Kaisersemmel
Über lustige Brötchen- und Brotnamen schrieb ich bereits Juni 2014. Damals waren mir neben den berlinüblichen "Schrippen" auch die "Weltmeisterbrötchen", die "Schusterjungen" und der "Hausfreund" aufgefallen, letzteres eine Brotsorte.
Heute kaufte eine Frau neben mir eine "Seele". Die berühmte Online-Enzyklopädie klärt mich auf: langgestrecktes Weizengebäck, schwäbische Küche, in der Regel mit Salz und Kümmel bestreut. Gut, dann kam mit dem "Weckle" offenbar auch die Seele nach Berlin, häufig anzutreffen im Bezirk Prenzlauer Berg. Ein weiterer Import ist der "Spitzbube", ein untertellergroßes Mürbeteigplätzchen mit Gesicht, den ich bei einem besonders feinen Bäcker in Charlottenburg in der Auslage sah, bei Wikipedia gibt's auch ein Foto dazu. "Ochsenauge" oder "Linzer Auge" gelten als Variationen dazu.
Kaisersemmel und Hasenbrot von "Matisse" |
Es könnte auch Brot sein, das am Ende — vielleicht nur vermeintlich — für die Hasen bestimmt ist. Die moderne Analogie dazu wäre der "Doggy bag", die von der Mahlzeit eingepackten Reste aus dem Restaurant, die auch eher für den Menschen gedacht sind als fürs Tier.
Zurück in die Bäckerei, Sprung in die Vergangenheit, in die DDR. Meine Urgroßmutter ging damals noch "Kaisersemmeln" einkaufen. Um sie altersmäßig einzuordnen: Sie trug im hohen Alter nur schwarze Kleider, die nach dem 19. Jahrhundert aussahen und im Zweifel sogar aus der Zeit stammten, aber von ihrer Mutter geerbt waren. Ich kannte sie als sehr liebe, hochbetagte Dame, die natürlich selbst im 19. Jahrhundert geboren worden war. Es umgab sie stets eine Parfumwolke, "Veilchen mit Mottenkugeln". Und natürlich wurde ihr das gewünschte Imperialistengebäck auch mit exakt diesem Namen zurückgereicht, gut verpackt in einen alten Brotbeutel aus Leinen.
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Idee: H.F. / Grafik: Dall:E, Hintergrund ergänzt
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