Donnerstag, 22. April 2021

COVIDiary (293)

Bon­jour & hel­lo! Aus dem Ar­beits­le­ben der Über­set­zer und Dol­met­scher können Sie hier einiges erfahren. Ich arbeite mit den Sprachen Französisch, Deutsch und Englisch. In den Pan­de­mie­zei­ten ist so vie­les anders. Die einen Kun­den ver­suchen, die Preise zu drücken, die ande­ren freuen sich an meinem breiten Bil­dungs­hin­tergrund.

Gestern Abend ist Marc Ferro gestorben. Das ist ein großer Verlust. Wäre 1. nicht die Mauer gefallen und 2. ich nicht vom TV im wieder­vereinten Deutschland auf­ge­so­gen worden, erst als Redakteurin, dann im Bereich Produktion und Spra­che, er wäre einer meiner zwei Doktor­väter geworden.

Marc Ferro wusste sehr viel über Frankreich zu erzählen, und sein einzigartiger Blick auf Geschichte, bei dem er den Film der Liste historischer Quellen hin­zu­ge­fügt hat, und zwar Spielfilme in der gleichen Art und Weise wie Do­ku­men­ta­ri­sches, hat das Fach dort verändert, wo es über unsere Zeit und das letzte Jahrhundert spricht.

Dabei hat er das, was oft als "Sitten­geschichte" bezeichnet wird, den Umgang mit­ein­an­der, Wörter und ihr begriffliches Hinterland, Alltags­ge­wohnheiten, weit ver­brei­te­te Sichtweisen, kulturell Kon­no­tier­tes, ebenbürtig neben die His­to­rio­gra­phie politischer, wirtschaftlicher, militäri­scher und anderer Ereig­nisse und Ent­wick­lungen gestellt. Seine unterhaltsame, klare und auch witzige Art der Vermitt­lung ist leider in deutschen akade­mischen Welt undenkbar gewesen, weshalb ich dieses Feld, das ich als Historiker­tochter auch für mich erwogen hatte, mit mei­nem Um­zug nach Berlin schnell zum Hobby erklärt habe.

Mich hat Marc Ferro stark beeinflusst. Andere zu langweilen, sei ver­boten, sagte er mal. Wir sollten unterhalten, bilden und Vor­bild sein, so ähnlich hat er es zu­sam­men­gefasst.

France Culture hat Marc Ferro eine wunderbare Rückschau gewidmet: France Culture, Marc Ferro à voix nue.

Im Büro: Absage von heftig unterfinanzierten Untertiteln für ein Berliner Museum aus dem Feld der "kulturellen Leuchttürme", stattdessen Pflege einer aktuellen Bau­lexik. Daneben darf ich über die Fort­enwicklung meiner Küche weiterdenken. Eine mei­ner Referenzen lautet hier Marga­rete Schütte-Lihotzky. Ihr verdan­ken wir mit der "Frankfurter Küche" die Mutter aller Einbauküchen, die 2026 ihren hun­derts­ten Geburtstag feiern wird. 

Aus dem unten verlinkten Film
Schütte-Lihotzky ließ sich damals von der for­dis­ti­schen Analyse der Arbeits­ab­läufe inspirieren, außerdem hat sie Erkennt­nisse eingearbeitet wie dass Blau die ideale Kü­chen­far­be ist (weil Fliegen und anderes Geflügeltes sie nicht mögen, siehe die Dominanz dieser Farbe im südlichen Mit­tel­meer­raum).

 

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Illustration: Schütte-Lihotzky

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