In Lochkarten steckt die DNA heutiger Rechner |
Sie befürchten, dass Sprachmittler bald durch den Technikfortschritt arbeitslos werden könnten. Allerdings werden auf absehbare Zeit Menschen den Maschinen haushoch überlegen sein. Wenn sie heute ein Gerät mit zu Übersetzendem füttern und das Ergebnis dann (mit einem anderen Fenster/Browser aufgerufen) zurückübersetzen lassen, werden sie merken, wie schwer verständlich die Ergebnisse sind und dass sich im Wiederholungsfall die Ergebnisse verändern.
Auf Französisch heißen wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher un/une interprète. Sie dürfen darin gerne das Wort "interpretieren" erkennen.
Die Sache mit den automatischen "Übersetzungen" von Computern ist so, als würden Sie alle Zutaten für ein Gericht gleichzeitig in einen Topf oder eine Kuchenform kippen und das Gefäß dann auf den Herd oder in den Ofen stellen. Die hinzugefügte Wärme würde daraus noch lange kein Gericht machen. Menschen mit Wissen, Erfahrung (und Kochbüchern) sorgen dafür, dass die richtigen Zutaten zum jeweils optimalen Zeitpunkt mit der abgestimmten Temperatur und den jeweils anderen Zutaten angebraten, geschmort, gegart oder gebacken werden. Und dass zuvor etliche Zutaten auf die Weise gereinigt, geputzt und im Bedarfsfall kleingeschnitten worden sind.
Rechner hingegen kennen nur Einsen und Nullen, ein Ja oder ein Nein, kein Dazwischen, kein Vielleicht. Menschen sind in ihren Ausdrücken individuell, vielfältig und selten perfekt. Beim Übertragen müssen wir also immer erst den Sinn dahinter verstehen, die Nuancen begreifen, bei manchen Texten die Leerstellen spüren (und belassen), kleine Fehler notfalls korrigieren (in der Regel nach Rücksprache). Unsere Intelligenz entspricht im Optimalfall jener unserer Autoren.
Die Intelligenz von technischen Geräten allerdings kennt keine Zwischenräume, sie ordnet ein Wort einem zweiten eindeutig zu und ist nicht einmal dazu fähig, sich darüber zu wundern, dass ein Mensch je nach Kontext etwas anderes verwenden würde. Männer sprechen anders als Frauen, Jüngere anders als Ältere, Menschen, die aus der DDR stammen, können ihre sprachliche Eigenheit besitzen, wie dies auch bei Dialektsprechern der Fall ist.
Der Rechner mit seiner künstlichen Intelligenz wurde vorab von Menschen angefüttert. Aber bislang beherrschen Maschinen noch nicht einmal die Auswahl aus verschiedenen Synonymen perfekt, ganz zu schweigen von Redewendungen, Wortspielen oder nicht zuende geführten Gedanken (beim Versuch, Gesprochenes zu erfassen und automatisch zu übertragen). Was ist mit Grammatik, Satzbau und situativen Eigentümlichkeiten mancher geschriebener oder gesprochener Wörter? Höflichkeitsebenen, Takt und auch Ironie kennen diese Kisten nicht. Hinzu kommen gruppenspezifische Ausdrücke oder Anspielungen auf Moden, Slogans oder aktuelle Ereignisse.
Das alles müsste ständig, für alle Sprachen, Gruppen und Grüppchen erfasst, analysiert und aufbereitet werden. Dies aber können nur menschliche Gehirne leisten. Um zu vernetzen und zu interpretieren, eine typisch menschliche Tätigkeit, ist humane Intelligenz nötig, die permanent einschätzt, abgleicht und das aus zwischenmenschlichen Begegnungen gewonnene Wissen hinzufügt.
Kurz: Richtig gut übersetzen und dolmetschen werden auch in der nächsten Generation nur Menschen — gerade weil sie über eine menschliche Intelligenz verfügen.
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Illustration: Lochkarte aus der Früh-
zeit der Informatik (Archiv)
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