französische Sprache zu tun haben.

Wissenschaftler der Universität Michigan haben untersucht, wie wir am überzeugendsten sprechen. Auch für uns Dolmetscher ist das Ergebnis wichtig, geht es hier doch um Sprechweisen.

Am 14. Mai 2011 wurden auf der Jahrestagung des Nordamerikanischen Verbands für Meinungsforschung die Ergebnisse einer Untersuchung vorgestellt, die Sprechgeschwindigkeit in Verbindung setzte mit der Tatsache, ob die Empfänger eine Information als glaubhaft einschätzten oder nicht. Bei der Untersuchung ging es zwar um Telefonumfragen, doch die Ergebnisse lassen sich auch auf andere Bereiche übertragen, zum Beispiel den Alltag wissenschaftlicher Konferenzen.

Für die Studie wurden die Aufnahmen von 1.380 Anrufen ausgewertet, die Arbeit von 100 männlichen und weiblichen Telefonbefragern.

"Interviewer, die mit ca. 3,5 Worte pro Sekunde gemäßigt schnell sprachen, waren sehr viel häufiger erfolgreich, wenn sie Zustimmung zu einer von den Interviewern geäußerten Meinungen hören wollten, als Interviewer, die schneller oder sehr langsam sprechen", sagte Jose Benki, Wissenschaftler am Institut für sozialwissenschaftliche Forschung (ISR) der Universität Michigan.

Schnellsprechern werde rasch misstraut, als wollten sie etwas oktroyieren. Zu viele Tempoänderungen oder zu langsames Sprechen würden als unnatürlich und gekünstelt wahrgenommen.

Auch der Einsatz von Pausen interessierte die Forscher. Ergebnis: Viele kurze Pausen wurden als angenehmer empfunden als Sprechweisen, in denen kaum Pausen vorkommen. "Wenn Menschen sprechen, machen sie natürlicherweise vier bis fünf Pausen pro Minute", sagte Benki. "Es kann sich dabei um stumme oder 'gefüllte' Pausen handeln", wird der Forscher weiter zitiert, indes nicht aufgeklärt, was "gefüllte" Pausen sind. Ich nehme an, hier sind Räuspern und Verlegenheitsgeräusche wie "äh" gemeint. Wer keine Pausen macht, führt der Forscher weiter aus, erfahre weniger Zustimmungen zu seinen Aussagen, weil es zu 'abgelesen' klänge.

Und noch ein interessanter Aspekt: "Menschen, die zu viele Pausen machen, werden als nicht frei fließende Sprecher wahrgenommen. Aber es war interessant, dass selbst der am wenigsten fließende Sprecher höhere Erfolgsquoten aufzuweisen hatte als jene, die perfekt fließend sprechen" (Benki).

Die englische Sprache kommt mit weniger Buchstaben je Wort aus, auch hier gibt es mehr knappe Worte, wie im Französischen (ich schrieb erst letzte Woche darüber). Bei Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche ist die deutsche Fassung fast immer um 20 – 25 % länger. Entsprechend müssen wir den Wert von 3,5 Worten pro Sekunde umrechnen.

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Foto und Zitate: Danke an den
University of Michigan News Service
Die Pressemeldung der Uni dazu hier.

2 Kommentare:

OHE hat gesagt…

Solltest Du nicht heute auf den Film "Die Dolmetscherin" gestern in Vox reagieren und feststellen, daß Du noch nie in ein Mordkomplott gegen einen schwarzen Politiker verwickelt warst? Und auch noch nie ein Verhältnis mit einem Geheimdienstler hattest? Da fehlt Dir doch noch was. DH

caro_berlin hat gesagt…

Den Film hatte ich glaube ich schon mal, als er in einem werbefreien Programm lief. Und obwohl ich ihn gut und spannend fand, war's eben ein Thriller ... dafür hab ich einen anderen Dolmetscherkrimi (ohne Leiche) erlebt, den ich noch aufschreibe. Nicht für den Blog, für Buch und Film ;-)
Bonne journée
Deine C.