Donnerstag, 17. September 2009

Perspektive und Details

Noch ein P.S. zu improvisierten Dolmetschern.

Auch hier bin ich Zuschauerin und beobachte: Der Mann, der da vorne übersetzt, sagt die ganze Zeit "sie meint", "sie findet", "sie beabsichtigt", wenn es an die Übertragung des Gesagten geht. Wir befinden uns auf einer Autorenlesung - oder ist es eine Filmpremiere? Auf jeden Fall steht neben der Künstlerin jemand, der kein gelernter Dolmetscher ist.

Hier arbeitet einer, der sich nicht traut, das "je" des ausländischen Gasts mit "ich" zu übersetzen. Damit bleibt er auf Distanz, wie seine Perspektive - und er macht die zu dolmetschende Person zum Objekt, dabei ist sie doch das Subjekt des Gesagten.

Ein Dolmetscher ist ein Sprachrohr, ein Medium. Dolmetscher sollen eins zu eins übertragen, damit derjenige, der die fremde Sprache eigentlich nicht versteht, sie eben doch versteht. Außerdem sind Nuancen wichtig, denn sie geben den Aussagen ihren ganz individuellen Charakter. Damit das klappen kann, haben wir Dolmetscher unsere eigenen Techniken, angefangen bei der richtigen Perspektive bis hin zur Kunst, die richtigen Notizen zu machen (und sie danach richtig zu interpretieren) ...

Dann fasst der Mann, der da vorne übersetzt, zusammen, lässt Details weg, belanglos wirkende Nebensätze, die schmucklos und bescheiden daherkommen, zarte Worte in der Schwebe, die auch jemand, der die Sprache des weiblichen Gasts versteht, möglicherweise zunächst überhört. Aber am Ende haben wir Sprachkundigen diese so vielsagenden Wortchen eben doch wahrgenommen, sie geben dem Gesagten sein Parfum, das Lokalkolorit, den künstlerischen Eindruck - und vermitteln Stil.

Dem improvisierten Übersetzer sind sie möglicherweise nicht entgangen, er hat sie aber vielleicht im Stress für nicht übersetzenswert erachtet. Jenen, die auf die Übertragung in eine andere Sprache angewiesen sind, wird dabei zu viel vorenthalten, finde ich. Schade.

Und am Ende doch noch ein Beispiel: Eine Dame erzählt von ihrem Mann, der nach einer langen Krankheit verstarb. Sie sagt: "Für mich war der Strauch im Garten immer wie ein Symbol für ihn. Er wuchs und wuchs, selbst, wenn wir ihn radikal zurückschnitten, was wir manchmal mussten: Er kam immer wieder. Er war so stark."
Der Mann, der da vorne übersetzt: "Immer, wenn sie den Strauch im Garten sieht, muss sie an ihn denken, den haben sie immer zusammen beschnitten."

1 Kommentar:

Bettina hat gesagt…

Ist das JT im Kino Arsenal? Ein echtes Ärgernis!
Gruß aus Wessiland,
B