Samstag, 7. März 2009

Zufällige Begegnungen

Bonjour, welcome, Hallo und guten Tag! Sie lesen, absichtlich oder zufällig, die Seite eines digitalen Arbeitstagebuches. Hier schreibe ich als Übersetzerin und Dolmetscherin mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Politik, Kultur und Soziales über das nach, was ich erlebe. Heute: Einblick in die Werkstatt.

Der Postberlinalerlaub ist vorbei, der Schreibtisch quillt über, da ergeben sich mitunter merkwürdige "Begegnungen".

So war es zumindest letzte Woche. Zunächst galt es, den Entwurf zu einem Filmprojekt zu übersetzen, in dem viele Gangster vorkamen, die in Pokerhöllen ihresgleichen nicht nur über den Tisch ziehen. Dann schaute ich gedrehtes Material durch, es ging um ein Kinderheim in Ruanda nach der Zeit des Bürgerkriegs. Zwischendurch übersetzte ich ein kurzes Portrait von Ulrich Mühe, der Film nimmt am Wettbewerb um den deutsch-französischen Journalistenpreis teil. In den Bürostunden dann erbaten einige Firmen Kostenvoranschläge: Da will etliches betreut sein, ein Ausstellungskatalog, eine Messe und ein neues zu übersetzendes Drehbuch ...

... dazu flatterten mir Einladungen zu diversen Premieren auf den Tisch. Binnen einer Woche könnte ich abends vier Mal weggehen, dazu brachte der Kurier zwei "Streifen" auf Scheibe, die es vorab zu sichten galt. Denn diese Woche war ich nacheinander kurz für Radio Eins, das Berliner Ensemble und für Werner Schröter tätig, der Filmpremiere in der Volksbühne feierte. (Hier verdolmetschte ich die auf Deutsch geführte Diskussion für Pascal Greggory und Bulle Ogier.)

Wie bewältige ich Menge und inhaltliche Wechsel? Ich konditioniere mich für die verschiedenen Aufgaben an verschiedenen Orten  und zwar exakt durch die verschiedenen Orte. An einem Schreibtisch lerne ich, in der Küche schreibe ich Privates oder offline erste Konzepte, am Stehpult lese ich Korrektur, und wenn ich am Schreibtisch an größeren Projekten arbeite, stelle ich den elektronischen Briefkasten ab, auf dass er nicht "klappere". 

Hintergrundmaterial zu den Dolmetscheinsätzen lese ich überall, gerne auch mal im Café mit W-Lan an der Ecke. Dann hab ich wenigstens in der ersten Phase (vor dem Rausschreiben der Vokabeln) das Gefühl, nicht schon wieder zu arbeiten ... und kann kurz vergessen, was mir diese Woche Energie raubt: Manche versandte und empfangene Mails kommen schwer "durch" oder sogar zurück, andere sehen in meiner Postbox aus wie zugestellt, haben ihren Empfänger aber noch nicht erreicht. Das nervt  und ich bastle weiter am neuen Intranet (und fühle mich zurecht überfordert).

Währenddessen sehen auf meinem Bildschirm die Gangster ohne Moral den humanistisch und religiös geprägten Erzieherinnen des Kinderheims für Kriegs- und Aidswaisen einander in die Augen, und vom anderen Konzept schaut sich Uli Mühe aus diese komische Gemengelage an. Und dann fällt mir auf, was meine "Kunden" diese Woche mal wieder besonders verbindet: Kino!

Die Afrikanerinnen haben dort, wo früher Tote Schützengräben lagen, ein Lichtspielhaus errichtet: La Cité des Anges, die Stadt der Engel. Und ich übersetze: "Das Volk braucht einen schönen Ort, wo es vom Frieden träumen kann, denn im Kino können die Menschen sehen, dass andere Völker ebenfalls dieses Stadium durchlaufen haben und gleichzeitig sollen sie unterhalten werden und etwas lernen  ein Fenster, das auf die Welt hinaus geht."

Der Film, aus dem ich hier zitiere, wird bald von der Deutschen Welle gesendet. Es ist ein neues Portrait von Maggie Barankitse und dem von ihr in Burundi begründeten Waisenhaus Maison Shalom mit angrenzendem Krankenhaus, Landbau, Bibliothek, Bank ... und eben einem Kino.
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