Als Filmdolmetscherin sitze ich in der allerersten Reihe — ich lerne regelmäßig Filme schon kennen, bevor's überhaupt welche sind. Denn natürlich ist eine Filmdolmetscherin, die auf sich hält, auch Drehbuchübersetzerin!
Letztes Jahr habe ich zum Beispiel zehn Drehbücher übersetzt, insgesamt eine Million Anschläge, das war viel Arbeit. Ich hätte sogar mehr übersetzen können, wenn mich mancher Produzent mit meinen Fragen und Anmerkungen ernst genommen hätte. Denn als erste externe Leserin, über deren Schreibtisch viele Drehbücher wandern, sehe ich Baufehler in der Dramaturgie, höre ich Papier rascheln bei Dialogen, spüre Schwächen von Charakteren. Natürlich übersetze ich (und meine Kollegen) viele Arbeitsfassungen, ist jene, die gerade in Arbeit ist, selten bereits das shooting script oder die Fassung für die internationale Vermarktung, bei Dokumentarfilmen der Sprecherkabinentext.
Da Drehbuchübersetzung relativ teuer ist, weil es — mit viel Aufmerksamkeit und Liebe gemacht — einfach viel Zeit kostet, übersetze ich ungern Bücher in zu frühen Stadien. So kommt es, dass meine Fragen, mein Zögern, meine Anmerkungen manchmal zu Lektoratsaufträgen werden.
Ausreichend Zeit zu haben ist das eine, die gute Terminplanung das andere. Wenn Sie erwägen, von mir oder uns ein Drehbuch übersetzen zu lassen — ich arbeite gelegentlich im Team und habe Kollegen, die in/aus andere/n Sprachen arbeiten, die wir natürlich ob ihrer Qualität aussuchen — ist es immer sinnvoll, beizeiten anzufragen. Manche Monate (z.B. Dezember/Januar, vor der Berlinale, oder und ab April, vor Cannes) könnten wir meist dreifach ausbuchen. Machen wir aber nicht, weil wir sonst das Niveau unserer Arbeit in Gefahr sähen.
Dolmetschen und Übersetzen wird oft der zweitälteste Beruf der Welt genannt.
Terminplanung mit Drehbuchstapel |
Je mehr wir wissen, desto komplizierter kann es am Ende sein. Wir müssen entscheiden, möglichst ebenso pragmatisch in der Umsetzung wie elegant im Ergebnis. Übersetzung liegt im Schnittfeld zwischen Wissenschaft und Dichtkunst. Wir zerlegen alles in kleinste Einheiten und setzen es so neu zusammen, dass niemandem der Vorgang später auffällt.
P.S.: Reparaturarbeiten an Drehbüchern, die von Nichtprofis oder Nachwuchskräften infolge kleiner Unterbietungsschlachten übertragen worden, machen wir nicht mehr, denn im schlimmsten Fall ist unser Korrektorat (in Stunden abgerechnet) am Ende teurer als eine Neuübersetzung. Auf jeden Fall macht es schlechte Laune, und auch die kann das Ergebnis beeinträchtigen.
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Foto: C.E.
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