Mittwoch, 28. April 2021

COVIDiary (298)

Im Blog aus der Welt der Spra­chen be­schrei­be ich derzeit, wie die Pan­de­mie un­se­re Arbeit verändert hat. Wir Selb­stän­digen sitzen seit 14 Monaten meistens zu­hau­se. Aus der Dol­met­scher­kü­che nehme ich auch an Kon­fe­ren­zen teil.

Neulich war ich zu Gast "bei" einer Videokon­ferenz, die sechs Stunden ge­dau­ert hat. Die Sache lief natür­lich über das Netz. Ich ken­ne die Kol­le­gin­nen und habe auf deren Bit­te hin ei­ni­ge Minuten lang den "Kabinen­sound" auf­ge­nom­men, wie er bei den Kund:innen ankommt. Wir machen das füreinander mitunter als Qua­li­täts­check. Leider war ein we­nig Ge­ra­schel dabei, das ver­meidbar ge­wesen wäre. Au­ßer­dem wa­ren im Hintergrund andere Töne zu hören, über die ich am Ende noch schreiben werde.

Alle Tassen im Schrank
Die Konferenz wurde von zwei Kollegin­nen ver­dolmetscht. Sechs Stunden ist eigent­lich zu lang angesichts der extrem an­stren­­genden digitalen Arbeit, denn der Ton ist gestaucht, ge­le­gent­lich hängt ein Da­ten­paket, was zu Artefakten wie Echos oder Verzerrungen führt; ge­le­gent­lich hat das weltweite Netz auch Schluck­auf und pro­du­ziert kurze Tonlöcher, in die einige Worte hinein verschwun­den sind. Zudem verwendet nicht jeder und jede da drau­ßen ein Headset, das Um­ge­bungs­ge­räu­sche filtert. So oft hören wir hier die ei­ge­ne Stimme als leises Echo, dort Hun­de­­ge­bell und Kinder­geschrei, oder aber den Klavier­stimmer, der sich nicht mehr ver­schie­ben ließ.

Um mit der Menge der Vorträge klar­zu­kommen, wurden etliche von ihnen im Vor­feld auf­ge­zeich­net und den Dolmetsche­rinnen zugeschickt, zusam­men mit Rede­notizen oder Ma­nus­kript. In einem Fall war ein sehr schnell gespro­chener Bei­trag vom Kunden sogar als Transkript in Auftrag gege­ben worden. Damit konnten die Kollegin­nen schon eine Woche vor der Veranstal­tung eine jeweils andere Sprachen­fassung herstellen. Sie haben die Vorträge wiederholt angehört, Notizen gemacht, vielleicht den einen oder anderen Satz ausgeschrieben und dann alles auf­ge­nom­men und den Ton geschnitten. Der Tontechniker bekam MP3-Da­te­ien zuge­sandt und hat die entsprechenden Sprachenfassungen der Vor­trags­fil­me in den Ta­ges­ab­lauf eingebaut. (Mit Audacity lassen sich die Tonaufnah­men pri­ma schnei­den, das klappt fast intuitiv.)

Das geneigte Publikum konnte übrigens sehr einfach unterscheiden, welche Bei­trä­ge spontan gedolmetscht und welche im Voraus bearbeitet worden waren, und zwar an den Hintergrundgeräuschen. Die Kolleginnen trafen sich am Konferenztag mit dem Techniker und dem Moderatorenteam in einem For­schungs­zen­trum, saßen dort in einem relativ kleinen Raum und befanden, dass die Klimaanlage, die ja in der Regel auch für fri­sche Luft sorgt, muffige Gerüche verströmt hat. Also wurde sie vom Haus­meister abgestellt, statt­dessen die Fenster sperr­an­gel­weit geöffnet.

Fritierkorb für die Spülsachen

Und nun begab es sich in diesem zweiten Coronafrühjahr, dass die heimische Vogelwelt un­ge­stört von rau­chen­den und kaf­fee­­trin­ken­den Mit­­­tags­­päus­­lern und -päusle­rin­nen auf dem Kan­ti­nen­­bal­­kon hatte brüten kön­nen. Die spontan über­tra­ge­nen Vorträge, es waren nur noch einige, sowie sämt­li­che Dis­kus­sio­nen, die aus dem For­schungs­zen­trum übertragen wurden, durchzog früh­lings­­haf­ter Hin­ter­grund­sound!

Wobe mir immer wieder einfällt, dass diese Piepmätze ja Miniflugsaurier sind. Hach, das Leben macht mit Bildung doch einfach mehr Spaß!

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Fotos: C.E.

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