Freitag, 30. Mai 2008

Simultan eingesprochene Filme

Sie, geneigtes Publikum bzw. Einzelne daraus, die Sie in unsere Arbeitsterminologie natürlich eher nicht eingeweiht sind, fragen manchmal, ob ich eine "Synchrondolmetscherin" sei. Darauf kann ich nur mit einem klaren "Jein" antworten.

Nein, denn hier verbinden sich zwei Worte. Zum einen ist da die Erinnerung an das Wort "Simultandolmetscher" und dann der Begriff "Synchronisation". Letzterer stammt aus der Filmendfertigung und beschreibt die Vertonung eines Films im Studio, entweder die "Postsynchronisation", da war der Direktton beim Dreh nicht "sauber", oder die "Synchronisation", hier erhält ein Film eine anderssprachige Tonspur für den Export.

Ja, weil lustigerweise aber das, was ich oft mache, vom nicht existierenden Wort "Synchrondolmetschen" gar nicht so weit entfernt ist. Auf Festivals oder in Kinematheken sitze ich mitunter in der Kabine und spreche alle Filmdialoge parallel in einer anderen Sprache, zeitgleich zur Vorführung, meine Stimme landet per Konferenztechnik bei den Zuhörern. Von der Synchronarbeit unterscheidet meine Aufgabe indes, dass ich alle Rollen spreche und nicht nur Frauen zwischen 20 und 50, die meinem Stimmbild entsprechen. Von manchem alten Film gibt es oft keine untertitelte Kopie mehr, oder aber die Untertitel sind in einer Sprache, die ein Teil des Publikums nicht versteht. Eine andere Einsatzmöglichkeit für diese Dolmetschart sind Kinderfilmaufführungen. Oder aber die Filme sind so brandneu, dass es noch keine fremdsprachige Fassung gibt ...

Für die Zuhörer ist es gewöhnungsbedürftig, dass die Worte aller Rollen und der Kommentar, so vorhanden, von nur ein- und demselben Sprecher kommen.

Was macht diese "Vertonung" zu einem angenehmen Erlebnis, bei dem man sehr rasch vergisst, dass ich nur einer Stimme zuhöre? Ich war in den letzten Jahren viel auf Festivals und bei Retrospektiven, und wenn ich nicht in der Vorbereitung oder der Kabine saß, habe ich auch schon mal bei Kollegen reingehört. Daher weiß ich, was gut "rüberkommt", und zwar:

- Eine entspannte Sprecherstimme, die ihrer Mittel sicher ist
- Eine bewusste Sprechhaltung mit der richtigen Graduierung zwischen den jeweiligen Enden der Skala, also am richtigen Punkt zwischen "Neutralität" und "Schauspiel" (weitaus näher an Neutralität, als an Schauspiel dran)
- Kenntnis des Films, bestenfalls auch anderer Filme des Regisseurs bzw. Referenzfilme
- Textkenntnis, also gründliche Vorbereitung
- Kenntnis des Rhythmus des Films, um Atemnot zu vermeiden, also Probenzeit
- Kenntnis der und Arbeit mit der Ausgangssprache. Die anderssprachigen Untertitel sind als Impulsgeber zu betrachten. Verdolmetschungen, die aus dem Untertitel heraus in die dann dritte Sprache gehen, neigen zum Stille-Post-Effekt, sobald idiomatische Redewendungen verwendet werden, und viele Filme sind damit geradezu gespickt.

Sicher, ich beschreibe hier den Idealzustand und habe selbst auch schon Filme verdolmetscht, deren Sprache ich nicht kannte, hatte aber hier die Untertitelliste (Englisch), ein vorbereitetes Synchronbuch (Deutsch) sowie eine Muttersprachlerin an der Hand für die drei, vier richtig fetten Fragezeichen, die sich in der Vorbereitung ergaben.

Aber wir sollten in allem, was wir tun, uns Gedanken über das maximal Mögliche gemacht haben und um die Wirkung der einzelnen Aspekte wissen, damit wir dann in der Situation, in der Kompromisse gemacht werden müssen, souverän die richtigen Entscheidungen fällen.

Denn 90 Minuten als Solosprecher einen Film einzu"lesen", wie die Technik manchmal auch genannt wird, reicht mir als Stressor. Weitere Störfaktoren wie Filmriss, Umschnitte der Festivalkopie, Tonprobleme im Kinosaal und der Vorführer ist auf dem Klo (alles schon erlebt) stellen sich ganz von alleine ein.
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Bilder: In der Berlinale-Kabine (Festivalpalast)

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