Montag, 29. März 2010

Drehbücher übersetzen

Hallo, bonjour, hello auf meinen Blog­seiten aus dem Le­ben einer Pro­fi­dol­met­scher­in und -übersetzerin. Ich arbeite in Berlin, Leipzig, Hamburg, Lyon, Pa­ris und dort, wo Sie mich brauchen. 

Als Film­dol­met­scherin sitze ich in der allerersten Reihe — ich lerne regelmäßig Filme schon kennen, bevor's überhaupt welche sind. Denn natürlich ist eine Film­dol­metscherin, die auf sich hält, auch Drehbuchübersetzerin!

Letztes Jahr habe ich zum Beispiel zehn Drehbücher übersetzt, insgesamt eine Mil­lion Anschläge, das war viel Arbeit. Ich hätte sogar mehr übersetzen können, wenn mich mancher Produzent mit meinen Fragen und Anmerkungen ernst ge­nom­men hätte. Denn als erste externe Leserin, über deren Schreibtisch viele Dreh­bü­cher wandern, sehe ich Baufehler in der Dramaturgie, höre ich Papier ra­scheln bei Dia­lo­gen, spüre Schwächen von Charakteren. Natürlich übersetze ich (und meine Kollegen) viele Arbeitsfassungen, ist jene, die gerade in Arbeit ist, selten bereits das shooting script oder die Fassung für die internationale Vermarktung, bei Do­ku­men­tar­fil­men der Spre­cher­ka­bi­nen­text.

Da Drehbuchübersetzung relativ teuer ist, weil es — mit viel Aufmerksamkeit und Liebe gemacht — einfach viel Zeit kostet, übersetze ich ungern Bücher in zu frühen Stadien. So kommt es, dass meine Fragen, mein Zögern, meine An­mer­kun­gen manchmal zu Lektoratsaufträgen werden.

Ausreichend Zeit zu haben ist das eine, die gute Terminplanung das andere. Wenn Sie erwägen, von mir oder uns ein Drehbuch übersetzen zu lassen — ich arbeite ge­le­gent­lich im Team und habe Kollegen, die in/aus andere/n Sprachen arbeiten, die wir natürlich ob ihrer Qualität aussuchen — ist es immer sinnvoll, beizeiten an­zu­fra­gen. Manche Monate (z.B. Dezember/Januar, vor der Ber­li­na­le, oder und ab April, vor Cannes) könnten wir meist dreifach ausbuchen. Machen wir aber nicht, weil wir sonst das Niveau unserer Arbeit in Gefahr sähen.

Dolmetschen und Übersetzen wird oft der zweitälteste Beruf der Welt genannt.

Schreibtisch mit Kalender
Terminplanung mit Drehbuchstapel
Er wird auch so schnell nicht aussterben, dafür sind die bi­nä­ren Codes zu schwach. Das Hin­über­tra­gen von In­hal­ten von einer in die andere Spra­che ist ein zu­tiefst mensch­li­cher Vorgang. Wir über­tragen dabei auch Ge­füh­le und An­spie­lun­gen aus einer Kultur in die andere. Dabei schwingen immer Wissen um Literatur, Soziales, Po­li­tik, Wirt­schaft und Geschichte mit.

Je mehr wir wissen, desto komplizierter kann es am Ende sein. Wir müssen ent­schei­den, möglichst ebenso pragmatisch in der Umsetzung wie elegant im Er­geb­nis. Übersetzung liegt im Schnittfeld zwischen Wissenschaft und Dichtkunst. Wir zerlegen alles in kleinste Einheiten und setzen es so neu zusammen, dass nie­man­dem der Vorgang später auffällt.


P.S.: Reparaturarbeiten an Drehbüchern, die von Nichtprofis oder Nach­wuchs­kräf­ten in­fol­ge klei­ner Un­ter­bie­tungs­schlach­ten über­tra­gen worden, machen wir nicht mehr, denn im schlimmsten Fall ist unser Korrektorat (in Stun­den ab­ge­rech­net) am Ende teurer als eine Neu­überset­zung. Auf jeden Fall macht es schlech­te Laune, und auch die kann das Er­geb­nis be­ein­träch­ti­gen.
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Foto: C.E.

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