Montag, 8. Juni 2009

Doppelzüngig gesprochen

Das ist mein liebster Kalauer, wenn mich jemand auf die zwei Sprachen anspricht, die mich bewohnen: Ich bin eben doppelzüngig. Damit beweise ich eigentlich das Gegenteil: ich übersetze wörtlich und ein wenig schräg - denn in
bilingue - zweisprachig
steckt natürlich das französische Wort la langue - die Zunge.

Streng wissenschaftlich betrachtet bin ich nicht zweisprachig - der Begriff bezeichnet Menschen, die von Kindesbeinen an in zwei Sprachen leben. Natürliche Zweisprachigkeit entsteht zum Beispiel in zweisprachigen Familien, die das Prinzip "ein Erwachsener, eine Sprache" befolgen. Im Alltag wirkt es sich dann so aus, dass beispielsweise eine französische Mutter und ein deutscher Vater mit dem Nachwuchs fast ausschließlich in ihrer jeweiligen Muttersprache sprechen. Das Kind verknüpft dann die Sprachen an die Situationen, an Alltag und Orte - und mit dem jeweiligen Elternteil.

Bei mir war Französisch die Sprache einiger Vorfahren, vieler Ferien, von Schulbesuchen und Studium. Aber eben kein Idiom, das mir in die Wiege gelegt wurde. Dennoch empfinde ich oft wie ein natürlich zweisprachiger Mensch - denn ich verbinde viele Bereiche des Lebens mit der Sprache, denn ich lebe mit und in ihr. So fächert sich die Zweisprachigkeit auch bei natürlichen Zweisprachigen oft auf, verschiebt sich geografisch oder inhaltlich, zum Beispiel durch Berufsausbildung und Studium. Dann ist Fachgebiet A in der einen Sprache präsenter, der Lebensbereich B in der anderen Sprache.

In beiden Sprache gleich fit zu sein, ist in einem Zwischenschritt oft mit der Anstrengung des Übersetzens verbunden, wenn zum Beispiel der Mutter (aus Deutschland) Episoden aus dem Studium (in Frankreich) berichtet werden. Erst durch das Sprechen, das Wiedererleben, das Spiegeln eigne ich mir die Geläufigkeit auch in der anderen Sprache an, die einen Muttersprachler ausmacht. Sprache lebt in der Interaktivität und braucht, um aktiviert zu werden, das menschliche Gegenüber (weshalb Sprachlernprogramme per Computer immer nur eine von vielen Ergänzungen sein können). Geschmeidigkeit im Übertragen erlangen viele Studierende in binationalen Studiengängen, wie sie immer häufiger angeboten werden, wenn er oder sie nicht ohnehin gleich Sprachwissenschaft, Übersetzungswissenschaft oder ähnliches studiert.

In der U-Bahn fällt mir auch täglich Sprachmischmasch auf, bei dem der jeweils fremdsprachige Begriff beibehalten und in die andere Sprache exportiert wird. So bekommen selbst des Türkischen, Polnischen oder Russischen Unkundige mit, ob es im Gespräch von Mitreisenden zum Beispiel um Schule, Behörde oder Unterhaltungselektronik geht. Das ist nicht immer nur Faulheit, weil ja auch das, worauf sich der Sprechende bezieht, aus einem anderen Kontext stammt, einfachstes Beispiel, wir bleiben untergründig: "Die Tickets für die Pariser Métro sind billiger als Fahrscheine für die Berliner U-Bahn!"
Und so ähnlich klingt es denn manchmal im Kopf. Zwischenrufe des inneren Monologs, die an die Adresse einer bestimmten Person gerichtet sind, erklingen im inneren Wortwirrwar dann auch in der Sprache dieser Person.

In welcher Sprache ich denn nun meistens dächte, in welcher ich die "echte Caroline" sei, wurde ich schon wiederholt gefragt. Und welche Sprache ich denn am liebsten hätte ... Diese Frage ist mindestens genauso sinnvoll wie die an eine liebende Mehrfachmutter gestellte Frage, welches Kind sie denn nun am liebsten habe: "Jedes!"

Für welche Sprache sich das Gehirn in welcher Situation von allein entscheidet, wenn sonst keine Einflüsse vorhanden sind, kann ich manchmal nicht nachzuvollziehen. Ich denke, der Kopf hat da seinen Zufallsgenerator am Werk. So ähnlich verhält es sich mit Träumen. Es ist mir schon passiert, dass ich vom eigenen Lachen aufgewacht bin, weil ein Mensch im Traum sich der falschen Sprache bedient hat, also nicht die gesprochen hat, die sie oder er im Alltag spricht. Der Widerspruch in mir: "Das kann nicht sein!", ließ mich aufwachen, und der Sprachanalysegenerator im eignen Kopf befand die Szene als lustig. Das ist so schräg wie manch' anderes Doppelzüngige ...

2 Kommentare:

Jean-Pierre hat gesagt…

Misslungenes Zungenpiercing? Sieht ja böse aus!

caro_berlin hat gesagt…

Nee, eine Art Online-Fotoshop.
Hier: http://www.pixlr.com/editor/
Grüße! C.