Jeden Tag beschäftigen wir Dolmetscherinnen und Dolmetscher uns aufs Neue mit gesellschaftlich relevanten Themen, dazu gehören auch Theorien und erste Praxisversuche einer anderen Art des Wirtschaftens, von sozialer und solidarischer Ökonomie beispielsweise, die meiner Meinung nach noch nicht genug Beachtung finden. Unsere Länder müssen mehr Geld für Umweltschutz einsetzen, für den Umbau der Ökonomie, für Bildung, Bildung, Bildung und natürlich für Soziales. Die anstehende nachhaltige Transition wird ohne soziale Gerechtigkeit nicht möglich sein. Und von sozialer Gerechtigkeit sind wir in vielen Ländern derzeit weit entfernt — das ist weder ökologisch noch sozial oder christlich.
A propos christlich und die anstehenden Feiertage: Interessant eine Initiative in München. Dort gehen eine Hochschwangere und ein Handwerker gerade ebenso presse- wie publikumswirksam auf Wohnungssuche, das Ganze hübsch inszeniert als Protestaktion gegen Wohnraum als Spekulationsobjekt (Link zum SZ-Artikel).
Baudenkmal hinter schwarzer Wand |
Oder eben Paris: In der Stadt meines zweiten Wohnsitzes geht es derzeit hoch her. Der Weg zur Arbeit ist mühselig. Wir Dolmetscher streiken nicht, haben indes Verständnis für Arbeitskämpfe und Auseinandersetzungen um soziale Standards, sind unterschiedliche Meinungen und das Ausverhandeln doch Teil der Demokratie; das Gleiche gilt für die immer dringender werdende Frage nach der Nachhaltigkeit unserer Lebensweise.
Aber mir macht die Entwicklung derzeit Angst. Allzu oft schlagen etliche dort über die Stränge, Steinewerfer auf der einen, aber auch Vertreter der Staatsmacht auf der anderen Seite, die, fast komplett schwarz gekleidet, mit Helmen und Schilden eher wie Robocops wirken als wie unser "Freund und Helfer". Es kam in den letzten Monaten zu schrecklichen Verstümmelungen Demonstrierender und Passanten und sogar zu Toten. Diese Staatsmacht lässt mit Gummigeschossen auf Menschen schießen.
Die schwarze Wand vor Baudenkmalen finde ich beängstigend. Beim Vorbeirennen zum Einsatz spüre ich die dräuende Wut beider Seiten fast physisch. Schnell weg hier, fort zum Termin und nachher durch den Hintereingang raus und auf Umwegen zu Fuß nach Hause.
Warum Dolmetscher nicht streiken, dürfte klar sein: Der Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren der diversen Länder ist unsere Arbeit; aber auch Rücksprachen, wissenschaftliche Begleitung der gesellschaftlichen Entwicklung ebenso wie das Nachdenken diverser Gruppen über Lösungen und anstehende, weitergehende Fragen. Wir Dolmetscher sind da ähnlich wie Ärzte oder Feuerwehrleute.
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Illustration: C.E.
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