Aus der Übersetzerwerkstatt: In den Wochen vor dem Filmfestival in Cannes treffen bei uns viele Drehbücher ein. Das Schöne am Drehbuchübersetzen ist, dass literarische Qualitäten gefragt sind, nicht wörtliches Übersetzen. Manchen französischen Büchern merke ich außerdem an, dass sie sehr schnell geschrieben wurden — und streiche Bild- und Denkfehler. Außerdem versuche ich hier und da Klischees abzumildern und moderner zu werden. Damit komme ich den Bitten der deutschen Produzenten nach, denn französische Bücher sind gern ein wenig altmodischer, klassischer, während die deutschen eher der amerikanischen Tradition verpflichtet sind, also klarer, einfacher, eindeutiger daherkommen. Am Ende soll das deutsche Buch so klingen, als wäre es auf Deutsch geschrieben worden.
Dieser Tage überarbeite ich eigene Arbeiten (und ergänze um neue Passagen aus Drehbuchautorenfeder) sowie ein Buch, das ein weniger erfahrener Übersetzer in der Hand gehabt hatte. Beispiele ...
Jemand geht von außen auf ein Gebäude zu, er ahnt, dass sich darin viele Menschen befinden, denn: "une épaisse couche de buée recouvre la vitre", eine dicke Schicht Dampf/Schwitzwasser bedeckt das Fensterglas.
Ich habe meine Schwierigkeiten damit — denn wie dick kann Dampf oder Schwitzwasser aufgetragen werden? Ich sehe eher das: Erst beschlagen die Fenster, dann läuft das Kondenswasser in Tropfen am Glas hinunter und bildet kleine Rinnsale. Ich ändere also in die Fenster sind von innen beschlagen, was auf großen Andrang hindeutet. Später kommen die Tropfen ins Spiel.
Dann lese ich weiter in der Fassung des Erstübersetzers: "Er [der Protagonist] hängt wieder mit dem Ohr am Handy, während er in die Schwüle des Gebäudes tritt."
Seit wann gibt es Fühl- und Geruchsfilm? Ich blicke wie immer ins Original: "tout en pénétrant dans la nébuleuse" ... er betritt also etwas Nebliges ... Da Nebel auf Deutsch nur draußen vorkommt (bis auf Theaternebel), schreibe ich: ... während er den dunstigen Innenraum betritt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen