Dann verirrte ich mich gestern Abend in einen Buchladen, weil man am Eingang mit einer französischen Autorenlesung zu einer Neuerscheinung lockte. Nun, Buchladen nennt sich das Geschäft nicht, eher etwas mit Kaufhaus, aber der Besitzer macht im Leben noch was anderes, und zwar das, was mal auf Österreichisch (früher?) eine "Aufräumerin" nannte, das ist eine Dame, die vor allem putzt - das betreibt jener Ladenbesitzer hauptberuflich im großen Stil.
Die Veranstaltung steuerte schon aufs Ende zu. Drei Menschen saßen auf der Bühne: Autor, Moderator, Schauspieler. Der Schauspieler sprach und machte seine Sache hervorragend, er ist ja ein Profi. Dann sprach der Autor, auch er kann seinen Job, und mehr noch, er spricht auch sehr gut. Dann war der Moderator dran. Er fasste die Worte des Autors zusammen, stellte auf Deutsch eine neue Frage und resumierte dann auf erweitertem Schulfranzösisch (Frankreichurlaub?) seine Frage.
Das Gespräch schien abgesprochen zu sein, Stichworte genügten dem Autor und lösten neuen Redefluss aus. Der Moderator schrieb sich dazu nur ein, zwei Worte auf, was mich ein wenig verwunderte. Woher denn seine Nähe zu Märchen käme, war eine der letzten knappen Fragen. Die Antwort indes fiel höchst differenziert aus. Er habe, so der Autor, als Student der Psychologie im Studium, sich an langatmiger Fachliteratur überfressen, zum Beispiel an Werken von Lacan. Da hätte er die Märchen von Montesquieu und Voltaire immer als Erholung empfunden, nicht zu vergessen das Buch "Der kleine Prinz", das ja hier sicher auch alle kennen würden.
Und der Moderator "übersetzte" etwas wie: "Er hat viele Bücher gelesen von einem gewissen Lacan, wenn ich den Namen richtig verstanden habe, und von Montesquieu und Voltaire und 'Der kleine Prinz' kennen Sie ja alle auch ..."
Monsieur Lacan kommt also in Berlin als Märchenerzähler zu unverhofften Ehren. Der Raum war übervoll, die Leute standen zum Teil oder hockten auf der Treppe. Niemand protestierte. Dann bildete sich eine Schlange für die Autogrammstunde.
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