Dienstag, 9. Juni 2020

COVIDiary (87)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seuchenbedingt brachliegt. Derzeit können wir unsere Kunden nicht persönlich tref­fen. Lösungen wie Dolmetschen via Internet werden gerade er­probt.

Online-Dolmetschen, Ferndolmetschen, RSI (Remote Simultaneous Interpretation), viele Begriffe für ein- und dieselbe Sache: Wir dolmetschen für Kunden aus der Distanz, komplett hygienisch, das Internet macht's möglich.

Durch Corona vollzieht sich die Digitalisierung bei uns, wie in anderen ge­sell­schaft­li­chen Bereichen zum Großteil auch, im Zeit­raf­fer. Gestern noch ex­pe­ri­men­tel­le Tech­no­lo­gie, heute schon Alltag, dabei kämpfen wir alle derzeit mit unsauberer Akustik und der Frage, wie wir Dolmetscher untereinander kom­mu­ni­zie­ren, z.B. über den Zeitpunkt der Ablösung, wenn wir einander nicht sehen können.

Für Sie als Kunden ändert sich weniger als für uns. Doch müssen Sie beim Buchen auch künftig aufpassen, wen Sie beauftragen, denn die Gunst der Stunde scheint auch für allerlei Glücksritter zu schlagen, die etwas programmieren, was einer Seite ähnelt, über die sich Dolmetschdienstleistungen buchen lassen, die aber im Grunde keine Ahnung von unseren Bedürfnissen und den technischen Details ha­ben, oder nur aus zweiter Hand, weil sie auf einen fahrenden Zug aufzuspringen und einen neuen Markt zu begründen hoffen.

Der Zwischenhandel verdient in vielen Bereichen gut. Im Falle von Sprach­dienst­leis­tun­gen ist es wenig sinnvoll, auf Zwischenhändler zu setzen. Denn diese neuen (oder auch schon älteren) Marktteilnehmer träumen davon, gutes Geld mit dem Weiterverkauf von etwas zu machen, das sie nicht selbst beherrschen, indem sie nur die Hälfte (oder weniger) des Endkundenpreises an diejenigen weiterreichen, die den Job letztendlich machen: an uns Dolmetscherinnen und Dolmetscher.

Auf den ers­ten Blick se­hen unsere Ho­no­ra­re wie hohe Sum­men aus. Aber das Gros un­se­rer Ar­beits­zeit ent­fällt auf die Vor­be­rei­tung, bis zu 80 Pro­zent des Gesamt­auf­wan­des. Die für Kun­den hör­ba­re Zeit ist die be­rühm­te Spitze des Eis­bergs. Der Vor­be­rei­tungs­an­teil ist durch Co­ro­na ge­wach­sen. Mit Fern­­dol­­met­schen hat­te kaum je­mand von uns Er­fahr­rung, denn die Ar­beit ist an­stren­gen­der, das Er­geb­nis ent­spricht aus tech­nischen Gründen nicht immer der üb­li­chen Qua­li­tät. Wer will schon "un­­der­­per­­for­men", um's auf Neu­­deutsch zu sagen?

Sie haben die Erfahrung wahr­schein­lich schon selbst ge­macht: Eine On­line­kon­fe­renz oder ein Videochat ist un­gleich er­mü­den­der und weniger informativ als ein direkter Austausch. Die Gründe dafür sind rasch benannt: Der Ton lässt oft zu wün­schen übrig, das System wackelt, wir müssen uns stärker kon­zen­trieren, weil wir äußere Einflüsse ausblenden müssen, die virtuell vorhandenen Kollegen sich als reell vorzustellen kostet geistige Ener­gie.

So geht es auch uns Spracharbeiterinnen und Spracharbeitern. Wir alle üben, ex­pe­ri­men­tieren, lernen das Ganze noch kennen: die zahlreichen Webseiten, "Schnitt­stel­len", die Schaltkonsolen von Dol­metscher­ka­bi­nen simulieren. Sie sind oft be­nut­zer­un­freund­lich, erhöhen für uns un­nö­tig den Aufwand, verringern für Sie un­nö­tig den Hörkomfort. Fast täglich kommen neue Anbieter hinzu, fast täglich ändern sich die bestehenden technischen Angebote. Fast täglich beschäftigen wir Dol­met­sche­rin­nen und Dolmetscher uns derzeit mit diesen Features und den Mög­lich­kei­ten, mit akus­ti­schen Prob­le­men umzugehen; wir investieren au­ßer­dem ge­ra­de alle in neue Hardware, Zweit­com­puter, eine zweite Inter­net­leitung, Steuerungs­ele­mente, Schall­iso­lie­rung.

Die Sache ist ganz einfach: Wenn Sie Laborwerte brauchen, überlassen Sie der Ärz­tin oder dem Arzt Ihres Vertrauens die Laborauswahl. So ist es auch mit uns! Wir freiberuflichen Dolmetscherinnen und Dolmetscher wissen, wer im Augenblick die beste Technik anbietet. Wir buchen diese gerne für Sie hinzu.

______________________________  
Grafik: C.E.

Keine Kommentare: