Donnerstag, 4. August 2022

Hitzefrei (1)

Hello, bonjour und guten Tag beim ers­ten deut­schen Weblog aus dem Ka­bi­nen­in­neren. Hier beschreibe ich Erlebnisse von Konferenzen und aus dem Büro, von Film­set oder Fes­ti­val, von Messen oder der Bau­stelle. Unter Wah­rung dienst­licher Geheim­nisse erzähle ich, was den Beruf ausmacht, und denke über Sprache nach. Nur bitte nicht heute. Wo ist der Fächer?

An einer Ladentür, gesehen in Neukölln
Heute ist alles slow motion, verlang­samt, ent­spannt, denn das Wetter hat sich zu neuen Rekorden aufge­schwun­gen. Auf dem Balkon sind es im Schat­ten 37 Grad. Gestern war es drei Grad "küh­ler". Die halbe Fliegen­po­pu­la­tion der Straße hat sich ver­ab­redet, in mei­nem Ar­beits­­zim­mer diese Hitze­wel­­le zu ver­brin­gen.

Dazu habe ich al­ler­dings nicht mein Ein­ver­ständ­nis ge­ge­ben. Als ich die Balkon­tür aufreiße, fühlt es sich an, als wäre es die Back­ofen­tür. Die meisten Flie­gen be­kom­me ich mit dem Fächer und durch gutes Zu­re­den de­fe­nes­triert, bei den an­deren schlägt das zarte Bruder­herz vor, "Sieben auf einen Streich" zu ge­ben. (Hier spiele ich auf ein Mär­chen der Brü­der Grimm an: "Das tapfere Schneiderlein" erschlug sie­ben (Fliegen) auf ein­mal.)

Aber es ist sogar zu heiß, um den ollen Flie­gen nach­zu­stel­len (ein altes Wort für "jagen"). Später werde ich mir beim Gang um den Block ein Eis kaufen, das in der kurzen Zeit, die es fürs Bezah­len braucht, schon an­fängt zu fließen. Mein Nach­bar, der Musika­lien­händler zwei Straßen weiter, lädt mich in seinen kühlen Ver­kaufs­raum ein. So lässt sich un­fall­frei Eis essen.

Auf der Suche nach den üblichen Durchsch­nittstem­pe­ra­turen stoße ich auf fol­gende Zeilen:

"Das Wetter in Ber­lin im August hat Tiefst­werte von 15 °C und Höchst­werte von 25 °C. Es ist die perfekte Temperatur, um Berlin zu er­kun­den, ohne dass es zu heiß oder zu kalt ist. In Ber­lin können Sie im Au­gust mit drei bis acht Re­gen­­ta­gen rechnen. Es ist eine gute Idee, Ihren Regen­schirm mit­zu­bringen, damit Sie nicht dem schlech­ten Wetter aus­­ge­­setzt sind."

Das ist wohl passé. Allein das Wort "Regen­tag" klingt schräg. Wie oft hat es dieses Jahr mal einen ganzen Tag lang durch­ge­reg­net und wann? Im Feb­ruar mal zwei Tage lang. Auch ist der Juli nicht mehr der nie­derschlags­reichs­te Monat im Jahr.

Und es sind nicht nur die feh­len­den Nie­der­schlä­ge, die uns in die aktu­el­le Lage bringen, es ist auch die zu­neh­men­de Ver­duns­tung (hier ein Artikel aus von spek­trum.de) sowie die stär­ke­ren Winde, ver­schärft durch schwin­dende Fähig­keit der Böden, Was­ser zu hal­ten und Stark­re­gen zu wi­der­ste­hen, was mit der sin­ken­den mi­kro­biel­len Viel­falt zusam­men­hängt, die für al­le sicht­bar ist und Ar­ten­ster­ben und Ero­sion ge­nannt wird. Wir soll­ten üb­rigens vom "Bo­den­ster­ben" spre­chen, da­mit die Leute auf­wa­chen.

______________________________
Foto: C.E.

Keine Kommentare: