Und wieder sitzen wir im Kino, diskutieren mit Gästen und Kollegen und überlegen hinterher, was wir da eigentlich machen, wenn wir für Festivals arbeiten, während das kleine französische Filmfest in seine Zielgerade geht.
Nicht hier, aber auf der Berlinale werden Untertitel verdolmetscht - es ist also die Übersetzung der Filmdialoge in den Untertitel und aus ihm in eine andere Sprache, eine doppelte Übersetzung demnach. Auch für die einfache Übersetzung gilt: Witze müssen witzig übersetzt werden, sonst lacht nur ein Teil des Publikums. Und, was mindestens genauso schwer ist, der richtige Zeitpunkt will getroffen sein, der technische Begriff fürs Setzen der Zeiten lautet 'spotting', damit alle etwa gleichzeitig lachen. Wird der Witz vorweggenommen oder nachgeliefert oder fehlt er ganz, sieht plötzlich der Zuschauer den Untertitel, ist seine Funktionsweise — lesen und dabei vergessen, dass man eigentlich liest — unterbrochen.
Werden diese Untertitel nun verdolmetscht, weil z.B. die Berlinale als Service französischsprachige Fassungen englischer Filme anbietet, die nur auf Deutsch untertitelt sind, folgen diese 'gesprochenen Untertitel' den Regeln des Untertitelns und nicht denen des Dolmetschens. Ich erkläre mich: Konferenzdolmetscher dürfen in der Kabine nicht fluchen, der mitunter lückenhafte oder unterbrochene Satzfluss 'echter' Menschen wird, falls nötig, immer im Sinne des Sprechers verbessert, Versprecher werden ausgebügelt, wüste Ausdrücke ein oder zwei Sprachniveaus aufgewertet. Kritiker mögen einwenden, damit würden Dolmetscher ihren Kunden untreu - jetzt an das Sprichwort 'traduttore, tradittore' (qui traduit, trahit = der Übersetzer ist ein Verräter) zu denken ist legitim. Der Aufhübschungsreflex der Sprachmittler ist indes Teil ihres Überlebensinstinkts — so lässt sich das Phänomen erklären, vielleicht sogar entschuldigen. (Denn nach beigelegtem Streit will nicht der Dolmetscher wegen angeblich falscher Übertragung Anlass der Auseinandersetzung gewesen sein).
Dennoch: beim Filmdolmetschen ist eben dieses Vorgehen falsch, denn der künstlerische Ausdruck steht im Vordergrund ... und die Treue der Übersetzung. Daher ist es wichtig, mit der originalsprachlichen Fassung des Filmes zu arbeiten, denn "vom Blatt" unter Zuhilfenahme von Untertiteln zu dolmetschen, die ja schon eine Übersetzung sind, programmiert Fehler und Ungenauigkeiten.
Wie der deutsche Untertitel “geht schnell” als Ausgangstext einer Verdolmetschung zu anderen Ergebnissen führen würde als der Rückgriff auf das originalsprachliche no big deal, zeigt das Bild, das aus dem Film “Ballast” von Lance Hammer stammt, der 2008 im Berlinale-Wettbewerb lief. Im Zeitalter der Raubkopierer liegt hier die Krux: Oft erhalten wir heute keine DVD zur Vorbereitung mehr ausgehändigt.
So ist Schnelligkeit nötig — und Filme, die Pausen lassen, sind klar im Vorteil: Nur so bleibt Zeit für Notizen. Zurück zum Filmdialog: Isst Du mit? - Hier wäre auch un petit truc oder une petite bricole möglich gewesen, "'ne Kleinigkeit" eben ... sich auf den Zeitgedanken zu verlassen, den der deutsche Untertitel einbringt, hätte zu einer kleinen Sinnverschiebung geführt.
Einige Filmminuten später fand ich in den deutschen Untertiteln: "Was soll das, Mensch?" In der Vorbereitung hatte ich die Zeile unterkringelt, weil die Worte offenbar in einem Streit fallen und je nachdem, was derjenige, der angesprochen wird, gerade macht, unterschiedlich übersetzt werden müssen. Beim "Probedurchlauf", der Pressekonferenz, schreibe ich mir den ausgangssprachlichen Satz auf: What the fuck are you doin'? Und "finde" spontan als Übersetzung Qu'est-ce que tu fous là ?! Die Bilder danach sind wieder ohne Dialog, so dass mir Zeit bleibt, alles zu notieren. Bei der Galavorführung am Abend merke ich, die Lösung stimmt, nur im Deutschen ist das Sprachniveau nicht ganz getroffen.
Details von Sequenz und narrativem Kontext habe ich heute, ein Vierteljahr später, vergessen. Vorbereitung ohne Sichtungs-DVD ist eben nicht so effizient wie mit. Die Pressevorführung dürfte eigentlich nicht der Probedurchlauf sein, bei dem wir Dolmetscher die Filme selbst zum ersten Mal sehen. Aber das ist eine andere Geschichte.
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