Mittwoch, 17. Dezember 2025

Bonjour

... und herz­lich will­kom­men! Als erfahrene Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin („se­nior in­ter­pr­eter“) und Über­set­ze­rin bin ich seit bald 20 Jah­ren in Deutsch­land, Frank­reich und in an­de­ren Län­dern Eu­ro­pas tä­tig — meist mit Fran­zö­sisch und Deutsch als Ar­beits- und Ziel­spra­che. Als Teil ei­nes Netz­werks kann ich Ih­nen auch bei der Su­che nach Un­ter­stüt­zung in an­de­ren Spra­chen hel­fen

Treppe, Jalousien, Fenster, Garten im Herbst
Herz­lich Will­kom­men!
Sie su­chen Kom­mu­ni­ka­tions­pro­fis fürs Dol­met­schen oder für schrif­tl­iche Ar­bei­ten? Nach vielen Jah­ren in Frank­reich und den ein­schlä­gi­gen aka­de­mi­schen Stu­dien sitze ich in der Fran­zö­sisch­ka­bi­ne. Schrift­lich ar­bei­te ich ins Deut­sche, auch aus dem Eng­li­schen.

Allein oder im Team be­glei­te ich De­le­ga­tio­nen und ar­bei­te auf Kon­fe­ren­zen, in Mi­nis­te­rien, Bot­schaf­ten oder am Film­set ... für Po­li­tik, Un­ter­neh­men und Pri­vat­leu­te.

Schwer­punk­te: Ak­tu­el­les, In­dus­trie, Wirt­schaft und Kul­tur, Land­wirt­schaft, krea­ti­ve Pro­jek­te, Ur­ba­nis­mus und Bau, Ener­gie und Me­dien so­wie Ki­no, vom Ex­po­sé über Dreh­buch und Pro­duk­tions­dos­sier bis zum Pres­se­heft. Ich tex­te auch.

Mit ei­ner ers­ten Kon­takt­mail an caroline@adazylla.de kön­nen Sie ei­nen te­le­fo­ni­schen Be­ra­tungs­ter­min ver­ein­ba­ren, um Ih­ren Be­darf ab­zu­klä­ren. (Ich ant­wor­te spä­tes­tens nach zwölf Stun­den.)

Ich bie­te an: Si­mul­tan (fast zeit­gleich), Kon­se­ku­tiv (zeit­ver­setzt), Flüs­ter- und Be­gleit­dol­met­schen, Büh­nen­dol­met­schen, Spre­cher­ka­bi­ne (Ton­auf­nah­men), Dia­log­Coa­ching für Film und Büh­ne, Fern­dol­met­schen.

Dol­met­schen lebt von Fach­kom­pe­tenz, Hin­ter­grund­wis­sen und Er­fah­rung. Ger­ne bin ich Ih­re Brü­cke zwi­schen der deutsch- und fran­zö­sisch­spra­chi­gen Welt — fle­xi­bel und punkt­ge­nau! Vor Ort oder mit On­line-Ex­per­ti­se: Mein Ein­satz ga­ran­tiert Ih­nen Ver­ständ­lich­keit oh­ne Miss­ver­ständ­nis­se.

Doch ge­na­u­so gern un­ter­stüt­ze ich klei­ne­re In­iti­a­ti­ven, per­sön­li­che Be­geg­nun­gen oder punk­tu­el­le Ein­sät­ze, denn auch bei die­sen sind Fin­ger­spit­zen­ge­fühl, gu­te Vor­be­rei­tung und ei­ne aus­ge­bil­de­te Stim­me ge­fragt.

Jetzt pla­nen — Er­folg si­chern!
Dol­met­schen ist mehr als Spra­che: Prä­zi­si­on, Kon­text, Wis­sen um Sprech­ab­sich­ten, Hin­ter­grund, Takt­ge­fühl und Er­fah­rung. Si­chern Sie sich mei­ne oder un­se­re pro­fes­sio­nel­le Un­ter­stüt­zung!

Herz­li­che Grü­ße,
Ca­ro­li­ne Eli­as

P.S.: Wir sind nicht nur Sprach­ar­bei­te­rin­nen und Sprach­ar­bei­ter, son­dern be­ob­ach­ten auch die Welt. Hier dür­fen Sie in mei­nem Ar­beits­ta­ge­buch mit­le­sen. Die­se Sei­te ist für das Web­la­y­out op­ti­miert, sonst dro­hen Text­pas­sa­gen hin­ter den Fo­tos zu ver­schwin­den.

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Fo­to: C.E.

KI ist kein Dolmetscher

Bon­jour & hel­lo! Hier schreibt ei­ne Wort­schub­se! Sie ha­ben rich­tig ge­lesen, ich schub­se Wör­ter. Die All­ge­mein­heit nimmt un­sere Leis­tun­gen ähn­lich sel­ten wahr wie die der Pro­fis im Gas­traum ei­nes Flug­zeugs. Aus Ig­no­ranz ent­steht da­bei oft ge­nug Gleich­gül­tig­keit. Wer dol­met­schen möch­te, braucht auf dem Weg zur Ex­zel­lenz viel Zeit: im Schnitt 7,5 Jah­re Aus­bil­dung in Spra­che, Kul­tur, Fach­ge­bie­ten, Me­tho­dik und Be­rufs­kun­de. Ich dol­met­sche FR, DE und EN, meis­tens si­mul­tan. Heute: KI-Mitt­woch.

Die Be­haup­tung ist rasch auf­ge­stellt und im­mer öf­ter zu hö­ren: „Die KI über­setzt heu­te schon fast so gut wie Men­schen.“ Sie klingt mo­dern, ef­fi­zi­ent und al­ter­na­tiv­los. Und sie taucht zu­ver­läs­sig im­mer dann auf, wenn Bud­gets knap­per und Ver­ant­wor­tung aus­ge­la­gert wer­den.

Ar­beits­platz Dol­metsch­ka­bi­ne
Falsch ist die Be­haup­tung trotz­dem.

Nicht, weil KI nichts könn­te, sie ist nütz­lich: Hier setzt sie zum Bei­spiel Soft hy­phens. Sie hilft manch­mal auch, ei­nen ers­ten Über­blick zu be­kom­men. Die Be­haup­tung mit dem Dol­met­schen ist aber des­halb falsch, weil vie­le Zwei­bei­ner nicht ver­ste­hen (oder nicht ver­ste­hen wol­len), was Dol­met­schen ist.

Warum Dol­met­scher:in­nen nicht ein­fach aus­tausch­bar sind 
Kon­fe­ren­zdo­lmets­chen ist kei­ne Wort-für-Wort-Über­tra­gung. Wer das glaubt, hat noch nie er­lebt, wie Be­deu­tung un­ter Zeit­druck ent­steht. Wir Dol­met­scher:in­nen tref­fen per­ma­nent Ent­schei­dun­gen, und zwar in Se­kun­den­bruch­tei­len. Wir hö­ren nicht nur Wör­ter, son­dern Ab­sich­ten. Wir re­gis­trie­ren Ton­fall, Aus­las­sun­gen, vor­sich­tige For­mu­lie­rungen und ge­ziel­te Un­schär­fen. Und wir wis­sen, wann es klü­ger ist, et­was mi­ni­mal zu glät­ten oder ein falsch ver­wen­de­tes Wort zu kor­ri­gie­ren ... und wann ge­nau das nicht pas­sie­ren darf.

Ei­ne KI ver­ar­bei­tet Spra­che. Ein Mensch ar­bei­tet in Si­tu­a­tionen und bringt Ge­füh­le mit ein. Das ist kein ro­man­tischer Un­ter­schied, son­dern ein funk­tiona­ler. Des­halb sind wir Dol­met­scher:in­nen nicht ein­fach aus­tausch­bar, ge­nau des­halb schei­tert KI dort, wo zwi­schen­mensch­liche Kom­mu­ni­ka­tion Fol­gen hat.

Wo­ran las­sen sich „KI-Übel­set­zun­gen“ er­ken­nen? 
Schlechte KI-Aus­wür­fe, die vor­geben, Über­set­zun­gen zu sein, fal­len sel­ten da­durch auf, dass je­des Wort falsch wäre. Im Ge­gen­teil: Sie wir­ken auf den ers­ten Blick er­staun­lich kor­rekt. Das Pro­blem ist da­bei nie der ein­zel­ne Satz, es ist das Ge­samt­bild, sind An­spie­lun­gen und die kul­tu­rel­len Hin­ter­gründe, die zwi­schen den Text­zei­len hin­durch­schei­nen bzw. eben nicht, weil der KI das kul­tu­rel­le Hin­ter­land fehlt. Bei Tex­ten, die am En­de noch durch ei­nen Sprach­ge­ne­ra­tor ge­jagt wer­den, ist es ähn­lich. Zu­sätz­li­che Feh­ler, die bei die­sem letz­ten Schritt ent­ste­hen, sit­zen on top wie die kan­dier­te Kir­sche auf der Tor­te.

1. KI-Pro­duk­te klin­gen glatt, aber leer und oft be­lie­big
Die Sät­ze die­ser Pro­duk­te sind gram­ma­ti­ka­lisch sau­ber, Tipp­feh­ler sel­ten. Der Ton ist neu­tral, manch­mal so­gar ele­gant. Und trotz­dem bleibt am En­de we­nig hän­gen. Was fehlt, ist Po­si­tion, Hal­tung, das Wis­sen um Stand­punk­te, um Kom­mu­ni­ka­tions­ab­sich­ten und Ge­fah­ren.

Kon­fe­ren­zen dre­hen sich meis­tens um die Aus­nah­me, das Be­son­dere, Neue, Ak­tu­el­le. Die KI aber ver­mei­det Zu­spit­zung. Sie scheut Wi­der­spruch, sie kennt kei­ne Ver­ant­wor­tung. Das Er­geb­nis ist Spra­che oh­ne Ge­wicht. In ei­ner Kon­fe­renz, in der Ent­schei­dun­gen vor­be­rei­tet oder le­gi­ti­miert wer­den sol­len, ist das nicht harm­los, son­dern kann ri­skant wer­den. Die Wort­wahl der KI folgt der Wahr­schein­lich­keit, dem ma­the­ma­tischen Durch­schnitt. Als Bei­spiel dür­fen Sie an Ma­ler­fahr­un­gen aus der Kind­heit den­ken: Al­le Far­ben zu­sam­men­ge­mischt er­ge­ben grau.

2. Ma­schi­nen ken­nen Wör­ter, kei­ne Ab­sich­ten
Die KI über­setzt, was ge­sagt wird, nicht das, was ge­meint ist. Iro­nie wird zu Ernst, Vor­sicht wird zu Be­lie­big­keit, Kri­tik klin­gt plötz­lich wie ei­ne sach­liche Rand­be­mer­kung. Für das Pu­bli­kum ent­steht ein völ­lig an­deres Bild, nicht of­fensichtlich falsch, aber ver­zerrt. Ge­nau dar­in liegt die Ge­fahr: Nie­mand springt auf, nie­mand wi­der­spricht oder hin­ter­fragt die State­ments. Trotz­dem hat sich die Be­deu­tung ver­än­dert.

3. Ma­schi­nen ig­no­rie­ren Macht­ver­hält­nisse

Bei Kon­fe­ren­zen spre­chen nicht al­le auf Au­gen­höhe. Das ist kein Ge­heim­nis, son­dern All­tag. Er­fah­rene Dol­met­scher:in­nen hö­ren, wer ab­si­chert, wer pro­vo­ziert und wer de­es­ka­li­eren will. Sie er­ken­nen, wann ein Satz for­mal höf­lich ist, aber in­halt­lich Druck aus­übt. KI er­kennt Satz­struk­turen, aber sie er­kennt nicht, wer ge­rade wem et­was sagt.

4. Ma­schi­nen schei­tern an Fach­lo­gik
Fach­be­griffe sind sel­ten das ei­gent­liche Pro­blem, Fach­lo­gik schon. Die KI kann Ter­mi­no­lo­gie re­pro­du­zie­ren und da­mit Kom­mu­ni­ka­tion si­mu­lie­ren, sie kann aber nicht be­ur­tei­len, ob Be­griffe zu­ein­an­der pas­sen, ob sie im ge­ge­be­nen Kon­text Sinn er­ge­ben oder ob je­mand sie ge­rade stra­te­gisch falsch ver­wen­det. Wir Men­schen kor­ri­gie­ren lei­se, die KI re­pro­du­ziert kon­se­quent, auch dann, wenn der Feh­ler of­fen­bar ist. Sie stellt kei­ne Fra­gen, ist auch hier aal­glatt, be­quem im Um­gang und lie­fert da­mit un­zu­ver­läs­sigen Out­put.

5. Ma­schi­nen ma­chen Feh­ler, Men­schen auch
Kon­fa­bu­la­tionen oder vor­schnel­le In­ter­pre­ta­tionen der KI ha­ben in­zwi­schen wohl al­le schon mal ge­lesen. Die KI kann sich nicht selbst aus­brem­sen und ist nicht selbst­kri­tisch. Wenn am En­de 20 Pro­zent des Aus­wurfs 'un­scharf' ist, er­fun­den oder ver­pei­lt, warnt die Ma­schi­ne ei­nen nicht. Was soll das Pu­bli­kum am En­de glau­ben? Und wenn Men­schen Feh­ler ma­chen, und Men­schen ma­chen Feh­ler, er­kennt die KI das nicht, warnt nicht vor Miss­ver­ständ­nissen, über­trägt 1:1. Grund­sätz­lich gilt: Die KI kennt kei­ne Feh­ler.

Bei Kun­den führ­te das zu viel Auf­ruhr, weil ei­ne Text­über­tra­gungs-KI das Ge­gen­teil von dem pro­du­ziert hat, was ge­meint war: klick. Das war 2021. Auch heu­te fin­den sich im­mer wie­der gro­be Feh­ler in Tex­ten.

Die „KI“ ar­bei­tet zu­dem nicht al­lein:
Oh­ne mas­sen­haf­te Aus­beu­tung in ar­men Län­dern ist sie nicht mög­lich

Ré­su­mé: Was Auf­trag­geber re­gel­mäßig falsch ver­ste­hen 
Vie­le Auf­trag­geber ge­hen da­von aus, dass es beim Dol­met­schen vor al­lem dar­um geht, dass „es ir­gend­wie an­kommt“. Das reicht aber nicht: Ge­rade bei Ver­hand­lun­gen, po­li­tischen Ge­sprä­chen oder fach­lich sen­sib­len The­men ent­schei­det der Ton über die Wir­kung. Wir al­le ken­nen die Aus­sa­gen, dass die Kör­per­spra­che ei­nen we­sent­lichen An­teil an der Kom­mu­nika­tion hat, wenn nicht gar den größ­ten.

Ei­ne KI hat kei­nen Kör­per, kei­nen Auf­tritt, wenn es um Vor-Ort-Ver­hand­lun­gen im Klei­nen oder um die gro­ße Büh­ne geht. Ei­ne KI fragt nicht vor dem Ein­satz die si­tu­a­ti­ons­typi­schen Be­griffs­ver­wen­dun­gen ab. Ei­ne KI über­schrei­tet un­sicht­bar die Schwel­le ih­rer ei­genen In­kom­pe­tenz. Wir Men­schen ha­ben die Grö­ße, Lü­cken ein­zu­ge­stehen, wir Men­schen fra­gen nach oder über­le­gen ge­mein­sam mit den Kun­den, um gu­te Mus­ter­über­set­zun­gen zu fin­den, soll­te ter­mi­no­lo­gi­sches Glat­teis dro­hen, al­so „Bei­n­bruch­gefahr“ be­ste­hen. Die KI hat kein Bein, er­kennt al­so auch sol­che Ge­fah­ren nicht.

We­sent­lich: Ei­ne mi­ni­ma­le Ver­schie­bung kann Be­zie­hun­gen be­schä­di­gen, Miss­ver­ständ­nisse er­zeu­gen oder Ver­trau­en un­ter­gra­ben. Die KI be­merkt das nicht, weil sie nicht weiß, was Ver­trau­en ist. Men­schen schon. Und sie ge­ben In­hal­te, an­ders als vie­le KI-Sys­teme, nicht stan­dard­mäßig an Tech-Kon­zer­ne wei­ter.

Warum KI trotz­dem gern ein­gesetzt wird

Nicht, weil sie bes­ser wäre, son­dern weil sie bil­lig er­scheint, so­fort ver­füg­bar ist und Ver­ant­wor­tung ver­schiebt. Das ist be­quem, aber kein pro­fes­sio­neller Um­gang mit Kom­mu­ni­ka­tion. Wenn et­was schief­geht, war es die Tech­nik und kein per­sön­liches Ver­sagen, kein Feh­ler im Sys­tem. Mög­licher­weise wur­de aber aus „bil­lig“ plötz­lich rich­tig teu­er.

Kon­fe­renz­dol­met­schen ist kein tech­ni­sches Fea­ture, son­dern mensch­liche Kom­pe­tenz. Da­her sind wir zwei­bei­nigen Kon­fe­renz­dol­met­scher:in­nen un­er­setz­lich, und das gilt auch für je­ne von uns, die viel­leicht im Rol­li sit­zen oder mit Krü­cken an­kom­men.

Bis zum nächs­ten KI-Mitt­woch!

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Foto:
C.E. / Wikicommons (mechanical Turc)

Dienstag, 16. Dezember 2025

Museum der Wörter (46)

Will­kom­men bei mei­nem Blog aus der Ar­beits­welt der Spra­chen. Wie Dol­met­scher und Über­set­zer ar­beiten, ist oft nicht so ge­nau be­kannt. Zum Be­ruf gehört auch, dass wir uns stän­dig Ge­dan­ken über die Ar­beits­mit­tel machen, über Tech­nik, na­tür­lich, aber auch über die Spra­chen.

              
             
Der Ball liegt im La­ger des Geg­ners
 
Die­sen Be­griff gab es auf Deutsch noch nicht, als ich Kind war. Im Eng­lischen exis­tiert das Idiom the ball is in some­one’s court, im Fran­zö­sischen la bal­le est dans le camp de l'au­tre. Im Deut­schen wurde die wört­liche Über­tra­gung erst spä­ter geläufig, be­för­dert durch Glo­ba­li­sie­rung, Medi­en und Ver­hand­lungs­jargon. 

Völkerball
Meine Assoziation zum Begriff
Es gibt kei­nen klaren Nach­weis, dass der Ju­go­slaw­ien­krieg die­se Re­de­wen­dung in Deutsch­land erst brei­ten Krei­sen be­kannt mach­te, was meine stil­le Vermutung ist; es war al­so eher ein schlei­chen­der sprach­licher Trans­fer.

Zum Bild: „Völ­ker­ball“ hieß üb­ri­gens in dem Teil Deutsch­lands, in dem der „Füh­rer­schein“ eine „Fah­rer­laub­nis“ ge­nannt wurde, auch „Zwei­fel­der­ball“. Auf Fran­zö­sisch ist es la balle aux pri­son­niers, was mei­nen Ge­dan­ken wei­ter­treibt: „Ge­fan­ge­nen­ball“ in der wört­li­chen Über­set­zung, ein Feld­teil wird dann prompt auch la pri­son ge­nannt, das Ge­fäng­nis. Auf Eng­lisch ist es dodge­ball, dabei be­deu­tet the dodge Trick, Täu­schung oder Win­kel­zug.

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Il­lus­tra­tion: Schul­buch ca. 1911

Montag, 15. Dezember 2025

Montagsschreibtisch (120)

Herz­lich will­kom­men auf den Sei­ten ei­ner Dol­met­sche­rin, auf de­nen ich über Spra­che und Wör­ter schrei­be und über das, was zwi­schen den Zei­len liegt. Die meis­te Ar­beit, die wir Dol­met­sche­rin­nen leis­ten, bleibt un­sicht­bar: Vor­be­rei­tung und Nach­be­rei­tung, Vo­ka­bel­er­kennt­nis­se si­chern, Fach­ar­ti­kel oder Bü­cher stu­die­ren, täg­li­ches Be­a­ckern der Wort­fel­der und Zei­tungs­lek­tü­re. Die­ser Blog ist ein Ort für No­ti­zen vom Rand des Ge­sche­hens. Heu­te: Mon­tags­schreib­tisch! 

Frau mit kurzem Rock zwischen Nebel und Frost an einem Tisch
Die KI weiß nicht, was frie­ren be­deu­tet
Ges­tern wa­ren wir nur kurz im Re­gie­rungs­vier­tel, an et­li­chen Stel­len war al­les dicht. Dort herrscht heu­te Si­cher­heits­stu­fe Rot. Ich hal­te die Dau­men für ein Ge­lin­gen und für mög­lichst we­nig wei­te­re Kol­la­te­ral­schä­den für die Uk­ra­i­ne. Ich darf heu­te im Bü­ro zu­brin­gen.

Auf dem Schreib­tisch lie­gen:
Ab­la­gen
Bü­ro auf­räu­men
Vo­ka­bel­lis­ten durch­se­hen
Vor­la­gen durch­ge­hen, viel schred­dern, man­che Re­de­wen­dung vor­her ex­zer­pie­ren 
Jahr 2026 wei­ter­pla­nen

Ge­ra­de tre­ten wir in die­se Zwi­schen­zeit ein, in der sich Din­ge ord­nen las­sen, oh­ne dass gleich der nächs­te Ter­min an­steht. 

Ich mag das. Der Kopf wird frei, wäh­rend die Hän­de ar­bei­ten.

Die Näch­te dau­ern mir ge­ra­de wie­der zu lang, aber sol­che Be­schwer­den sind Bin­sen: Das än­dert sich von al­lein. Zu­gleich bin ich er­schüt­tert.

Die Men­schen fei­ern zur Win­ter­son­nen­wen­de ih­re Lich­ter­fes­te. Die See­le trau­ert, ras­sis­ti­sche Ta­ten nun auch in Aus­tra­li­en. Da­bei be­deu­tet das jü­di­sche Fest, dass das Licht die Dun­kel­heit be­siegt. Ge­nau die­se Leich­tig­keit ha­ben die At­ten­tä­ter be­wusst zer­stört wol­len. Mei­ne Trau­er, mein Bei­leid und mei­ne Ge­ne­sungs­wün­sche gel­ten den Op­fern und ih­ren An­ge­hö­ri­gen.

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Foto:
pixlr.com (Zu­falls­fund)

Freitag, 12. Dezember 2025

Gute Zukunft (1)

Herz­lich will­kom­men, lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser! Hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin mit Mut­ter­spra­che Deutsch und Haupt­ar­beits­spra­che Fran­zö­sisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Wie le­ben und ar­bei­ten wir Dol­met­sche­r und Dol­met­sche­rin­nen, Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, und was fällt uns am We­ges­rand auf? Heute der 1. Teil einer neuen Reihe.

Es gibt Ta­ge, an de­nen ha­be ich zehn Ge­schäfts­ide­en, aber eben kei­ne zehn Le­ben, um ei­nen Bruch­teil da­von um­zu­set­zen. Neh­men wir die Kin­der­ge­burt­sta­ge. Ich ha­be da ei­nen neu­lich am Ran­de er­lebt. Dort wur­den die Stan­dards in den letz­ten Jahr­zehn­ten krass er­höht: Man­che ge­hen mit den Kids zum Boul­dern, frü­her „Klet­tern“, oder in ei­ne Hal­le, in der sich die klei­nen Mensch­lein ge­gen­sei­tig mit Far­ben be­schie­ßen kön­nen. Die mil­de Va­ri­an­te für die gu­te Jah­res­zeit sind die Schnit­zel­jagd oder das Pick­nick im Zoo. 

Mäd­chen kön­nen MINT ler­nen (*)

Den Ge­burts­tags­fei­ern ge­mein ist das Mit­ge­be­beu­tel­chen, in dem Sa­chen mit viel Zu­cker sind, mit noch mehr Zu­cker und Plas­tik­spiel­zeugs in Mi­ni­atur aus Chi­na, das nach giftigen Plastikzusätzen riecht und von mi­ni­ma­lem Spiel­wert ist. Sol­che „Mit­ge­bsel“, ein Ne­o­lo­gis­mus, der sich vom Wort „Mit­brings­el“ ab­lei­tet, lau­fen in vie­len Fa­mi­li­en un­ter „Son­der­müll“. Zu­recht.

Ich ken­ne El­tern, die sich be­wusst dem so­zia­len Druck ent­zo­gen ha­ben, sol­che Gi­ve­-away-Beu­tel zu be­sor­gen. 

Aber die­ser Druck ist hoch, und nie­mand wünscht, dass der ei­ge­ne Nach­wuchs Kom­men­ta­ren oder Hä­nse­lei­en aus­ge­setzt ist. Hier setzt mei­ne Ide­e an: Ei­ne Fir­ma kön­nte aus schö­nem Pa­pier Über­ra­schungs­tü­ten an­bie­ten, die dann in Spiel­wa­ren­lä­den, aber auch im Buch­han­del, ver­kauft wer­den kön­nen. Der In­halt: nach­hal­tig. Die Aus­wahl ist groß. Klei­ne Büch­lein pas­sen da zum Bei­spiel gut hin­ein.

Ich den­ke gleich an ein Daum­en­ki­no. Aber auch Bunt­stif­te mit Saat­gut drin sind toll. Die gibt es längst: Der An­spitz­ab­fall lan­det im Blu­men­topf, nach dem Kei­men und Wach­sen wird es span­nend! Aber ich kann mir auch die Groß­el­tern­klas­si­ker gut vor­stel­len: Krei­sel und Jo­jos, an de­nen sich bei Ro­ta­ti­on die Ver­mi­schung der Far­ben be­ob­ach­ten lässt, oder Strick­lie­seln, dann die klas­si­schen Glas­mur­meln oder bun­te Blu­men­mur­meln, auch hier mit Saat­gut­kern (für je­ne, die kei­nen Saat­gut­bunt­stift drin hat­ten). 

Globus und Pfeile, die im Kreis laufen: Kreislaufwirtschaft!
Wir brau­chen ein Sym­bol 
für Kreis­lauf­wirt­schaft!

Hübsch und be­währt sind klei­ne Denk- und Kno­bel­spie­le aus Holz, Stra­ßen­mal­krei­de, Buch­sta­ben­wür­fel oder Holz­per­len. Bei uns ste­hen die wie Aqua­rell­far­be ver­mal­ba­ren Bunt­stif­te hoch im Kurs, für den Beu­tel würde je ei­ne Far­be und ein Pin­sel plus Er­klär­zet­tel pas­sen. Das kann spä­ter noch An­ge­hö­ri­ge auf Ge­schenk­ide­en brin­gen.

Und bit­te kei­ne ge­gen­der­ten Tüt­chen! In denen be­kom­men Mäd­chen kit­schi­ge Kat­zen und -Ein­hör­ner be­kom­men und Jungs Di­nos und Rit­ter.

Das Ganze na­tür­lich als Kunst­stoff­mi­ni­a­tu­ren, die schlimms­ten­falls nach in Eu­ro­pa längst ver­bo­te­nen Lö­sungs­mit­teln stin­ken, grrrr! Die­se un­ter­schie­d­li­chen Spiel­- und An­zieh­sa­chen, aber auch die Schul­aus­stat­tung, ka­­men mas­siv erst in den Null­er Jah­ren auf. Es tut den Kin­dern nicht gut, engt ih­re Fan­ta­sie eben­so ein wie den Mut, ei­ge­ne Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten zu ent­de­cken.

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Fo­tos: pixlr.com (Zu­falls­fund) und C.E.
(*) MINT: Ma­the, In­for­ma­tik, Na­tur­wis­-
sen­schaf­ten, Tech­nik

Donnerstag, 11. Dezember 2025

Ausgerechnet Bananen!

In den All­tag von Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher er­hal­ten Sie hier un­ter der Woche ver­schie­dent­lich Ein­blick. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Deutsch (Mut­ter­spra­che), Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Die Bü­ro­kol­le­gin ar­bei­tet nur als Über­set­ze­rin (= schrift­lich) und mit Ziel­spra­che Eng­lisch. Un­ser­ei­nem fal­len man­che Din­ge be­son­ders auf.

Die Be­mer­kung ist ty­pisch für Lin­gu­ist:in­nen: mehr Kontext! Wir le­ben eben nun mal in der Spra­che und wis­sen, wo die Fal­len lie­gen. 

England: Bananen am Strand angespült An Stränden im Süden von England sind Bananen angeschwemmt worden. Sie waren in Containern, die ein Schiff verloren hatte. Freiwillige reinigen die Strände. Die Behörden warnen davor, die Bananen nicht zu essen.
Kon­sum­emp­feh­lung oder -warn­ung?

Zu­sam­men­hän­ge sind wich­tig, Ne­ga­tionen kön­nen tri­cky sein!

Das Bild links stammt von der Ta­ges­schau­web­seite, dort stand es ges­tern Abend. Zu se­hen war ein Vi­deo zum The­ma: ­
„Eng­land: Ba­na­nen am Strand an­ge­spült“.

Nun, das Tex­ten für die The­men­über­sicht ging wohl ein My zu schnell.

Ne­ga­tionen ber­gen man­che Fall­stri­cke. Der Kon­text hilft, schnell zu über­blic­ken, wie der Feh­ler ent­stan­den ist. Da­bei hilft die Ma­the­ma­tik: mi­nus mal mi­nus gibt plus.

Und als mu­si­ka­li­sches Ad­vends­ka­len­der­tür­chen noch ein Schman­kerl, wie das da­mals ge­hei­ßen hat, ich ha­be den Ti­tel für die­sen Blog­post ent­lehnt:



Aus­ge­rech­net Ba­na­nen! (Wil­li Ro­se, 1923)

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Fo­tos:
ARD / Ton: Mu­sik­er­be

Mittwoch, 10. Dezember 2025

Konserven: nein!

Wie Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­sch­er le­ben und ar­bei­ten, kön­nen Sie, lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser, beim ers­ten deut­schen Dol­met­sch­web­log aus dem In­ne­ren der Dol­metsch­ka­bi­ne seit 2007 mit­le­sen. Als Dol­met­scher­in für die fran­zö­si­sche Spra­che über­set­ze ich auch, letz­tens aus dem Eng­li­schen ins Deut­sche. Da­bei er­schwert uns nicht die KI der­zeit die Ar­beit, son­dern die un­fass­ba­re Nai­vi­tät Ih­rer Nutze­r:in­nen so­wie die Geld­geil­heit man­cher Fir­men.

Die­ses Jahr ha­be ich über 30.000 Buch­sei­ten ge­hört. Ja, ge­hört, und da­zu noch tau­sen­de von Sei­ten ge­le­sen. Ich mag Hör­bü­cher. Es gibt Pha­sen, in de­nen ich er­schöpft bin, nach sehr an­stren­gen­den Ein­sät­zen zum Bei­spiel. Oder ich bin im War­te­mo­dus an der Sei­te ei­ner be­­tag­­ten ver­wand­ten Per­son. Drit­tes Mo­ment: der Haus­putz. Und schließ­lich die Näch­te, in de­nen mich Hit­ze­wal­lun­gen wach­hal­ten. Seit zwei Jah­ren er­le­be ich das, was vie­le Frau­en er­le­ben. (Es ist, wie fast al­les, was mit Frau­en zu tun hat, in Deutsch­land fast ein Ta­bu.)

Hör­bü­cher be­glei­ten mich in sehr kör­per­li­chen, sehr vul­ne­ra­blen Si­tua­tio­nen. Sie sind nah. In­tim. Ich lässe ei­ne Stim­me an mich her­an, oft über Stun­den.

Ich lie­be gu­te Stim­men.

Wie­der­holt ha­be ich Bü­cher ab­ge­bro­chen oder, so­fern ge­kauft, zu­rück­ge­ge­ben, weil sie schlecht ge­spro­chen klan­gen: leb­los, span­nungs­los, in­halt­lich flach, auch bei an­spruchs­vol­len Tex­ten. Ir­gend­wann wur­de mein Ver­dacht zur Ge­wiss­heit: Hier ist KI am Werk. Und zwar schlech­te.

Ei­ne mei­ner Freun­din­nen ar­bei­tet haupt­be­ruf­lich als Spre­che­rin. Ich selbst spre­che als Dol­met­sche­rin be­ruf­lich ja auch und be­kom­me oft ent­spre­chen­de Rück­mel­dun­gen, die mich er­mu­ti­gen sol­len, den Weg Rich­tung Hör­bü­cher wei­ter­zu­ge­hen. Doch hier holt uns die Tech­nik ein. Der Freun­din droht der Ver­lust der Le­bens­grund­la­ge. Mir wür­de Plan C ver­baut. Und wie­der dro­hen die nächs­ten Nerds, durch die Ver­nich­tung kul­tu­rel­ler Leis­tun­gen ih­re Ge­win­ne auf Kos­ten von Men­schen zu ver­viel­fa­chen.

Die Ent­wick­lung geht der­zeit ra­send schnell. Be­glei­tet von neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten lässt sich ei­ne er­schwe­ren­de Ten­denz be­ob­ach­ten: Das brei­te Pu­bli­kum wird zu­neh­mend an­spruchs­lo­ser. In der U-Bahn wird im­mer schlech­te­res Deutsch ge­spro­chen, auch die Kom­men­tar­spal­ten der Zei­tun­gen (on­li­ne) strot­zen vor Stol­per­stel­len: Denk- und Schreib­feh­ler, un­lo­gi­sche Schluss­fol­ge­run­gen, ideo­lo­gi­sche Ver­dre­hun­gen.

Der Au­dio­markt ver­än­dert sich mas­siv. Do­ku­men­tar­film­pro­duk­tio­nen nut­zen ver­mehrt KI-Stim­men, um ih­re Erst­fas­sun­gen Re­dak­tio­nen und Ko­pro­duk­tions­fir­men zu prä­sen­tie­ren. Das nor­ma­li­siert den KI-Ge­brauch, das nimmt An­fän­gern die Ein­stiegs­chan­cen. Bei You­Tube, im oh­ne­hin kaum be­zahl­ten Feld, hau­en grau­en­haft mo­no­to­ne KI-Stim­men und Übel­set­zun­gen im Voice-o­ver Sa­chen raus wie „75 Qua­drat­me­ter“ statt 75 Fuß. Te­le­fon­an­sa­gen oder die be­rühm­ten Stim­men im öf­fent­li­chen Nah­ver­kehr kom­men längst vom Band, fal­sche Be­to­nun­gen in­klu­si­ve, was nicht nur Ur­ber­li­ner:in­nen stört. Es droht die Spra­che zu ver­än­dern. In Ber­lin ist ei­ne für Au­ßen­ste­hen­de „fal­sche“ Be­to­nung rich­tig: Es heißt Fál­ken­see und nicht Fal­ken­sée.

KI-Pro­jek­te gel­ten als bil­lig. Sie be­die­nen sich ge­klau­ter Stim­men. Wir ha­ben ein mas­si­ves Ur­he­ber­rechts­pro­blem. Denn Tan­tie­men be­kommt der­zeit nie­mand für die ei­ge­ne Stim­me.

Mikrofone, Mischpult
Auch das hier zeigt ech­te Be­ru­fe
Da­bei kön­nen wir Men­schen hö­ren, ob et­was stimmt, ob je­mand lügt, ob je­mand ei­ne Ma­schi­ne ist oder nicht. Das ge­schieht oft auf Ebe­nen, die wir nicht be­wusst wahr­neh­men: sub­li­mi­nal. Hör­bü­cher, bei de­nen ich das mer­ke, ge­hen so­fort zu­rück. So et­was lang­weilt mich. Ich kom­me nicht rein in die Er­zäh­lung.
Au­ßer­dem bin ich fal­schen Be­to­nun­gen ge­gen­über in­to­le­rant.

Und das be­trifft vie­les, was täg­lich in den Me­di­en zu hö­ren ist, denn auch hier sin­ken die Stan­dards. Leip-zick, Ho-nick, wich-tick, Kö-nick: die­se fal­sche Aus­lau­tung ist nur ein klei­nes Bei­spiel.

Es gibt in den Kon­ser­ven so vie­le Feh­ler, die kein Mensch hät­te ma­chen kön­nen: ent­stel­len­de Fehl­be­to­nun­gen zu­sam­men­ge­setz­ter Wör­ter et­wa. Mensch­li­che Stim­men ha­ben manch­mal hier ein Zö­gern, da ein Gluck­sen, ganz grund­sätz­lich ein Je-ne-sai-quoi, das sie un­ver­gleich­lich schön macht.

Ich hof­fe, dass mehr Men­schen die­se Sen­si­bi­li­tät mit­brin­gen und dann ein­fach so re­a­gie­ren, wie es sich ge­hört: Kon­ser­ve, nein, zu­rück­ge­ben, be­stimm­te Ver­la­ge mei­den.

In Dä­ne­mark wird der­zeit ein Ge­setz vor­be­rei­tet, das die Nut­zung von Stim­men und Fo­tos an­de­rer Men­schen ver­bie­ten soll, ein Co­py­right auf die­se bio­me­tri­schen Merk­ma­le, vor al­lem um Deep­fakes ein­zu­he­gen. Ge­schich­ten dar­über, wie di­gi­ta­le Fäl­schun­gen Ein­zel­ner An­ge­hö­ri­ge um mehr als nur den Spar­strumpf er­leich­tert ha­ben, er­zie­len ho­he Ein­schalt­quo­ten. Das dä­ni­sche Mo­dell klingt gut: Der „di­gi­ta­len Ko­pier­ma­schi­ne“ wür­de ein Rie­gel vor­ge­scho­ben, ei­ne kla­re Grund­la­ge für Kla­gen ge­schaf­fen, so der dä­ni­sche Kul­tur­mi­nis­ter ge­gen­über dem Guar­di­an. Ei­ne schon et­was äl­te­re Mel­dung da­zu gibt es beim Deutsch­land­funk Kul­tur. Glück­li­cher­wei­se gibt es ei­ne Aus­nah­me: Pa­ro­die und Sa­ti­re blei­ben er­laubt.

Der KI-Müll ver­stopft zu­neh­mend die Ka­nä­le, das ist von den Tech-Bros so be­ab­sich­tigt: flood the zo­ne with sh*t. Am En­de ist nichts mehr wahr, nichts mehr wich­tig. Die KI nimmt Pro­fis den Le­bens­un­ter­halt, den an­de­ren die Hob­bies: Ma­len, Zeich­nen, Schrei­ben, Mu­si­zie­ren. An­statt das zu tun, wo­für wir Ro­bo­ter lie­bend gern nut­zen wür­den: Haus­putz, Wä­sche, Din­ge re­pa­rie­ren.

Stim­men sind kei­ne Wa­re, sie sind Aus­druck von Kör­per, Bio­gra­fie, Er­fah­rung. Wer das nicht hört, hört viel­leicht bald gar nichts mehr.

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Il­lus­tra­tion:
pixlr.com (Zufallsfund)


Montag, 8. Dezember 2025

Montagsschreibtisch (119)

Herz­lich will­kom­men, lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser, beim ers­ten deut­schen Dol­met­sch­web­log aus dem In­ne­ren der Dol­metsch­ka­bi­ne. Als Dol­met­scher­in für die fran­zö­si­sche Spra­che über­set­ze ich auch, letzt­ens aus dem Eng­lisch­en ins Deut­sche. Dem Jahr geht bald die Pus­te aus.

Schreibtischmoment mit Miniatureiffelturm
Noch geht's hier ohne Kunst­licht
Der frü­he Son­nen­un­ter­gang im Win­ter schlägt mir im­mer ins Kon­tor (aufs Sys­tem, aufs Ge­müt), wes­halb ich Ta­ges­licht­lam­pen lo­be, vor al­lem an ver­reg­ne­ten Wo­chen­en­den. So, End­spurt!

Auf dem Schreib­tisch
⊗ Bü­cher sor­tie­ren
⊗ Mö­bel re­pa­rie­ren
⊗ Nach­be­rei­tung Af­ri­ka
⊗ Text­ar­beit: Plas­tik

Auch das Plas­tik­prob­lem ist ernst und, ne­ben der Dum­mheit, ein wei­te­rer kaum be­ach­te­ter Kipp­punkt der Ka­tas­tro­phe mit dem Na­men Homo sapiens auf sei­nem Hei­mat­pla­ne­ten. Ich hof­fe, wir als Spe­zi­es ma­chen bald un­se­rem Na­mens­zu­satz al­le Eh­re, der Ver­nunft­be­gab­te, und ent­wick­eln uns viel­leicht doch noch zum Homo agens responsus, dem ver­ant­wor­tungs­voll han­deln­den Men­schen.

Vor fünf Jah­ren, al­so 2020, wur­den 435 Mil­lio­nen Ton­nen Plas­tik her­ge­stellt. Die In­dus­trie rech­net, soll­ten kei­ne po­li­ti­schen Maß­nah­men ge­trof­fen wer­den, mit ei­nem An­stieg um 70 % bis ins Jahr 2040. Dass das ein Irr­weg ist, wur­de mir schon beim ers­ten Kon­gress über Plas­tik­ver­schmut­zun­gen und Mi­kro­plas­tik im Jahr 2008 be­wusst. Da­mals ha­be ich für mich die Kon­se­quenz ge­zo­gen: Plas­tik ist das As­best des 21. Jahr­hun­derts.

Jetzt zei­gen neue Forschungs­er­geb­nis­se aus Har­vard, dass Mi­kro­plas­tik längst in al­len wich­ti­gen Or­gan­sys­te­men der Men­schen an­ge­kom­men ist. Der An­stieg ist dra­ma­tisch: im Ge­hirn­ge­we­be stieg die Kon­zen­tra­ti­on in den Jah­ren zwi­schen 2016 und 2024 um die Hälf­te an. Plas­tik, das sich in ar­te­ri­el­len Pla­ques ein­la­gert, führt bei den be­treff­en­den Men­schen zu ei­nem 4,5-mal hö­he­ren Ri­si­ko für Herz­in­farkt, Schlag­an­fall oder Tod.

Mi­kro­plas­tik ist als Fremd­kör­per ein Pro­blem, aber auch, weil es ge­ra­de­zu ma­gne­tisch Gift­stof­fe wie Schwer­me­tall an­zieht. Für die Her­stel­lung wer­den oft Phtha­la­te ver­wen­det, die so­ge­nann­ten Weich­ma­cher.

Wir ent­kom­men ihm nicht, es ist im Trink­was­ser und in der Luft, in Le­bens­mit­tel­ver­pa­ckun­gen, die aufs Es­sen über­ge­hen, im Plas­tik­fit­zel vom Kü­chen­schnei­de­brett (nehmt Holz!), in syn­the­ti­scher Klei­dung oder dem win­zi­gen An­teil, der in­zwi­schen fast über­all vor­kommt, in Kos­me­ti­ka und Milch, ja so­gar in der Mut­ter­milch.

Ich trin­ke und ko­che zu­hau­se am Ufer nur (mit) Mi­ne­ral­was­ser we­gen (ver­bo­te­ner) Blei­lei­tun­gen (Miet­woh­nung). Das The­ma Was­ser­fil­ter steht ganz oben auf der Lis­te (für die an­de­re Woh­nung). Wir kau­fen un­ver­packt, ich nut­ze Glas und Edel­stahl als Ver­pa­ckun­gen, ver­wen­de nur gut aus­ge­such­te Kos­me­ti­ka, Ohr­putz­stäb­chen mit Papp­stie­len, Tee­beu­tel aus Stoff oder 100 Pro­zent Pa­pier, kei­ne Fer­tig­tee­beu­tel aus Plas­tik (kei­nen Tee im Spei­se­wa­gen der Bahn!), ver­mei­de Cof­fee to Go und den gan­zen Weg­werf­sch*iß! Ist der Blick erst­mal ge­schärft, fal­len un­fass­bar vie­le Be­rei­che auf, wo über­all un­nö­tig Plas­tik in den Kreis­lauf ein­ge­bracht wur­de.

Viel mehr lässt sich nicht ma­chen. Die Ver­hand­lun­gen zu ei­nem in­ter­na­tio­na­len Ab­kom­men, das die Plas­tik­flut ein­dämm­en soll, sind erst kürz­lich un­ter dem Ein­fluss der Fos­si­lis­ten ge­schei­tert.

Die Atem­schutz­mas­ken, die ich der­zeit auf den Bahn­rei­sen zur An­ge­hö­ri­gen­pfle­ge tra­ge, weil im­mer wie­der enorm rück­sichts­vol­le Men­schen mit vol­lem Symp­tom­bild in Groß­raum­wa­gen rei­sen, Ach­tung, Iro­nie!, sind auch zum Teil aus Plas­tik, und ich muss hof­fen, dass sie so her­ge­stellt wur­den, dass kaum bis kei­ne Mi­kro­plas­tik­fa­sern di­rekt ab­ge­hen und dass die al­ten di­rekt in der Müll­ver­bren­nungs­an­la­ge lan­den.

Wei­te­re Quel­len:

Plastic pollution, Über­sicht aus Ir­land, dar­un­ter Quel­len und Ge­samt­schä­den (als Ein­füh­rung)
⊛ "Global Plastics Outlook" (OECD, 2022)
Downloadlink zum Plas­tics Tre­aty As­sist Tool­kit, bei dem die Ver­mei­dung von Plas­tik im Vor­der­grund steht, inklu­si­ve Was­te Flow Dia­gram (WFD), das 2020 von der Uni­ver­si­ty of Leeds, Eawag-Sandec, Was­te­a­wa­re und der deut­schen Ge­sell­schaft für In­ter­na­tio­na­le Zu­sam­men­ar­beit (GIZ) ent­wi­ckelt wur­de; es dient als schnel­les, kost­en­güns­ti­ges Be­wer­tungs­in­stru­ment zur Ein­schät­zung, wie viel Plas­tik in die Um­welt frei­ge­setzt wur­de, mit Schwer­punkt auf Städ­te mit nied­ri­gem und mitt­le­rem Ein­kom­men.

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Fo­to: C.E. (Ar­chiv)

Donnerstag, 4. Dezember 2025

Nachhaltiges Jahresende

Seit fast zwei Jahr­zehn­ten bin ich als Dol­met­sche­rin Deutsch ↔ Fran­zö­sisch so­wie aus dem Eng­li­schen un­ter­wegs. Ganz gleich, ob auf Kon­fe­ren­zen, bei De­le­ga­tio­nen oder in Work­shops — ich sor­ge da­für, dass Wor­te an­kom­men. Hier den­ke ich über die Ja­hres­zeit nach.

Der­zeit geht viel mit W. los: Es­sen, Fei­er, Mu­sik, Märk­te. Mir ist das zu­viel der Hei­lig­keit. Das christ­li­che Fest, das an das hei­dnisch­e Lich­ter­fest zur Win­ter­son­nen­wen­de an­dockt, ist ge­müt­lich und schön, auch die Rau­näch­te: Fa­mi­lie und Freun­de tref­fen ein­an­der, tau­schen Ide­en und Bü­cher, le­sen, ko­chen und es­sen ge­mein­sam, hö­ren Mu­sik. Al­les schön, bis auf das Brim­bo­ri­um da­vor!

Mir ging die Vor­weih­nachts­freu­de per­dü, seit nor­mal wur­de, dass die ers­te Ar­ma­da an Scho­ko­ni­ko­läu­sen an den letz­ten Som­mer­ba­de­ta­gen in die Su­per­märk­te ein­mar­schiert. Me­ga­hit­ze weg, zack!, die Aus­la­gen vol­ler Nasch­kram fürs Jah­res­en­de. Das ers­te Weih­nachts­es­sen war die­ses Jahr am 19. 9. an­be­raumt, das ist ge­ra­de noch Spät­som­mer. Durch die Co­ro­na-Kri­se hät­ten vie­le Re­stau­rants für im­mer ge­schlos­sen, hieß es, es müs­se lang­fris­tig ge­plant und re­ser­viert wer­den. (Muss so­was dann „Weih­nachts­fei­er“ hei­ßen?)

Klar, den gan­zen Sums re­gelt der Markt, und der ist groß. Aber die Au­to­mo­bil­in­dus­trie (Ver­bren­ner!) und der Weih­nachts­markt (ech­ter Stroh­stern und mund­ge­bla­se­ne Ku­geln) sind doch nicht das Rück­grat der deut­schen Wirt­schaft! Au­ßer­dem ha­ben wir doch erst Ad­vent! Be­griff und Ge­dan­ke da­hin­ter schei­nen nur in -ka­len­der, -kranz oder -ge­steck für die Sonn­ta­ge vor Weih­nach­ten über­lebt zu ha­ben. Seit En­de Ok­to­ber über­all Weih­nachts­bäu­me in vol­lem Or­nat: Das war frü­her nicht so.

Mit den Jah­ren hat bei mir aber die Ge­las­sen­heit ge­won­nen, viel­leicht ei­ner der Vor­zü­ge des Alt­wer­dens: die iro­ni­sche Dis­tanz­ung. Als Lin­gu­is­tin ist mei­ne Freu­de über kind­li­che Wor­te wie „ein Be­griff mit drei Z“, der Az­venz­kranz, un­ver­än­dert frisch. Das ist kein be­lie­bi­ger Witz, son­dern selbst ge­hört von ei­nem der Brü­der.

Buy local
Gese­hen in Ber­lin, gilt über­all

Am Tag der Ta­ge hän­gen wir his­to­ri­schen Schmuck in die Zim­mer­pal­men, denn einst, im ge­lob­ten Land, gab es kei­ne Tan­nen. Die Pal­me ist al­so der Baum der Sai­son. Hin­zu kommt das, was zar­te Kin­der­hän­de fa­bri­zie­ren an den Stät­ten ih­rer Bil­dung. Nur die Fräu­leins be­kom­men, weil sie es wie al­le ha­ben dür­fen, ih­ren Baum.

Zum Fest der Fes­te tau­schen wir Bü­cher und Zeit. Gro­ße Wunsch­ge­schen­ke macht sich je­de(r) selbst.

Trau­rig, das? Nein. Es be­wahrt uns vor Fehl­käu­fen (und macht uns nur selbst ver­ant­wort­lich).

Ich schen­ke mir die­ses Jahr ei­nen lan­gen, war­men Man­tel (schon pas­siert, Lamm­fell, lang, in­nen lei­der Plas­tik­flausch, der Floh­markt­tausch ge­gen zwei al­te Fell­män­tel ging zu schnell), viel­leicht ei­nen al­ten, schma­len Kü­chen­schrank. Für den über­lan­gen Flur gibt's Un­ter­schrän­ke fürs Fa­mi­lien­ar­chiv und für Bett- und Tisch­wä­sche. Dann ei­ne Ver­eins­grün­dung, an der ich mit­wir­ke, und Stun­den für ei­nen an­de­ren Ver­ein, al­les gu­te In­hal­te, so­wie Glüh­wein­zeit und Keks­ba­cken mit Freun­din­nen, last but not least Kon­zer­t­be­su­che.

En fa­mi­lle be­deu­tet das Jah­res­en­de oh­ne Stress. Wir schenk­en auch al­te, ge­erb­te Sa­chen, viel­leicht bald zwei his­to­ri­sche Holz­schat­ul­len für die klei­nen Fräu­leins. Wir ha­ben in­ner­fa­mi­liär ne­ben den Buch­ga­ben zum Jah­res­en­de fast ei­nen klei­nen Wett­be­werb, was prak­tische Ga­ben an­geht. Die „Grü­ne Pal­me“ ging mal an form­schö­ne Luft­be­feuch­ter aus of­fen­po­ri­ger Ke­ra­mik. Nur kein Chi­chi!

Oh­ne Ver­ab­re­dung hat sich die Fünf-R-Re­gel ein­ge­schli­chen, hier ein we­nig er­gänzt. Da­bei geht es dar­um, den öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck zu ver­rin­gern und un­se­re Le­bens­wei­se an die glo­ba­len Gren­zen ein we­nig an­zu­pas­sen. Es fol­gen die Grund­sät­ze ei­ner zir­ku­lä­ren Wirt­schaft auf Haus­halts­ebe­ne.

The 7 Rs of sustainability
Recycle, reuse, reduce, refuse, rot, repurpose or regional.

Re­cy­cle: Pfand- und Glas­ge­fä­ße zu­rück in den Kreis­lauf, al­so von Ge­trän­ken, Yo­ghurt, Mar­me­la­de … In mei­nem selbst­or­ga­ni­sier­ten Bio­la­den ge­ben wir auch gro­ße Vor­rats­ge­fä­ße ab, in de­nen un­ver­pack­ter To­fu trans­por­tiert wer­den kann. 
Reu­se
, na­tür­lich. In Sa­chen Kin­der­klei­dung bin ich oft die Sher­pa zwi­schen di­ver­sen Haus­hal­ten. Dann sind da die al­ten Mö­bel ...
Re­du­ceja: Nach der Auf­lö­sung un­se­res El­tern­hau­ses wer­de ich wei­ter re­du­zie­ren. We­ni­ger ist oft mehr, aber nicht im­mer bei His­to­ri­schem. Der Teil des Auf­satz­ma­te­ri­als mei­nes Va­ters, aus dem ich et­was ma­chen kann, wur­de ge­ret­tet. 
Re­fu­se: Der Blick ei­nes Liebs­ten, der mal mit ei­nem rie­si­gen le­der­nen Na­gel­pfle­ge­set an­kam, ob­wohl ich, die ich stän­dig rei­sen muss, längst ein leich­tes Rei­se-Set be­saß! Ich: „Nimm’s mir nicht übel, aber das ist nichts für mich! Be­hal­te es für je­man­den, für die oder den es per­fekt ist!“
Rot
, EN für „ver­rot­ten“: Als Hin­ter­hof­gärt­ne­rin war mein ers­ter Schritt ein Kom­post;
Re­pur­pose
wie Umnutzen oder U wie Up­cy­cling: Mums Ha­cken­por­sche ist ka­putt, aber nur die Ta­sche, das Ge­stell ist per­fekt. In der ru­hi­gen Zeit wer­de ich aus al­ten Jeans ei­ne neue Ta­sche nä­hen.
Re­gio­nal: Ger­ne schen­ke ich Hand­stul­pen oder Schals aus ei­ner Stric­ke­rei um die Ec­ke, bei Any­onion in der Bürk­ner­stra­ße, es lässt sich auch per Post bes­tel­len. Oder Sa­chen vom W-Markt der Ver­ei­ne.

Und es wird mir ein Fest sein.

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Fotos:C.E.