Montag, 15. Juni 2009

Zeitmaschine Sprache

Ein Buch zu übersetzen, das 1830 geschrieben wurde, ist nicht einfach, selbst wenn es sich bereits um eine in ein Drehbuch umgearbeitete Fassung handelt. Im Ergebnis übersetze ich fast jeden Satz zweifach auf meiner Zeitreise durch die Sprache. Beispiele.

Ein junges Mädchen wird beschrieben mit une fille à peine sortie de l'adolescence. Auf Deutsch würde man sagen, sie ist kein "Teenager" mehr, aber das geht im Kontext nicht. Mein Hirn schreitet Epoche für Epoche zurück, die "Jugendliche" ist der neutrale Begriff, doch von wann stammt er?

Handelte es sich um einen jungen Mann, sprächen wir von einem "Halbstarken", da klingt der Film von 1956 nach aus der Feder von Will Tremper. Weiter zurückspulen, ich komme vom "Jüngling" zum weiblichen Pendant, dem "Backfisch", das klingt nach Else Ury und "Nesthäkchen". Ich gehe schlussendlich von der Größe aus: eine "Halbwüchsige" - und werde am Ende wörtlich: "Eine Frau, den Jugendjahren knapp entwachsen, ..." Das ist es!

Denn das Wort "fille" lässt sich im Kontext großbürgerlichen Lebens nicht immer mit "Mädchen" übersetzen: damit ist das Zimmermädchen gemeint, das drei Zeilen später seinen Auftritt hat: Elle sonne la servante - sie klingelt nach dem Mädchen ...

Das Mädchen ist auch die Angesprochene hier: Préparez-moi un bain !, lautet die Aufforderung, die Sprechende wünscht zu baden. Nun kann man 1830 kein "Bad einlaufen lassen", sondern auch hier muss ich wieder wörtlich drangehen: "Bereiten Sie mir ein Bad!" (Den Ausdruck finde ich bei Ignaz Wrobel alias Kurt Tucholsky bestätigt.)

Einige Szenen später liegt die Hauptfigur in der Wanne - im "Badezimmer neben dem Salon". Gab es damals schon Badezimmer in großbürgerlichen Mietwohnungen? Und so nah an den repräsentativen Räumen? Ich suche weiter.
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Badewanne ("Gefäß aus Metall oder Stein, in dem man badet")
Larousse illustré, 1910

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