Montag, 4. August 2014

Dolmetschen bei der Eheschließung

Was Sie hier durch­­blät­­tern, lie­­be Le­­ser­­in, lie­­ber Le­­ser, ist mein di­­gi­­ta­­les Ar­beits­­ta­­ge­­buch. Ich be­schäf­ti­ge mich täg­lich mit Spra­chen und Inhalten, und zwar als Dol­met­scher­in und Übersetzerin.

Zwei Ringe in einer herzförmigen Porzellanschale
In hellen wie in dunklen Zeiten
Zwei Dolmetschsituationen für Eheschließungen kann ich dieser Tage ver­glei­chen. In einem Fall hat eine Grund­schul­leh­rer­in ihren lang­jäh­ri­gen Le­bens­ge­fähr­ten ge­hei­ra­tet, ei­nen Musiker aus dem Senegal, damit er endlich sei­nen Auf­ent­halts­sta­tus klären kann. Er ist stu­dier­ter Musiker und möchte Lehrer wer­den. Gerade inten­si­viert er sein Deutsch­lern­pro­gramm.

Er kann sehr gut mit jungen Menschen umgehen und sie motivieren. In Frankreich hat er zudem ein Physikstudium absolviert. Die Schüler, die er später unterrichten wird, können sich freuen! Bis sein Deutsch gut genug fürs Re­fe­ren­da­riat ist, er­nährt Ma­dame ihren Liebsten. Ich kenne die beiden über einen Chor. Ich gehe also dol­met­schen, lasse mich nicht bezahlen, bringe einen Kuchen mit und be­tei­lige mich am Hochzeitsgeschenk des Chors. Am Ende drängt mir die Mutter der Braut einen Schein auf. Die Tochter sagt mir augenzwinkernd, dass sich das wohl nicht ver­mei­den ließe. Wir entscheiden gemeinsam, dass wir das Geld Menschen spen­den, die wirklich in bitterer Armut leben.

Die zweite Hochzeit ist zunächst eine Anfrage: Die Autorin der Mail ist dreisprachig und arbeitet im Bereich Öffentlichkeitsarbeit eines großen Wirt­schafts­un­ter­neh­mens. Sie bietet mir 50 Eu­ro für das Dolmetschen einer Zeremonie für aus­län­di­sche Gäste an, die 40 Mi­nu­ten dauert. Erstens mag ich es nicht, wenn mir Kunden meinen Preis vorschreiben. Ich bin Freiberuflerin, und andere Freiberufler wie Ar­chi­tek­ten und Anwälte werden natürlich in solchen Situationen gefragt, was sie denn berechnen werden.

Zweitens hat die Dame nicht bedacht, dass der Ort der Eheschließung für mich am anderen Ende der Stadt liegt. Ich antworte, dass ich zwar regelmäßig vergüns­tig­te Tarife an­bie­te, mir dieses aber nur deshalb leisten kann, weil Kun­den, die re­gu­lä­ren Kar­rie­ren nachgehen, in der Regel normale Sätze zahlen.

Beispielrechnung mit einmal programmierter Maske




Hm, der erzwungene Umbruch funktioniert hier nicht, wie er soll, direkt hinter einem leinwandfüllenden Bild. Also behelfe ich mich mit weißem Blindtext. 
Als Antwort kommt kein weiterer Vorschlag, sondern die Bitte, ihr meinen Preis zu nennen. Ich kalkuliere nach Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) und berechne, wie es das Gesetz vorsieht, auch Wege, Wartezeiten und Co. sowie das Fahrgeld. Leider habe ich seither nichts mehr von der Braut in spe ge­hört.

Tja, dann müssen die Betreffenden wohl in letzter Minute irgendeiner |Agentur| Dol­metsch­mak­ler­fir­ma in die Hände fallen. Die werden für einen halben Tag 450 Euro berechnen und dem/der Dolmetscher/in 180 Euro davon abgeben (oder sowas in der Preislage).

We are not amused. Und weg mit den Ärgergedanken, die mich hier anfliegen. Ich habe zwei neue Präsentationen zu Vorträgen der Konferenz auf dem Tisch, die wir nächste Woche betreuen werden. Weiter im Text!

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Foto: C.E. (Archiv)

1 Kommentar:

Vega hat gesagt…

Sehr gut reagiert! Lass' Dir nichts vormachen!

Grüße ans Meer,
Bine