Sonntag, 8. März 2009

KVAs

Herzlich Willkommen auf den Seiten des ersten deutschen Weblogs, das im Inneren einer Dolmetscherkabine entsteht. Vor die Arbeit haben die Götter die Preiseinschätzung gesetzt ... und dahinter die Zahlung der Rechnung (wenn nichts dazwischenkommt).

Kostenvoranschlag  das ist so ein richtig langes, deutsches Wort, das massiv klingt, deftig und nach Arbeit. Der "devis" hingegen ist eine Vokabel, die zwar auf Französisch das gleiche bezeichnet, aber als eigenständiges, knappes und nicht zusammengesetztes Wort existiert. Das französische Wort hat im Singular wie im Plural zwei Silben (und bleibt wegen des letzten Buchstabens auch in der Mehrzahl unverändert: les devis das deutsche inflationiert ebenso Silben (sechs) wie Wortbestandteile (gefühlte drei bis vier). Interessanterweise gibt es im Deutschen viele Komposita, die sich nicht mehr zurück'deklinieren' lassen  das Gegenteil von "Untiefen" ist "flaches Gewässer", das Gegenteil von "unwirsch" ist nicht "wirsch".

Und damit ich im Büroalltag etwas wirscher sein kann, kürze ich ab: KVA. Die damit zusammenhängenden Telefonate indes tragen zu meiner Wirschheit nicht immer bei. Beispiel für ein Telefonat mit einer sehr guten Kundin.

 Wir suchen in Köln eine Dolmetscherin für das TV-Interview mit einer Autorin. Kennst Du wen?
 Ich komme!
 Ja, nee, keine gute Idee. Wir haben kaum Geld, und wir können keine Profi-Dienstleistung für fast umsonst erwarten. Hast Du vielleicht eine begabte Studentin oder so, die Du uns empfehlen kannst?
 Das letzte Mal, als ich eine begabte Studentin empfahl, hat sie sich den Kunden gleich ganz geschnappt, das fand ich nicht so toll. Tut mir Leid. Außerdem sollte man Erfahrung haben.
 Wieso?
 Erst neulich durfte ich gedrehtes Material im Schnitt retten. Beispiel für eine Antwort: "Naja, wie schon vorhin gesagt, stimmt das so. Es war am 23."
 Kontext?
 Kontext fehlte. Der Take hätte das bereits vorher Gesagte wiederholen sollen. Und weil vom Team außer der Praktikantin keiner Französisch sprach, ging das beim Dreh so durch.
 Und dann?
 Wir haben aus später gegebenen drei Antwortteilen was zusammengefrickelt und dann zwischendurch ganz viel Wohnung gezeigt, zum Glück gab's ausreichend Material für Schnittbilder. Das war ein Gefriemel! Und hat gedauert! Hier wurde beim Dreh an der falschen Stelle gespart: Das ist wie teures Wildgulasch mit einer Tütensauce vom Discounter kredenzen.

Das hier geschilderte Problem verbirgt ein anderes. Auftraggeber des zu Drehenden ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, der in Kulturdingen in Europa eine feste Größe geworden ist. Für einen festen Sendeplatz beauftragt er Firmen, die er allerdings nicht ausreichend für das, was sie drehen sollen, mit Geld ausstattet.

Das Programm ist stark formatiert, also nimmt es so auch kein anderer Sender (weitere potentielle Geldquelle). Der Produzent nimmt also bereits mit einem Geldproblem die Arbeit auf. Und das wird dann "durchgereicht". Studis und Praktis, die ihre eigenen Jobs von morgen kaputt machen, werden ausgebeutet und kriegen ohne behutsame Einführung möglicherweise einen Schaden fürs Leben.

Auch die Qualität der Programme wird aufs Spiel gesetzt. Das Verhalten etlicher Sendeanstalten trägt zu Insolvenzen bei. Ich beobachte regelmäßig Pleiten  und die Eigentümer gründen flugs was Neues. Ich warte derzeit auf etliche Summen, und das nervt, weil ja auch ich Verpflichtungen habe. (*)

Auch dieses geschilderte Problem verbirgt ein anderes. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland verfügen über ca. 8 Milliarden Euro, das ist eine acht mit neun Nullen. Wieso reicht das Geld nicht, um den Programmauftrag zu erfüllen?

Dazu fällt mir keine kalauernde Abschlusspointe ein. Wirklich nicht.


(*) Nachtrag vom Sommer 2012: Auf manche Summen warte
ich noch heute ... oder auch nicht, die Firmen sind pleite. Es
schlossen sich an: Monate mit Doppelschichten. Freiberuflerpech.
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Illustration: Anker-Kasse

1 Kommentar:

juliane weuffen hat gesagt…

Weil das Geld zum einen großzügig an die Intendanten verteilt wird, und dann an Wetten, dass...? und Florian Silbereisen.
Guido Knopp ist auch nicht günstig, allerdings kann man den immerhin noch bei Phoenix verwursten.
Und dann werden noch super Filme gekauft, die dann im Nachtprogramm versacken oder im Bezahlkabel stranden.
Da versickert das Geld also hin...